Glutenfrei, laktosefrei, mit diesem oder jenem angereichert: Der Markt mit Speziallebensmitteln boomt. «Immer mehr Leute unterziehen sich ohne medizinischen Grund speziellen Diäten», erklärt Andrea Cramer, Ernährungsspezialistin beim Kinderspital Zürich.

Tatsächlich verzeichnen Hersteller bei solchen Produkten seit Jahren ein Wachstum im zweistelligen Prozentbereich – obwohl zum Beispiel nur ein Prozent der Bevölkerung Gluten nicht verträgt. Das gilt auch für Milchzucker oder Laktose. Coop allein verkauft heute achtmal mehr laktosefreie Milch als noch vor zehn Jahren, obwohl konstant nur rund zehn Prozent der Bevölkerung keinen oder wenig Milchzucker vertragen.

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Verzicht ruft Unverträglichkeit erst hervor

Was für Einzelne medizinisch angesagt ist, ist nicht nur meistens unnötig, sondern potenziell schädlich. Denn die konsequente Vermeidung bestimmter Nahrungsmittelgruppen kann zu Mängeln führen oder, wie im Fall der Laktose, genau die Symptome hervorrufen, gegen die sie angebracht wäre.

«Wenn ein Erwachsener, der Laktose gut verträgt, über längere Zeit keine Milchprodukte zu sich nimmt, kann sein Körper mit der Zeit die nötige Enzymproduktion reduzieren», sagt die Berner Ernährungsberaterin Beatrice Conrad Frey. «Er erwirbt also eine Lebensmittelunverträglichkeit, die er vorher nicht hatte.»

Nur wenige Menschen haben eine angeborene Laktose-Unverträglichkeit. Die grosse Mehrheit kann als Baby Milchzucker verdauen, verliert diese Fähigkeit aber mit der Zeit. Das liegt daran, dass in den meisten Regionen der Welt nur Kleinkinder (Mutter-)Milch zu sich nehmen. Danach hat der Körper keine Notwendigkeit mehr, das Enzym Laktase zu bilden, das er für den Abbau des Milchzuckers braucht. 

Label «laktosefrei» oft unnötig

Es bestehe aber durchaus die Chance, dass der Körper das Enzym wieder vermehrt bilde, wenn man wieder Milchprodukte esse, sagt Beatrice Conrad Frey. «Deshalb raten wir Patienten mit Laktoseintoleranz, wenn möglich nicht völlig auf Milchprodukte zu verzichten.»

Die Lebensmittelindustrie tut das Ihre, um den Konsum weiter anzukurbeln. Immer mehr Waren werden als laktosefrei gekennzeichnet, auch wenn sie ohnehin keine oder vernachlässigbar wenig Laktase enthalten – etwa Butter und Hartkäse. Dafür kosten diese «Trendprodukte» dann deutlich mehr.