Mit der Regel statt dagegen
Frauen menstruieren insgesamt sieben Jahre ihres Lebens. Höchste Zeit, dieser Zeit mehr Positives abzugewinnen.
Veröffentlicht am 16. Juli 2021 - 18:35 Uhr
Frauen schmuggeln ihre Tampons versteckt zur Toilette. Und die TV-Werbung zeigt eine ominöse, steril-blaue Flüssigkeit, daneben eine schmerzfreie, unbeschwerte Frau.
Gegen diese gesellschaftlich antrainierte Scham wird in den sozialen Medien unter Hashtags wie #periodshaming protestiert. Dort erzählen Betroffene von ihren Erfahrungen. «Ein Mann im Supermarkt sagte, ich solle meine Packung Binden nicht neben sein Essen aufs Fliessband legen, das sei ekelhaft», erzählt eine Nutzerin auf Instagram. «Mein erster Freund wollte mich nicht berühren, nicht mal meine Hand halten, wenn ich meine Tage hatte. Er fand es abstossend», so eine andere.
In manchen Kulturen und Religionen werden menstruierende Frauen als «unrein» gesehen. In Nepal etwa dürfen manche hinduistische Frauen während der Menstruation nicht im Haus ihrer Familie wohnen. Obwohl der Brauch offiziell längst verboten ist, wird er teils noch praktiziert. Und in Kenia kämpfen Frauen und Mädchen noch immer für erschwingliche Hygieneprodukte. Die Vereinten Nationen bezeichnen diese Art von Stigmatisierung und Verbreitung von Fehlinformationen als eine ernst zu nehmende Bedrohung für die Mädchen- und Frauenrechte weltweit.
Pro Periode fliessen zwischen 40 und 60 Milliliter Blut. Auf ein Leben hochgerechnet menstruieren Frauen etwa sieben Jahre lang und verlieren dabei bis zu 30 Liter Blut.
Die Zykluslänge variiert zwischen 25 und 32 Tagen. Während der zweiten Hälfte – zwischen Eisprung und Einsetzen der Menstruation – leiden viele unter dem prämenstruellen Syndrom , kurz PMS. Typische Symptome sind: Bauch- und Kreuzschmerzen, Verdauungsprobleme, Hautunreinheiten, Wassereinlagerungen und schmerzhafte Brustspannungen. Damit einhergehen können depressive Verstimmungen, Angstzustände, Schlaf- und Konzentrationsstörungen sowie Reizbarkeit.
«Man muss keine Schmerzen haben während der Menstruation. Man kann immer etwas unternehmen.»
Regina Widmer, Gynäkologin und Phytotherapeutin
In der ersten Zyklushälfte hingegen fühlen sich Frauen tendenziell zuversichtlicher, selbstbewusster und leichter. «Oft werden nur die negativen Aspekte des weiblichen Zyklus thematisiert. Dabei können Frauen auch sehr viel Kraft daraus schöpfen», sagt die Solothurner Gynäkologin und Phytotherapeutin Regina Widmer.
Um unangenehme Symptome zu lindern, gibt es unzählige Möglichkeiten (siehe «Tipps: Das kann bei Mens-Schmerzen helfen»). Was hilft, ist sehr individuell. Regina Widmer betont: «Gegen PMS-Symptome muss nicht dem Umfeld zuliebe etwas unternommen werden, sondern nur, wenn die Frau das selbst braucht und möchte. Alles, was hilft, ist gut.»
Neben den bekannten Mitteln wie Heilkräutern und Schmerzmedikamenten kann auch anderes ausprobiert werden. Bei der Masturbation wie auch bei anderen sexuellen Aktivitäten werden Glückshormone ausgeschüttet, deshalb kann sie entspannend und wie ein natürliches Schmerzmittel wirken. Noch mehr gilt das für einen Orgasmus. Das zeigt eine klinische Studie von 2020, durchgeführt von The Female Company und Womanizer. 486 Probandinnen verzichteten drei Monate lang auf Schmerzmittel und masturbierten stattdessen regelmässig. 70 Prozent berichteten von reduzierten Schmerzen, ein Drittel gar von starker Linderung.
Es kann helfen, den eigenen Zyklus genau zu beobachten und Tagebuch darüber zu führen. So können die Symptome gedeutet werden. Grundsätzlich ist es wichtig, die Beschwerden anzusprechen. «Frauen tun das oft nicht selbst, weil sie denken, Mens-Schmerzen seien normal», sagt Regina Widmer. «Man muss aber keine Schmerzen haben während der Menstruation. Das kann ich nicht genug betonen. Man kann immer etwas unternehmen.»
