Als Hippokrates 400 vor Christus erstmals in den Darm eines Patienten schaute, sah es dort ziemlich duster aus. Der Spiegel, den er benutzte, half nicht viel. So musste sich der griechische Arzt auf den Mastdarm und auf das Entfernen von Hämorrhoiden beschränken, wie er in «Corpus Hippocraticum» beschreibt.

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Mehr als 2000 Jahre später entwickelte die Medizin Hohlspiegel, mit denen sich weiter und mit Licht in den dunklen Darm vordringen liess.

«Das grundlegende Prinzip der Darmspiegelung ist heute noch ähnlich», sagt Stephan Vavricka vom Zentrum für Gastroenterologie in Zürich. Die modernen Möglichkeiten mit Lichtquelle, chirurgischen Instrumenten und Kamera in einem flexiblen, fingerdicken Schlauch helfen in vielen Fällen, Darmkrebs früh genug zu erkennen.

Darmkrebs wird oft zu spät entdeckt

Zu Hippokrates’ Zeiten war Darmkrebs noch nicht weit verbreitet. «Die Leute damals haben in der Regel nicht lang genug gelebt, um daran zu sterben», sagt Vavricka. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts stieg die Lebenserwartung; hinzu kommt der moderne, teils ungesunde Lebensstil. So müssen mittlerweile etwa 6 von 100 Männern und 5 von 100 Frauen in der Schweiz damit rechnen, im Laufe ihres Lebens an Darmkrebs zu erkranken. Er ist mit rund 4500 jährlich diagnostizierten Fällen die zweithäufigste Ursache für krebsassoziierte Todesfälle in der Schweiz. Jede zweite betroffene Person wird zu spät behandelt und stirbt daran.

«Studien zeigen: Das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, lässt sich nahezu halbieren, wenn man rechtzeitig zur Vorsorge geht», sagt Vavricka. Ziel ist, Gewebeveränderungen frühzeitig zu erkennen und zu entfernen – und so eine Erkrankung zu verhindern. Auch ist ein frühzeitig entdeckter Krebs oft noch gut heilbar. «Die Vorsorgeuntersuchung lohnt sich also in jedem Fall.»

Hartnäckige Mythen über Darmkrebsvorsorge

Das Problem: Die Darmkrebsvorsorge ist unbeliebt, weniger als 20 Prozent der Berechtigten nehmen die kostenlose Untersuchung in Anspruch. «Alles rund um Darm und After ist ein grosses Tabu, vor allem für Männer», sagt Stephan Vavricka.

Viele hätten durch Mythen, die sich hartnäckig halten, eine falsche Vorstellung von der Untersuchung. Abschreckend wirken die vorherige Darmreinigung durch Abführung sowie mögliche Schmerzen bei der Untersuchung oder gar Blutungen und Verletzungen. «Im Moment beobachte ich, dass dadurch immer mehr Patienten zu lange mit der Vorsorge warten, oft bis zu den ersten Krebssymptomen wie Stuhlunregelmässigkeiten, Blut im Stuhl Darmblutung Was tun bei Blut im Stuhl? oder dünnem, sogenanntem Bleistiftstuhl.»

Tatsächlich berichten viele nach der Untersuchung, dass sie es sich viel schlimmer vorgestellt hatten. Das liegt auch daran, dass sich die meisten leicht sedieren lassen, sie verschlafen also die Untersuchung und gehen nach 30 Minuten wieder nach Hause.

Die internationalen Richtlinien empfehlen ab dem 50. Lebensjahr eine Darmkrebsvorsorge, weil dann das Risiko deutlich zunimmt. Wer schon mehrere Jahre an einer entzündlichen Darmerkrankung leidet oder in der Familie Fälle von Darmkrebs im jüngeren Alter hatte, sollte früher zur Vorsorge, rät Vavricka. Wer unsicher ist, kann sein persönliches Risiko für Darmkrebs online ausrechnen lassen.

Darmspiegelung hat höchste Erkennungsrate

Zuverlässigste Vorsorgemethode ist gemäss Studien immer noch die Darmspiegelung, die Koloskopie. Dazu wird über den After ein flexibler Schlauch, das Endoskop, mit eingebauter Kamera, Lichtquelle und Instrument etwa 1,5 Meter weit in den Dickdarm geschoben. Beim Herausziehen hält die Ärztin oder der Arzt auf dem Monitor Ausschau nach verdächtigen Veränderungen des Gewebes. Bei modernen Systemen wertet parallel eine Software die Bilder mit aus.

