Der Ständerat hat am Dienstag zwei wichtige Beschlüsse gefasst, wie er die zweite Säule der Altersvorsorge reformieren will. Erstens soll der Koordinationsabzug gesenkt werden. Zweitens die Eintrittsschwelle. Dadurch sollen mehr Menschen ins System der beruflichen Vorsorge integriert werden und später zusätzlich zur AHV eine Pensionskassenrente erhalten.

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Was bedeutet der tiefere Koordinationsabzug? 

Der Koordinationsabzug ist der Teil vom Lohn, der nicht bei der Pensionskasse versichert wird. 2023 liegt er bei 25’725  Franken. Bei einem Jahresgehalt von 46’000 Franken also werden lediglich ungefähr 20‘000 Franken bei der Pensionskasse versichert. Dadurch bleiben die Lohnabzüge von Geringverdienenden zwar gering. Es führt aber auch dazu, dass sie wenig bis keine Rente aus der Pensionskasse erhalten. 

Der Ständerat hat am Dienstag beschlossen, den Koordinationsabzug auf 15 Prozent des Lohns zu senken. Bei einem Jahresgehalt von 46’000 Franken wären folglich 39’100 Franken bei der Pensionskasse versichert. Wichtig: Dieser Abzug ist abhängig vom Lohn und kein fixer Betrag. Dadurch werden vor allem Geringverdienende und Teilzeitbeschäftigte bessergestellt. Der beschlossene Koordinationsabzug von 15 Prozent führt zwar dazu, dass Arbeitnehmende mehr in die Pensionskasse einzahlen müssen. Sie erhalten aber auch eine höhere Rente. Zudem steigen auch die Beiträge der Arbeitgebenden. Die Berufsvorsorge verlangt nämlich, dass der Arbeitgebende für mindestens die Hälfte der Prämien aufkommen muss. Werden dem Arbeitnehmenden monatlich 320 Franken vom Gehalt abgezogen, werden der Pensionskasse also mindestens 640 Franken gutgeschrieben.

Und die tiefere Eintrittsschwelle? 

Die Eintrittsschwelle gibt an, ab welchem Jahresgehalt eine Person in der Pensionskasse versichert ist. Der Minimallohn liegt 2022 bei 21’510 Franken. Personen, die weniger verdienen, sind nicht obligatorisch in der zweiten Säule versichert. Auch hier ist der Gedanke, dass von tiefen Einkommen nicht zu viel abgezogen wird. Der Ständerat hat am Dienstag beschlossen, die Eintrittsschwelle auf ein Jahresgehalt von 17’200 Franken zu senken. Damit werden mehr Menschen von der Pensionskasse abgesichert.

Was ist das Problem?

Mit der tieferen Eintrittsschwelle kommen deutlich mehr Menschen in die Pensionskasse. Der Bund schätzt, dass dadurch 60’000 Personen neu über die zweite Säule versichert würden. 

Das Problem ist: Diejenigen, die am wenigsten verdienen, würden unter dem Strich nicht profitieren. Sie würden während ihres Arbeitslebens zusätzlich Beiträge an die Pensionskasse zahlen, ihre finanzielle Situation im Pensionsalter würde sich aber nicht verbessern.

Denn heute erhalten Geringverdienende nach der Pensionierung in der Regel Ergänzungsleistungen. Dafür müssen sie nicht extra einzahlen, sie werden aus dem Topf der AHV finanziert. Wenn sie nun eine Pensionskassenrente beziehen, bekommen sie keine Ergänzungsleistungen mehr, weil sich ihre finanzielle Situation durch die PK-Rente verbessert. Für diese aber werden Beiträge vom Lohn abgezogen. Für manche Geringverdienende ergibt sich in der Summe so ein Minusgeschäft. Der Bund rechnet damit, dass dieser Fall auf rund einen Drittel der 60’000 Neupensionäre zutreffen würde, also auf rund 20’000 Personen.