«Frauen sollten ihre Probleme ansprechen dürfen, ohne sich rechtfertigen oder schämen zu müssen.»
Regina Widmer, Gynäkologin und Phytotherapeutin
Die Symptome können je nach Schweregrad enorm einschränken. Bei 2 bis 5 Prozent der Betroffenen sind sie so stark, dass sie sich krank fühlen, ein normaler Alltag unmöglich ist und sie arbeitsunfähig sind. Trotzdem schleppen sich viele zur Arbeit und halten sich mit Schmerzmitteln auf den Beinen. Eine niederländische Studie zeigt: Die Produktivität am Arbeitsplatz ist wegen Menstruationsbeschwerden oft viel tiefer. Und wenn Frauen sich wegen der Periode krankmelden , nennt nur eine von fünf den wahren Grund dafür.
In einigen europäischen Ländern wurden bezahlte Freitage für Frauen mit starken Menstruationssymptomen diskutiert. Bis jetzt hat sie keines eingeführt. Anderswo ist der Menstruationsurlaub gesetzlich verankert: in Japan, Indonesien, Taiwan, Südkorea, Sambia und drei chinesischen Provinzen.
«Frauen sollten ihre Probleme ansprechen dürfen, ohne sich rechtfertigen oder schämen zu müssen», sagt Regina Widmer. «In Frauenteams beobachte ich manchmal eine gewisse Härte zwischen den Frauen. Wenn eine wegen Mensbeschwerden fehlt, wäre mehr Verständnis von Mitarbeiterinnen hilfreich.» Widmer stellt Frauen, die unter hartnäckig starken Schmerzen leiden, falls nötig limitierte Arztzeugnisse für einen Tag pro Periode aus. «Erfahrungsgemäss akzeptieren Schulen und Arbeitgeber diese Zeugnisse problemlos. Wir Fachleute müssen das Leiden ernster nehmen.»
- Ein beliebtes Heilkraut ist der Mönchspfeffer. Kann während des gesamten Zyklus eingenommen werden – oder auch erst, wenn die Beschwerden anfangen.
- Dem Frauenmantel wird eine krampflösende und schmerzstillende Wirkung nachgesagt. Kann auch ständig eingenommen werden.
- Gänsefingerkraut kann bei Krämpfen hoch dosiert helfen. Wenn ärztlich verschrieben, übernimmt es die Grundversicherung.
- Als Tee, Konzentrat, Badezusatz: Lavendel, Kamille oder Salbei wirken krampflösend und entspannend.
- Bei schmerzhaftem Brustspannen kann Progesterongel helfen. Es gleicht den Hormonhaushalt aus. Im Kühlschrank gelagert, kühlt es zusätzlich.
- Warme Bäder, Wärmeflaschen oder -pflaster wirken krampflösend.
- Es kann helfen, das Hygieneprodukt zu wechseln. Etwa vom Tampon zur Binde oder zum Menstruationscup.
- Sexuelle Aktivitäten wie Masturbation können Schmerzen lindern.
- Gegen akute Schmerzen helfen Entzündungshemmer mit Ibuprofen, Diclofenac und Naproxen.
- Als letzte Massnahme greifen Frauen zu Hormonpräparaten (Pille, Spirale, Ring), um ihren Zyklus zu regulieren.
3 Kommentare
Mir hilft Goldmelissen-Tee bei Schmerzen während der Periode. Zudem habe ich sehr gute Erfahrungen mit Akupunktur gemacht. Nach wenigen Behandlungen waren die Schmerzen komplett weg.
PMS los zu werden ist eine unglaubliche Erleichterung. Das Interessante ist, dass niemand einem sagt was die Ursachen sind und auch die Lösung nicht einfach mit dem Einwerfen einer Tablette möglich ist. Sehr viel geht aber - ähnlich wie bei Spitzensportlern - über tiefenpsychologische Methoden, wie deep dialog . Entscheidend ist, PMS nicht als schicksalsgegeben hinzunehmen - dann kann man es meist auch loswerden und muss sich nicht mit Artzeugnissen und jahrelangem Leiden abfinden.
Was mir damals bei Mensschmerzen geholfen hatte, eine 3-monatige Kur mit Nachtkerzenöl-Kapseln. Ich hatte danach nie wieder Krämpfe. Was gegen Wassereinlagerungen und das Spannungsgefühl in den Brüsten hilft: während der „Tage“ auf Salz verzichten