Beat Jans, Sie haben es also geschafft: Ab dem 1. Januar sitzen Sie in der Landesregierung. Seit Nationalratspräsident Eric Nussbaumer die Worte «gewählt ist …» zusammen mit Ihrem Namen ausgesprochen hat, haben Sie bereits unzählige Hände geschüttelt und Blumensträusse entgegengenommen.
Sie haben in einer kurzen Erklärung (in allen vier Landessprachen, wie sich das gehört) die Wahl angenommen und den Eid auf die Bundesverfassung abgelegt. Anschliessend haben Sie sich von Ihren sechs neuen Arbeitskolleginnen und -kollegen beglückwünschen lassen und danach auf dem Bundesplatz Ihre Anhängerinnen und Anhänger begrüsst. Kurz: Sie hatten noch keinen ruhigen Moment.
Gewöhnen Sie sich an den Stress
Wir haben für Sie mit Leuten aus dem engsten Umfeld von Bundesrätinnen und -räten gesprochen und uns erklären lassen, was Sie erwartet. Alle haben uns das Gleiche erzählt: Ab jetzt wird es in diesem Rhythmus weitergehen. Permanent. Nicht ab dem 1. Januar. Ab sofort. Lassen Sie uns gemeinsam in die Zukunft blicken.
Der ebenfalls neu gewählte Bundeskanzler hat vermutlich bereits einen Termin mit Ihnen ausgemacht. Er wird in den kommenden Wochen wichtig sein für Sie, denn er führt Sie in die Gepflogenheiten der Landesregierung ein. Die Bundeskanzlei stellt Ihnen auch per sofort ein eigenes Büro und eigenes Personal zur Verfügung.
Ihre wichtigsten Leute
Schon wenige Tage nach der Wahl werden Sie an einer inoffiziellen Bundesratssitzung erfahren, welches Departement Sie führen werden. Spätestens ab dann müssen Sie die ersten Personalentscheide treffen und einen Generalsekretär, eine Kommunikationschefin und zwei persönliche Mitarbeitende bestimmen.
Überstürzen Sie nichts! Diese Leute werden Sie in den kommenden Jahren fast Tag und Nacht begleiten, ihnen kommt eine enorm wichtige Rolle zu. Ihre persönlichen Mitarbeitenden sind Ihr direkter Draht ins Parlament, sie können in informellen Gesprächen die Stimmung ausloten, Ideen platzieren und Meinungen abholen.
Ihre Kommunikationschefin sollte ein grosses Netzwerk in der Medienbranche haben. Sie wird dafür sorgen, dass Sie in Zeitungen, in Radio und Fernsehen präsent sind (und dort ins richtige Licht gerückt werden).
Feiertage? Nicht für Sie!
In Ihrem provisorischen Büro warten mehrere Bundesordner auf Sie. Sie enthalten die wichtigsten Geschäfte aus Ihrem künftigen Departement, fein säuberlich für Sie aufbereitet. Jetzt werden Sie erst einmal lesen, lesen und lesen. Selbst wenn Sie als Parlamentarier ein Spezialgebiet hatten, das in Ihrem Departement angesiedelt ist, werden Sie nur bei einem Bruchteil davon Bescheid wissen.
Deshalb: Vergessen Sie dieses Jahr Weihnachten, Silvester und Neujahr. Sie müssen Akten studieren.
Ellenlange Arbeitstage
Spulen wir etwas vor. Sie sind nun ein paar Wochen im Amt. Sie haben sich daran gewöhnt, dass Ihr persönlicher Weibel Ihnen den Mantel abnimmt und Kaffee serviert. Sie kommen langsam in den Arbeitsrhythmus eines Bundesrats. Sprich: Sie wissen, dass eine Sitzung der nächsten folgt, von morgens früh bis in den Abend hinein.
Ihr Tag beginnt mit einer Besprechung mit Ihren engsten Mitarbeitenden. Ihre Kommunikationschefin präsentiert die Medienschau mit Beiträgen zu Geschäften aus Ihrem Departement. Dann geht es an den Ausblick auf den Tag: Was steht an? Welcher Amtschef kommt heute für eine Besprechung? Zu welchen Geschäften treffen Sie Fachleute? Steht eine Kommissionssitzung an, in der Sie präsent sein müssen? Haben Sie am Abend einen Auftritt bei einem Verband oder einer Offiziersgesellschaft? Nach der Stunde mit Ihren engsten Mitarbeitenden können Sie mit der eigentlichen Arbeit beginnen.
In diesen ersten Wochen im Amt können Sie einiges richtig machen – und sehr vieles falsch. Denn Sie sind nun Chef eines Departements mit mehreren Tausend Angestellten. Und die sind Ihr Rückgrat: Ohne sie wird es schwer, etwas zu bewegen.
Wenn Sie also eine Herzensangelegenheit haben, ein Projekt, das Sie erfolgreich abschliessen möchten, so tun Sie gut daran, beim ersten Termin mit der zuständigen Amtsdirektorin erst einmal ihre Anliegen anzuhören. Wenn Sie wissen, wie ein Amt tickt, haben Sie viel bessere Chancen, für Ihr Anliegen Unterstützung zu finden.