Wie man diesem «unerwünschten Nebeneffekt» (so die Befürworter der Reform) entgegentreten will, ist noch nicht entschieden. Ein Hebel dafür wären zum Beispiel höhere Minimallöhne oder mehr Ergänzungsleistungen.

Welche Fragen sind noch offen?

Der geringere Koordinationsabzug und die tiefere Eintrittsschwelle sind nur zwei Punkte der Reform. Einen umstrittenen Entscheid hat der Ständerat auf später verschoben: wie er die geplante Rentenkürzung im sogenannten Obligatorium abfedern will. Das betrifft etwa 15 Prozent aller Menschen in der beruflichen Vorsorge. Alle anderen sind sogenannt überobligatorisch versichert.

Im Grunde geht es hier um das Herzstück der Reform: den Umwandlungssatz der beruflichen Vorsorge in der obligatorischen Versicherung zu senken. Von heute 6,8 auf 6,0 Prozent. Grund ist, dass ein derart hoher Umwandlungssatz der Pensionskassenvermögen nicht mehr realistisch ist, wenn die Menschen immer älter werden und damit länger Rente beziehen.

Ein tieferer Umwandlungssatz aber bedeutet eine tiefere Rente. Ein Umwandlungssatz von 6,8 Prozent hat zur Folge, dass man bei einem PK-Kapital von 100’000 Franken eine Rente von 6800 Franken jährlich ausbezahlt bekommt. Bei 6 Prozent sind es nur noch 6000 Franken. 

Einschneidend ist die Kürzung vor allem für jene, die kurz vor der Pensionierung stehen. Sie haben kaum mehr Zeit, zum Beispiel mit privatem Sparen auf die geringere PK-Rente zu reagieren. Das Parlament will darum einer sogenannten Übergangsgeneration eine Kompensation ermöglichen. Wie genau, ist aber noch offen. Ebenso, ob zu dieser Übergangsgeneration die ersten 15 oder nur die ersten 10 Jahrgänge gehören sollen, die von der Rentenkürzung betroffen sind.

Was ist überhaupt das Ziel der Reform?

Die Reform der beruflichen Vorsorge hat zwei Ziele: Zum einen soll ihre Finanzierung langfristig gesichert werden. Zum anderen sollen mehr Menschen eine Pensionskassenrente erhalten.

Heute sind vor allem Menschen mit wenig Einkommen und Teilzeitarbeitende oft nicht in der zweiten Säule versichert. Vielfach sind das Frauen. Sie erhalten im Alter lediglich eine AHV-Rente. Diese reicht häufig nicht aus, um den Lebensunterhalt zu bestreiten.
Diesen September haben die Stimmberechtigten knapp zugestimmt, das Rentenalter für Frauen von 64 auf 65 Jahre zu erhöhen, so wie bei den Männern. Ein Versprechen der Befürworterinnen und Befürworter war, dass im Gegenzug dafür die Benachteiligung vieler Frauen bei der beruflichen Vorsorge korrigiert wird.

Wie geht es jetzt weiter?

Der Ständerat muss sich der Reform nochmals annehmen und entscheiden, wie er die Rentenkürzung für obligatorisch Versicherte abfedern will. 

Danach geht das Geschäft zurück in den Nationalrat. Er hat schon im Sommer darüber beraten. Dabei hat er klargemacht, dass er den Menschen, die besonders stark von der geplanten Rentenkürzung betroffen sind, weniger stark entgegenkommen will, als es der Arbeitgeberverband und die Gewerkschaften miteinander ausgemacht hatten. Auch der Bundesrat hatte sich hinter diesen Kompromiss gestellt, der Zuschläge für sämtliche Neurentner vorsieht.

Die Gewerkschaften haben bereits angekündigt: Unterstützen die Räte den Kompromiss nicht, ergreifen sie das Referendum. Dann würde die BVG-Revision vors Stimmvolk kommen.

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