Darf der Arzt Beihilfe zum Suizid leisten?
Frage: Ich habe Knochenkrebs im Endstadium und möchte mein Leben beenden – ohne eine Organisation wie Exit. Darf der Arzt helfen?
Veröffentlicht am 3. Juli 2018 - 11:03 Uhr,
aktualisiert am 31. Mai 2022 - 15:43 Uhr
Ja. Der Hausarzt darf helfen, muss es jedoch nicht. Laut Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) und der Schweizerischen Verbindung der Ärztinnen und Ärzte (FMH) gehört Beihilfe zum Suizid nicht zur ärztlichen Tätigkeit.
Damit irgendeine Person straflos Beihilfe zum Suizid leisten darf, müssen drei Bedingungen erfüllt sein:
- Der Sterbewillige ist in der Lage, die letzte und zum Tod führende Handlung selber durchzuführen.
- Die beim Suizid assistierende Person hat keine selbstsüchtigen Beweggründe.
- Die Person, die die Selbsttötung begeht, ist bezüglich des Sterbewunsches urteilsfähig.
Im Mai 2022 wurden die Richtlinien «Umgang mit Sterben und Tod» überarbeitet. Dabei wurde explizit festgehalten, dass Ärzte nur bei Menschen Suizidbeihilfe leisten sollten, wenn medizinisch fassbare Diagnosen und/oder Funktionseinschränkungen bestehen. Somit sollten Ärztinnen und Ärzte keine Suizidbeihilfe bei Menschen leisten, wenn diese medizinisch als gesund gelten.
Die Richtlinien sehen vier Punkte vor, die der Arzt prüfen muss. Wobei die ersten beiden Punkte von einer unabhängigen Person, die nicht unbedingt Ärztin sein muss, zu bestätigen sind.
- Urteilsfähigkeit: Die Patientin ist in Bezug auf den assistierten Suizid urteilsfähig. Der Arzt hat ausgeschlossen, dass der Wunsch ein behandelbares Symptom einer psychischen Erkrankung ist.
- Autonomer Wille: Der Wunsch ist wohl erwogen, ohne äusseren Druck entstanden und dauerhaft. Dies hat die Ärztin in mindestens zwei ausführlichen Gesprächen, im Abstand von mindestens zwei Wochen, zu überprüfen (Abweichungen sind in begründeten Ausnahmefällen möglich).
- Schwerwiegendes Leiden: Die Krankheitssymptome und/oder Funktionseinschränkungen sind für den Arzt nachvollziehbar und durch eine Diagnose und Prognose zu substanzieren. Die Tatsache, dass für den Patienten sein Leiden unerträglich ist, kann der Arzt nicht objektivieren. Die Gespräche dienen jedoch dazu, dass er die Unerträglichkeit nachvollziehen kann.
- Erwägungen von Alternativen: Medizinisch indizierte therapeutische Optionen sowie alternative Hilfs- und Unterstützungsangebote wurden mit der Patientin gesucht und besprochen. Diese sind erfolglos geblieben oder sie hat sie abgelehnt.
Auch wenn alle Kriterien erfüllt sind, hat der Arzt bis zum Schluss das Recht, die Beihilfe zu verweigern.
Wenn die Ärztin sich zur Suizidbeihilfe entschliesst, wird sie Ihnen das gebräuchliche Mittel Natrium-Pentobarbital in einer tödlichen Dosis und weitere Begleitmedikamente (z.B. zur Angstlinderung) verschreiben. Sie müssen in der Lage sein, die Verabreichung selber vorzunehmen.
Die Vereinigung der Kantonsapotheker empfiehlt, das Medikament an den Arzt und nicht an den Patienten abzugeben. Sie werden die tödliche Dosis somit wahrscheinlich von der Ärztin direkt erhalten, falls sie sich zur Suizidbeihilfe entschliesst und die Kriterien erfüllt sind.
Wer sich mit der letzten Lebensphase auseinandersetzt und eine Sterbebegleitung in Erwägung zieht, sollte sich über verschiedene Dinge frühzeitig Gedanken machen. Mitglieder des Beobachters erfahren nicht nur, wie es um die rechtlichen Bestimmungen zur Sterbehilfe in der Schweiz steht, sondern auch, welche Entscheidungen nach dem Tod zu treffen sind und wie sie zugunsten ihrer Liebsten vorsorgen können.
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