Dadurch hat die Koloskopie die höchste Erkennungsrate von über 95 Prozent für Polypen, die ins Darminnere ragen und nach Jahren zu Krebs entarten können. Mit einer im Endoskop integrierten Schlinge können auffällige Polypen gleich entfernt und auf Krebszellen untersucht werden. «Das Risiko für einen Darmkrebs ist dadurch wieder bei nahezu null», sagt Vavricka. Beim Abtragen von Polypen kann es zu kleineren Blutungen kommen, die aber in der Regel von selbst aufhören.

Wenn keine Polypen vorliegen, reicht eine erneute Koloskopie nach zehn Jahren, sonst nach drei bis fünf Jahren.

Welche Alternativen zur Darmspiegelung gibt es?

Alle anderen Methoden der Darmkrebsvorsorge sind nicht invasiv. Doch bei etwa jeder dritten Untersuchung wird zur genaueren Abklärung trotzdem eine Koloskopie fällig.

Das altbekannte Stuhlbriefchen könne mittlerweile eine gleichwertige Alternative sein, heisst es beim Ärztenetzwerk Medix.ch. Allerdings nur für Personen mit normalem Darmkrebsrisiko.

Dafür nimmt man zu Hause selbst eine Stuhlprobe und gibt sie zur Untersuchung ab. Medix.ch rät, nur die neuen FIT-Stuhltests zu verwenden. Andere Verfahren wie etwa der ältere Hämoccult-Test seien weniger zuverlässig.

In der Schweiz wird der OC-Sensor als einziger FIT-Test angeboten. Er entdeckt blutende Gewebeveränderungen zu 80 Prozent, auch wenn mit dem Auge kein Blut im Stuhl zu erkennen ist, und zeigt so im zweijährigen Intervall die meisten Veränderungen in einem heilbaren Frühstadium.

Was sind die Nachteile der virtuellen Koloskopie und der Endoskopiekapsel?

Vor etwa zehn Jahren ist erstmals die virtuelle Koloskopie als Alternative zur Spiegelung in Erscheinung getreten. Dazu legt man sich in einen Computertomografen. «Durchsetzen konnte sich die Methode allerdings nicht», sagt Stephan Vavricka. Zudem wird sie von der Grundversicherung nicht bezahlt. Vavricka nutzt sie nur, wenn wegen Verwachsungen ein Teil des Darms nicht zugänglich ist.

Kaum im Angebot in der Schweiz ist die Endoskopiekapsel, eine winzige Kamera, die etwa zwei Tage lang durch den Darm reist. Immer mal wieder in den Medien, aber nur wenig in der Praxis sind Bluttests. Sie sollen Biomarker erkennen, die bei Darmkrebs entstehen. Allerdings ist die Erkennungsrate zu niedrig. Zumal auch hier gilt: Bei positivem Ergebnis führt kein Weg an der Koloskopie vorbei.

