Herr Aguzzi, Sie kritisieren den Bundesrat wegen der Coronakrise scharf. Warum?
Adriano Aguzzi: Er handelt verantwortungslos. Wir bewegen uns auf eine schwere Krisensituation zu und alles, was der Bundesrat empfiehlt, ist, dass wir in die Armbeuge niesen sollen.


Er hat auch Veranstaltungen mit über 1000 Personen verboten. An der Grenze zu Italien sind ausser zwei alle Grenzübergänge geschlossen worden.
Die Grenze ist nicht mehr das Problem, denn das Virus ist längst schon hier. Es braucht den Lockdown jetzt. Das heisst: Universitäten und Schulen sollten geschlossen und die Bewegungsfreiheit massiv eingeschränkt werden. Sonst sind wir in zwei Wochen so weit, wie Italien es bereits heute ist.

Partnerinhalte
 
 
 
 


Ein Lockdown ist eine radikale Massnahme und wird schwere wirtschaftliche Schäden verursachen.
Wir müssen langfristig denken. Klar wird ein Lockdown die Wirtschaftsaktivitäten stark beeinträchtigen. Doch wenn wir jetzt die Weitergabe des Coronavirus Covid-19 Was Sie über das Coronavirus wissen müssen stoppen, sind wir es in kurzer Zeit los und das Leben kann weitergehen wie vor der Krise. Verzichten wir jetzt auf radikale Massnahmen, werden wir später einen viel höheren Preis bezahlen müssen, weil sich viel mehr Leute angesteckt haben werden. Jeder zusätzliche Tag der Unentschlossenheit wird viele Menschenleben kosten.


Welche Massnahmen haben Sie als Institutsleiter ergriffen?
Ich habe alle Leute nach Hause geschickt, die ihre Arbeit über Internet und Telefon erledigen können. Ausserdem habe ich jedem, der sofort drei Tage Urlaub nimmt, zwei weitere freie Tage geschenkt. Das Ziel ist, in dieser Phase alles zu tun, um zwischenmenschliche Übertragungen des Virus zu verhindern. Ich bin kein Fan von Telearbeit. Der zwischenmenschliche Kontakt ist sehr wichtig. Aber in der aktuellen Situation wäre jede andere Entscheidung falsch gewesen. Auch ich selber werde in der kommenden Zeit nicht am Institut sein. Sogar das wöchentliche Reporting unserer Forschungsergebnisse habe ich unterbrochen, obwohl das in den letzten 27 Jahren noch nie geschehen ist.


Haben Sie denn mit dem Bundesrat Kontakt aufgenommen?
Mein Spezialgebiet ist die Neurodegeneration bei Alzheimer, Parkinson, Creutzfeldt-Jakob. Dennoch habe ich immer auch über Viren geforscht. Allerdings bin ich kein Politiker und mein Einfluss auf die Behörden ist klein.
 

Zur Person

Adriano Aguzzi ist mehrfach ausgezeichneter Prionenforscher und leitet das Institut für Neuropathologie an der Universität Zürich.

Zwei Mal pro Woche direkt in Ihre Mailbox
«Zwei Mal pro Woche direkt in Ihre Mailbox»
Dominique Strebel, Chefredaktor
Der Beobachter-Newsletter