Die Maschen der Telefonbetrüger – und was Sie tun können
Jedes Jahr ergaunern Kriminelle Millionen Franken. Ein Dokfilm zeigt nun die Tricks. Und wir sagen, wie man sich schützt.
Veröffentlicht am 6. Februar 2024 - 16:52 Uhr
2023 nahm in der Schweiz Telefonbetrug stark zu. Gemäss «Tages-Anzeiger» stellte das Bundesamt für Polizei über 3000 Betrugsversuche fest. Die Schadenssumme verdoppelte sich gegenüber dem Vorjahr von 5,7 auf 11,5 Millionen Franken. Das dürfte allerdings nur die Spitze des Eisbergs sein. Aus Scham wenden sich die meisten Betroffenen nicht an Polizei oder Behörden. Pro Senectute schätzt aufgrund einer repräsentativen Befragung, dass Personen ab 55 Jahren jährlich rund 675 Millionen Franken abgeknöpft werden.
Wie die Täterschaft agiert und warum es so schwierig ist, gegen sie vorzugehen, zeigt nun ein Dokfilm des Onlinemagazins «Izzy». Fünf Journalisten aus Zürich recherchierten mehr als ein Jahr für das Projekt. Im Zentrum steht der Comedian, Schauspieler und Journalist Cedric Schild. Geschickt ködert er die Enkeltrick-Betrüger, lockt sie in eine Falle und lässt diese schliesslich zuschnappen – und das alles vor laufender Kamera.
Nicht nachmachen!
Gleich zu Beginn erscheint der wohl wichtigste Hinweis des 80-minütigen Films: die Warnung, betroffene Personen sollten auf keinen Fall in Eigenregie gegen Kriminelle vorgehen. «Die Verfolgung Krimineller ist gefährlich und Aufgabe von Polizei und Justiz», heisst es im Dok. Der Film sei unter Einhaltung umfassender Sicherheitsvorkehrungen gedreht worden.
Um die Betrüger in die Falle zu locken, kauften die Journalisten Festnetznummern und trugen diese unter altmodisch klingenden Namen ins Telefonbuch ein. Denn laut Polizei sind Personen mit Namen wie Heidi Müller, Alois Furrer oder Johanna Keller besonders häufig Opfer von Telefonbetrug. Ebenso involviert das «Izzy»-Team ältere Personen in die Recherche – sie treten bei einer Geldübergabe in Kontakt mit den Betrügern.
Die Geschichte mit dem Autounfall
Lange müssen Schild und sein Team warten, bis die Telefone klingeln. Aber dann beissen die Betrüger an. Eine Frauenstimme weint ins Telefon: «Papa, ich hatte einen Autounfall. Es ist ganz schlimm. Ich habe jemanden überfahren. Die Polizei ist hier. Du musst mir helfen.» Am anderen Ende mimt Schild den überrumpelten, alten Vater: «Melissa, bist du es?»
Zwei Stunden bleibt er am Telefon. In der Leitung ist er angeblich mit einer Polizistin, einer Staatsanwältin und einem Richter. Er müsse eine Kaution zahlen, damit seine Tochter nicht ins Gefängnis komme. Die Betrüger geben Anweisungen: «Haben Sie Bargeld im Haus? Holen Sie es. Haben Sie eine wertvolle Uhr? Haben Sie Gold? Holen Sie alles.»
Schild soll dann das Geld und die Wertsachen in einen Umschlag packen und zu einem vereinbarten Treffpunkt bringen. Der mit eingespannte Senior wird vor die Tür geschickt. Tatsächlich taucht dann ein Mann auf, der dem Lockvogel den Umschlag abnimmt. Schild und sein Team rennen auf den Mann zu und fragen ihn: «Warum zocken Sie alte Menschen ab?» Auch die Polizei wurde inzwischen alarmiert. Wenige Minuten später wird der Betrüger festgenommen.
Immer perfider
Zu Wort kommen auch Betroffene. Marlies erhielt vor zwei Jahren einen Anruf von einem Betrüger. Im letzten Moment konnte die Polizei die Geldübergabe verhindern. Marlies schämt sich noch immer, dass sie auf eine solche Masche hereinfallen konnte. Das Geschehene plagt sie bis heute. «Was die mit einem machen können. Das hat mich psychisch getroffen. Ich konnte nicht mehr schlafen, habe immer wieder daran gedacht.»
Der Film von «Izzy» zeigt: Die Maschen der Enkeltrick-Betrüger werden immer perfider, die Täter immer professioneller. Sie üben einen enormen Druck auf ihre Opfer aus, sind gut vorbereitet, drohen, machen ihr Gegenüber am Telefon gefügig. Ein ziviler Fahnder der Polizei sagt im Film: «Es sind Schockanrufe, mit denen die Betrüger ihre Opfer psychisch kaputtmachen. Wenn ein Trick nicht mehr funktioniert, finden sie einen neuen.»
Doch komplett machtlos sind Opfer nicht. Wichtig ist, dass sich Betroffene nicht unter Druck setzen lassen. «Geben Sie nie Passwörter preis und überweisen Sie nie Geld», sagt Beobachter-Expertin Katharina Siegrist. Das würde weder die Polizei noch ein Anwalt je am Telefon verlangen.
Vorsicht ist selbst dann geboten, wenn die Person am Telefon tatsächlich wie eine Verwandte klingt. Inzwischen ist es möglich, mit Software Stimmen nachzubilden, um sogar Familienmitglieder zu täuschen. Am einprägsamsten ist da die Formel der Schweizerischen Kriminalprävention: Schock + Geld = Betrug. Sie rät: «Legen Sie einfach auf.»
- Spoofing (englisch «to spoof» = imitieren)
Betrüger oder Callcenter kapern die Telefonnummern von Schweizer Firmen oder Privatpersonen. Mit diesen kommen sie mühelos an Werbeanrufblockern vorbei. - «Microsoft-Betrug»
Die Anrufenden geben sich als Microsoft-Mitarbeitende aus und behaupten, sie hätten eine Fehlermeldung vom Computer der angerufenen Person erhalten. Um den Fehler zu beheben, sei das Passwort nötig. - Regula-Trick oder Enkeltrick
Betrüger suchen ihre Opfer anhand des Vornamens aus. Etwa Regula oder Irene – Namen, die vor 60 Jahren gebräuchlich waren. Eine angebliche Polizistin oder ein angeblicher Anwalt behauptet dann, die Tochter oder der Enkel habe einen Autounfall verursacht. Für die Kaution sei Geld nötig, sonst drohe eine Gefängnisstrafe. - Stimmenklau mit künstlicher Intelligenz
Der Regula-Trick wird noch perfider: Eine Software bildet die Stimme einer Person nach, um Familienmitglieder zu täuschen. Die Sprachkopie ist überzeugend echt. Nötig sind dafür nur eine App und wenige Sekunden Audio- oder Videomaterial.
Die Kantonspolizei Zürich gibt hilfreiche Tipps zum Umgang mit Telefonbetrug.
Guider-Merkblatt zu unerwünschten Werbeanrufen.