4 Möglichkeiten zur Früherkennung von Darmkrebs im Check

Fachliche Beratung: Stephan Vavricka, Zentrum für Gastroenterologie, Zürich

Darmspiegelung (Koloskopie)
Vorgehen Ein flexibler Schlauch mit Kamera wird durch den After in den Dickdarm geschoben.
Erkennungsrate von Polypen und Tumoren laut Studien sehr gut
Darmreinigung vor Untersuchung erforderlich
Bezahlt die Krankenkasse? Ja, die Krankenkasse bezahlt.
Vorteil Bei der Untersuchung entdeckte Polypen können direkt entfernt werden.
Nachteil/Risiken In seltenen Fällen kann es durch den Schlauch zu Blutungen und Verletzungen kommen.
Wiederholung bei negativem Befund alle 10 Jahre, sonst alle 3 bis 5 Jahre
Kapselendoskopie
Vorgehen Eine Kapsel wird geschluckt und nimmt während ihres Wegs durch den Darm Bilder auf.
Erkennungsrate von Polypen und Tumoren laut Studien gut
Darmreinigung vor Untersuchung erforderlich
Bezahlt die Krankenkasse? Nein, die Krankenkasse bezahlt nicht.
Vorteil Ausser der Kapsel wird nichts in den Darm eingeführt.
Nachteil/Risiken Nur wenige Fachleute haben damit Erfahrung; erkennt die Kapsel Polypen, ist in der Regel eine Darmspiegelung zur Abklärung notwendig.
Wiederholung bei negativem Befund alle 10 Jahre, sonst alle 3 bis 5 Jahre
Immunologischer Stuhltest (FIT)
Vorgehen Der Test weist kleinste Blutmengen von Polypen oder Tumoren in einer Stuhlprobe nach.
Erkennungsrate von Polypen und Tumoren laut Studien gut
Darmreinigung vor Untersuchung nicht erforderlich
Bezahlt die Krankenkasse? Ja, die Krankenkasse bezahlt.
Vorteil Es wird nichts in den Darm eingeführt, Test zu Hause durchführbar.
Nachteil/Risiken Nicht blutende Tumoren werden vom Test nicht erkannt; ein positives Testergebnis macht in der Regel eine Darmspiegelung zur weiteren Abklärung notwendig.
Wiederholung alle 2 Jahre
Virtuelle Koloskopie
Vorgehen Der Darm wird im Computertomografen mit Röntgenstrahlen durchleuchtet.
Erkennungsrate von Polypen und Tumoren laut Studien gut
Darmreinigung vor Untersuchung erforderlich
Bezahlt die Krankenkasse? Nein, die Krankenkasse bezahlt nicht.
Vorteil Es wird nichts in den Darm eingeführt.
Nachteil/Risiken Flache Tumoren sind schwer zu erkennen; im CT erkannte Polypen machen oft eine Darmspiegelung zur Abklärung notwendig; Strahlenbelastung.
Wiederholung bei negativem Befund alle 10 Jahre, sonst alle 3 bis 5 Jahre

Vorsorge-Intervalle für Darmkrebs

Normales Risiko für Darmkrebs
Vorsorge ohne Symptome Ab 50: FIT-Stuhltest (OC-Sensor) alle 2 oder Koloskopie alle 10 Jahre
Erhöhtes Risiko für Darmkrebs
Darmkrebs bei direktem Verwandten vor dem 60. Lebensjahr Koloskopie ab dem 40. Lebensjahr oder 10 Jahre vor dem Erkrankungsalter des Verwandten, alle 5 Jahre wiederholen
Darmkrebs vererbt in der Familie ab 18 bis 25 Jahre: Koloskopie alle 2 Jahre
Seit 8 bis 10 Jahren entzündliche Darmerkrankung Koloskopie jährlich
Polypen bei der letzten Darmkrebsvorsorge Koloskopie alle 3 bis 5 Jahre
Erkrankungen wie etwa Adipositas, regelmässiger Alkohol-/Nikotin-konsum, insulin-pflichtiger Diabetes eventuell früherer Beginn der Darmkrebsvorsorge (ab dem 40. Lebensjahr)
Quelle: Medix.ch, Fachblatt Gastroenterology (2017)
Tipps: So schützen Sie sich vor Darmkrebs
  • Ermitteln Sie Ihr Risiko mit der kostenlosen App «Darm Check» (iOS / Android).
  • Gehen Sie ab dem 50. Lebensjahr zur Früherkennung, bei familiärer Vorbelastung früher (siehe Tabelle oben).
  • Gehen Sie bei Blutungen, plötzlichen Bauchschmerzen oder Ähnlichem sofort zur Ärztin.
  • Ernähren Sie sich ausgewogen, mit wenig rotem Fleisch und vielen Ballaststoffen.
  • Trinken Sie wenig Alkohol.
  • Vermeiden Sie Übergewicht.
  • Verzichten Sie auf das Rauchen.
  • Bewegen Sie sich regelmässig.
Selbsttest: Habe ich ein erhöhtes Darmkrebs-Risiko?

Wie geht es ihrem Darm? Mit dem Darmkrebs-Risikocheck der «Felix Burda Stiftung» finden Sie heraus, ob Sie zu einer Risikogruppe für Darmkrebs gehören und in welchem Alter Sie zur Vorsorge gehen sollten. Der Selbsttest steht auf der Website des Kantonsspitals Baselland zur Verfügung.

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