Was empfinden die Menschen in der Schweiz als gerecht? Mit welchen Ungleichbehandlungen sind sie im Alltag konfrontiert? Wer soll Abhilfe schaffen? Zu solchen und ähnlichen Fragen nahmen beim erstmals erhobenen Gerechtigkeitsbarometer des Beobachters rund 5500 Personen über 16 Jahren Stellung. Mit ihren Antworten schufen sie ein Stimmungsbild, wie fair sich unterschiedliche Bevölkerungsgruppen in unserem Land behandelt fühlen. Um Entwicklungen aufzuzeigen, wird die repräsentative Befragung des Instituts GFS Bern künftig jedes Jahr wiederholt. Im Folgenden die wichtigsten Ergebnisse für das Jahr 2024.

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Grundsätzlich läuft vieles in der Schweiz gerecht. Besonders fair finden die Befragten die Demokratie mit dem Stimm- und Wahlrecht, das Schulwesen und vielfältige Bildungsmöglichkeiten, das Sozial- oder auch das Rechtssystem. Ungerecht sei die Schweiz vor allem in Bezug auf die Entwicklung der Löhne.

Wie gerecht ist die Schweiz? Diese Frage sollten die Teilnehmenden allgemein und für sich persönlich beantworten. Die Einschätzungen zur generellen Gerechtigkeit sind deutlich kritischer.

In welchen Lebensbereichen widerfährt einem am häufigsten Unrecht? Auf den ersten Plätzen sind Situationen am Arbeitsplatz, die Interaktion mit Behörden, das Gesundheitswesen. Alle Bereiche stufen die Befragten allgemein problematischer ein als im persönlichen Erleben. 

Straffällige Ausländer werden zu selten ausgeschafft – daran stört sich rund die Hälfte aller Befragten. Die höchste Zustimmung erhält die Aussage von Männern ab 65, die politisch rechts stehen. Der Unmut geht zurück auf einen einfachen Grundsatz: Wer gegen das Gesetz verstösst, wird bestraft. Regeln schaffen Ordnung und sorgen für Gerechtigkeit. Wenn das in Schieflage gerät, wird das Vertrauen in den Rechtsstaat untergraben.

Gerechtigkeit ist Ansichtssache: Was man ungerecht findet, hängt stark von Alter, Geschlecht, sozialem Status oder der Beschäftigungssituation ab.

Auch die individuelle Wertorientierung und die politische Einstellung beeinflussen, was als ungerecht empfunden wird. Die unterschiedlichen Ansichten im Links-rechts-Schema sind frappant.

Die Unzufriedenheit mit den Eliten ist eindeutig spürbar. Die Bevölkerung traut den Instanzen von Staat und Wirtschaft nicht zu, für Gerechtigkeit zu sorgen.

Wer soll die Ungerechtigkeiten beheben? Regierung und Staat stünden in der Pflicht, das findet die Hälfte der Befragten. An zweiter Stelle folgen Firmen und Wirtschaft. Mehr oder weniger auf den Kopf gestellt wird die Rangliste bei der Frage, welche Akteure sich heute schon genügend für eine gerechtere Schweiz engagieren: Der Staat schneidet nur mittelmässig ab, Wirtschaft und Parteien sind gar abgeschlagen. Die Kluft zwischen Erwartungen und Erfahrungen könnte grösser kaum sein.

Das Gerechtigkeits-Barometer des Beobachters: Wie gerecht ist die Schweiz?

Mit dem Gerechtigkeits-Barometer ermittelt der Beobachter in Kooperation mit Coop Rechtsschutz ein Stimmungsbild, wie fair sich unterschiedliche Bevölkerungsgruppen behandelt fühlen und welche systematischen Ungerechtigkeiten es gibt.

Aus dem Befund leiten wir ab, welche Massnahmen für mehr Gerechtigkeit getroffen werden müssten. Um Entwicklungen aufzuzeigen, wird die repräsentative Befragung jährlich im Herbst durchgeführt.