Zürcher Kantonalbank – eine Zeitbombe?
Michel Huissoud kennt Bundesbern wie kaum ein Zweiter. Für den Beobachter wirft der ehemalige Direktor der Eidgenössischen Finanzkontrolle kritische Blicke auf Politik und Wirtschaft.
Veröffentlicht am 24. Mai 2023 - 09:00 Uhr
Es gibt Zürcher, die stolz darauf sind, eine Kantonalbank (ZKB) zu haben. In Wahrheit aber – zumindest wenn man die jeweiligen Dimensionen vergleicht – hat in Zürich nicht der Kanton eine Bank, sondern eher die Bank einen Kanton. Die Bilanzsumme der ZKB beträgt 200 Milliarden Franken – jene des Kantons 25 Milliarden Franken. Doch Paragraf 6 des kantonalen Gesetzes über die ZKB sieht vor, dass «der Kanton für alle Verbindlichkeiten der Bank haftet». Ist dies realistisch?
Die ZKB ist nach der Übernahme der CS durch die UBS die viertgrösste Bank im Land mit dem Label «Too big to fail». Im jüngsten Bericht vom April 2023 formuliert es die Finma so: «Der Notfallplan der […] ZKB ist weiterhin noch nicht umsetzbar, da [sie] für die Rekapitalisierung im Notfall nicht genügend Kapital reserviert hat.»
Müsste der Bund also erneut die Rolle des Feuerwehrmanns übernehmen? Rechtlich gesehen wäre er nicht verpflichtet, der ZKB oder dem Kanton Zürich zu Hilfe zu eilen. Aber könnte er die ZKB politisch im Stich lassen? Wahrscheinlich nicht. Und genau hier wird die Situation seltsam.
Zur Erinnerung: Etwa die Hälfte der Kantonalbanken ist als Aktiengesellschaften organisiert und zahlt die direkte Bundessteuer. Die anderen, wie die ZKB, sind kantonale Institute und haben diese Steuer noch nie gezahlt. Im Ernstfall befänden wir uns also in der absurden Situation: Der Bund käme einer Bank zu Hilfe, die ihm noch nie Steuern gezahlt hat. Die Schlusspointe könnte lauten: Kantonalisierung der Gewinne – Nationalisierung der Verluste.
Man könnte sich auch vorstellen, dass die anderen Kantone Zürich zu Hilfe kommen. Hier ergibt sich eine weitere unschöne Situation. Denn bei der Berechnung des Finanzausgleichs wird die ZKB ignoriert – weil sie keine Steuern, sondern Dividenden an den Kanton Zürich zahlt. Das wiederum verzerrt den Finanzausgleich. Wären die anderen Kantone damit einverstanden, einem Kanton zu Hilfe zu eilen, der solche finanziellen Ressourcen nicht teilt, wenn es ihm gut geht?
Wie so oft in der Schweizer Geschichte könnte die Lösung aus dem Ausland kommen. Die Verflechtung der ZKB mit dem Zürcher Staat ist nämlich eines der Hindernisse, die derzeit die Verhandlungen mit der EU blockieren. Die Staatsgarantien verzerren nach Ansicht der EU-Staaten den Wettbewerb. Lohnt es sich, an diesem merkwürdigen helvetischen Bankenkonstrukt festzuhalten und dafür die guten Beziehungen zu unseren Nachbarn aufs Spiel zu setzen? Dafür gibt es keine guten Gründe.