Lokführerin rettet autistischen Buben
Besser hätte sie nicht reagieren können, sagt eine Autismus-Expertin. Jetzt wird Marlies Zimmermann als Heldin gefeiert.
Veröffentlicht am 12. Mai 2023 - 16:06 Uhr
Sogar der deutsche Fernsehsender RTL berichtete darüber: Die Schweizer Lokführerin Marlies Zimmermann hat letzte Woche durch ihr mutiges Eingreifen ein Drama verhindert.
Als sie morgens um 7 Uhr mit ihrer S11 in den Bahnhof Mägenwil AG eingefahren war, entdeckte sie einen kleinen Jungen etwas ausserhalb des Bahnhofs auf einem Gleis. Allein, barfuss und noch im Pyjama stand der Siebenjährige dort.
Die Lokführerin unterbrach die Weiterfahrt, stieg aus der Lok und ging auf den Knaben zu. Eine Passagierin filmte alles aus dem Fenster.
Frühmorgens aus der Wohnung geschlichen
Vorsichtig sprach die Lokführerin den Jungen an und nahm ihn an die Hand. Weil er barfuss war, schmerzte ihn aber das Gehen über die Schottersteine. Sie hob ihn hoch und trug ihn zum Zug.
Bei der nächsten Station Mellingen überreichte sie den Buben der Polizei, die ihn kurz darauf den besorgten Eltern übergeben konnte.
Wie die Polizei mitteilte, leidet der Junge an Autismus und hatte sich frühmorgens aus der Wohnung geschlichen – nicht zum ersten Mal.
Lob von der Autismus-Expertin
Lokführerin Zimmermann habe geradezu vorbildlich gehandelt, sagt Sandra Kalbassi, Gesamtleiterin der Stiftung Kind und Autismus, gegenüber «Argovia Today». Nicht nur habe sie sofort reagiert. «Sie ging ruhig auf das Kind zu und brachte es sanft weg. Genau das brauchte es in dieser Situation.»
Von allein hätte der Bub die Gefahr wohl nicht erkannt, sagt Kalbassi. «Bei Kindern mit Autismus ist die Wahrnehmung anders. Sie nehmen die Situation anders wahr.» So habe der Bub sich vielleicht in die Struktur der Gleise vertieft – und alles darum herum ausgeschaltet.
Autismus , auch Autismus-Spektrum-Störung genannt, ist eine Entwicklungsstörung. Rund 80’000 Personen in der Schweiz sind in der einen oder anderen Form davon betroffen.
SBB verzichten auf Anzeige
Konsequenzen hat der Vorfall wahrscheinlich nicht. Die SBB verzichten auf eine Anzeige wegen Störung des Bahnverkehrs. Ob die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Kesb aktiv wird, wollte sie gegenüber den Medien aus Persönlichkeitsschutzgründen nicht mitteilen.
1 Kommentar
Dieser Bericht hebt sich wohltuend von den meisten Medien Meldungen ab, weil hier durch beherztes und richtiges Handeln ein mögliches Desaster abgewendet wurde. Solche Taten geschehen wahrscheinlich tagtäglich und überall, nur sind sie meistens keine Zeile wert.