Die Bundesratssitzung
Ihre Agenda bestimmt nun fast jede Minute Ihres Lebens – und ein einziger Termin den Grossteil Ihrer Agenda: die Bundesratssitzung am Mittwochvormittag.
Und die beginnt lange vorher. Am Montagnachmittag haben die stellvertretenden Generalsekretärinnen und -sekretäre ein Meeting und treiben die anstehenden Geschäfte voran. Lassen Sie sich danach unbedingt vom Vertreter Ihres Generalsekretärs orientieren! Sein Job ist es nicht zuletzt, die Stimmung bei den anderen Departementen auszuloten.
Übrigens: An der Bundesratssitzung siezt man sich – und schenkt sich wenig. Am Schluss braucht es dennoch einen einstimmigen Beschluss.
Nach und nach erhalten Sie auch die Berichte aus den anderen Departementen. So erfahren Sie, was das Kollegium über die Geschäfte denkt. Gut möglich, dass einer Sie anruft und versucht, Sie in einem Anliegen für sich zu gewinnen.
Klammerbemerkung: Natürlich können Sie sich am Montag und Dienstag nicht nur mit der Bundesratssitzung beschäftigen. Oft finden dann Kommissionssitzungen statt, an denen Sie als Departementschef Ihre Geschäfte vorstellen und vertreten.
Vor der Bundesratssitzung haben Sie mit den Referenten – den Fachleuten in Ihrem Generalsekretariat – entschieden, zu welchen dieser Traktanden Ihr Departement einen sogenannten Mitbericht abgibt, also offiziell Stellung nimmt. Sie haben bis Dienstag um 14 Uhr Zeit, diese Mitberichte bei der Bundeskanzlei abzuliefern.
Siezen für das Kollegium
Am Mittwochmorgen, kurz vor der Bundesratssitzung, halten Sie ein Meeting für Absprachen in Ihrem Departement ab. Dann, um Punkt 9 Uhr, bittet der Bundespräsident ins Sitzungszimmer. Nun werden Sie mit Ihren Kolleginnen und Kollegen über 60 Geschäfte behandeln. Viele müssen nur noch abgenickt werden, sie sind auf orangefarbenem Papier ausgedruckt. Diejenigen auf weissem und grünem Papier diskutieren Sie an der Sitzung, wobei «weisse» Geschäfte die politisch bedeutsamen, «grüne» die geheimen sind.
Übrigens: An der Bundesratssitzung siezt man sich – und schenkt sich wenig. Am Schluss braucht es dennoch einen einstimmigen Beschluss: «Der Bundesrat entscheidet als Kollegium», steht in der Bundesverfassung. Anders ausgedrückt: Man verhandelt, bis man sich einig ist, abgestimmt wird nicht.
Beim traditionellen gemeinsamen Mittagessen danach können Sie noch einmal in ungezwungenem Rahmen über die Sitzung reden. Und wenn Sie danach nicht an die Pressekonferenz müssen, ist der Mittwochnachmittag möglicherweise der Moment, in dem Sie ein paar ruhige Minuten oder gar Stunden für sich einplanen können.
Denn am Donnerstag früh geht es weiter mit Sitzungen, Treffen und Besprechungen. Präsidentinnen von grossen Verbänden werden an Ihre Tür klopfen, Amtsdirektoren kommen mit Anliegen (oder Sie zu ihnen), und Medienschaffende bitten um Interviews.
Bundesrat zu sein, bedeutet, mindestens mit zehn Bällen gleichzeitig zu jonglieren.
Der etwas andere Feierabend
Vergessen Sie ob all der Termine nicht, Ihre Beziehungen zum Parlament zu pflegen, denn die sind Gold wert. Wie wärs, wenn Sie alle paar Monate die Spitzen der Parteien zu einer Tasse Kaffee einladen? So ganz informell und ohne Protokoll spricht es sich offener als vor laufender Kamera.
Wenn Ihr Chauffeur Sie am späten Freitagabend nach Hause fährt, haben Sie mit Sicherheit 70 bis 80 Arbeitsstunden hinter sich. Und im Kofferraum fahren die Akten mit, die Sie über das Wochenende studieren müssen.
Bundesrat zu sein, bedeutet, mindestens mit zehn Bällen gleichzeitig zu jonglieren. Machen Sie sich von Anfang an nichts vor: Früher oder später fällt einer zu Boden. Es geht nur darum, wie elegant Sie ihn aufheben.
1 Kommentar
Eindrücklicher Bericht! Und ich staune, wie gut Beobachter über den "Tagesbefehl" einer Bundesrätin berichten kann. Selber schwirrte mir schon beim Lesen der Kopf. Für mich ist klar, dieses Amt ist total überladen. Wie soll in diesem Amt der Draht zu den Einwohnerinnen überhaupt noch möglich sein? Da wunder es mich nicht, dass es Bundesräte im Amt gab, denen der "Nuggi" oder die "Sicherung" rausgeflogen, der Kragen geplatz oder die Pumpe kolabiert ist. Viel Kraft Herr Bundesrat Jost bei Ihrem neuen Amt und wenn Sie bei einem Geschäft aus der grünen Akten nicht sicher sind, reden Sie mit Ihrer Frau. Das klappt. Empathie ist zudem ein guter Rat, auch Ihnen selbst gegenüber