Restless legs, unruhige Beine: Viele denken dabei an eine moderne Erkrankung. Eine, die durch zu viel Stress entsteht. Doch bereits 1685 berichtete der englische Arzt Thomas Willis von Beinen mit Bewegungsdrang, die Patienten nachts nicht schlafen liessen. Er vermutete den damals aufkommenden Kaffee als Ursache. 

Den Namen Restless Legs prägte 1945 der Stockholmer Neurologe Karl-Axel Ekbom und sah ein Gefässleiden dafür verantwortlich. «Beide Forscher liegen nicht wirklich richtig», sagt Johannes Mathis, ärztlicher Beirat der Schweizerischen RLS-Selbsthilfegruppe. «Aber die genaue Ursache weiss die Medizin auch heute nicht.»

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Die Krankheit nennen Medizinerinnen heute RLS, kurz für Restless Legs Syndrome. Die Symptome haben sich in den letzten 300 Jahren allerdings nicht geändert. Betroffene empfinden abends oder nachts, wenn sie entspannen und zur Ruhe kommen wollen, einen unangenehmen Bewegungsdrang in einem oder beiden Beinen. Er lässt erst nach, wenn sie aufstehen und umhergehen. Hinzu kommen häufig Empfindungsstörungen in den Beinen.

Wen betrifft das Restless-Legs-Syndrom?

RLS ist nach Migräne die zweithäufigste neurologische Erkrankung. Etwa einer von zehn Schweizern hat laut Umfragen schon einmal unruhige Beine gehabt. «Ein grosser Teil fühlt sich dadurch aber nicht beeinträchtigt», sagt Mathis. «Denn die Beschwerden treten nur hin und wieder schwach auf.» Bis zu 5 Prozent der Bevölkerung leiden hingegen ernsthaft unter RLS, in der Mehrheit Frauen und Ältere.

Was verursacht Restless Legs?

Was den Bewegungsdrang in den Beinen auslöst, ist für die Medizin ein Rätsel. «Ein veränderter Eisenstoffwechsel im Gehirn, ein gestörter Dopamin-Gehirnstoffwechsel, Veränderungen im Gehirn-Opioidsystem und mehrere Gene können an der Entstehung beteiligt sein. Da ist die Forschung immer noch sehr breit gefächert», sagt Esther Werth, Leiterin des Schlaflabors im Unispital Zürich. Manchmal ist bereits die genetische Veranlagung allein so stark, dass sie ein RLS entstehen lässt. «Oder sie kommt nur zum Tragen, wenn weitere Faktoren wie Eisenmangel oder eine andere Begleiterkrankung auftreten.»

Sicher ist, dass ein RLS mit der Zeit als schlimmer empfunden wird. «Wer länger als drei Monate an unruhigen Beinen leidet, sollte unbedingt ärztlichen Rat suchen», sagt Mathis.

Welche Folgen hat RLS? 

Denn RLS raubt Betroffenen den Schlaf. «Wenn das Leiden nicht behandelt wird, leiden nicht nur die Arbeit und das Familienleben, sondern Betroffene verzichten auch zunehmend auf Freizeitaktivitäten, bei denen man länger still sitzen müsste – etwa im Restaurant, Kino, Theater», sagt Mathis. «Sie ziehen sich sozial zurück.»

Was ist für die Diagnose von Restless Legs wichtig? 

Viele Hausärztinnen kennen RLS heute besser. Manche Betroffene berichten aber nur von Schlafproblemen und Tagesmüdigkeit, erwähnen also das Problem mit den Beinen nicht, weil sie es nicht gut beschreiben können. Wichtig für die Diagnose sind zudem Vorerkrankungen, denn manche lösen RLS aus oder verstärken es. «Bei einigen mögen die RLS-Beschwerden verschwinden, wenn ein Auslöser beseitigt wird – etwa ein Eisenmangel», sagt Esther Werth. Aber viele auslösende Begleiterkrankungen wie Diabetes oder Polyneuropathie sind selbst chronisch, und deren Therapie helfe nur bedingt gegen RLS-Symptome. Auch Medikamente können RLS verstärken, etwa Neuroleptika, einige Antidepressiva oder Mittel gegen Reiseübelkeit.

Der Lebensstil ist ebenfalls mitentscheidend. «Zu viel Alkohol, Kaffee, Schokolade oder Nikotin können ein eigentlich harmloses RLS so weit verschlechtern, dass es schliesslich die Lebensqualität beeinflusst», sagt Johannes Mathis. Betroffene sollten zum Ausprobieren je etwa vier Wochen lang auf diese Genussmittel verzichten und kritische Medikamente nach ärztlicher Absprache wenn möglich austauschen.

Falls das RLS danach immer noch erheblich ist, können sogenannte Dopamin-Agonisten verschrieben werden. «Sie helfen in den allermeisten Fällen und lindern rasch.» 

Allerdings kommt es bei etwa 10 bis 20 Prozent der Betroffenen nach Monaten oder Jahren zur sogenannten Augmentation: Trotz steigender Dosis des Medikaments verschlechtert sich das RLS, breitet sich auf andere Körperteile aus und tritt zunehmend auch tagsüber auf. «Bei Anzeichen dafür sollte dann besser die Neurologin die Behandlung übernehmen», sagt Mathis.

Was hilft gegen das Restless-Legs-Syndrom?

Mittlerweile stehen Antiepileptika zur Verfügung, bei denen keine Augmentation auftritt. Auch die Nebenwirkungen seien gering. Manchmal ergebe es auch Sinn, gleich mit einem Antiepileptikum zu beginnen, etwa wenn Betroffene auch an Nervenschmerzen, einer Angststörung oder einer Suchterkrankung leiden. Wenn beide Mittel ungenügend wirken, sind Opiate eine Option. Sie wirken gut und zeigen keine Augmentation. «Anders als in den USA steht man in Europa solchen Substanzen wegen des Abhängigkeitsrisikos allerdings zurückhaltend gegenüber und nutzt sie nur als dritte Option», so Mathis.

Was Betroffenen hilft: mit anderen Betroffenen reden. Denn RLS kann man oft nur schwer erklären. «Manche sprechen von Coca-Cola in den Venen oder Mäusen in den Muskeln», sagt Johannes Mathis. Selbsthilfegruppen gibt es mittlerweile in vielen Ortschaften.

Wer RLS nur leicht und gelegentlich hat, dem helfen Aufstehen und Herumgehen. Manchen helfen Fussbäder, Wechselduschen oder Dehnen der Beinmuskulatur. Vielen nützt es, die Beine von unten zum Herzen hin zu massieren, mit den Händen oder mit einer Massagebürste. Auch Sport tagsüber kann den abendlichen Bewegungsdrang lindern. 

«Es kann hilfreich sein, erst dann zu Bett zu gehen, wenn man weiss, dass man innerhalb der nächsten 10 bis 20 Minuten sicher einschlafen kann», sagt Johannes Mathis. Je kürzer die Einschlafzeit, desto geringer das Risiko, nachts in den RLS-Teufelskreis zu kommen.

Habe ich das Restless-Legs-Syndrom? Vier Kriterien

Wer alle vier Fragen mit Ja beantwortet, leidet sehr wahrscheinlich unter dem Restless-Legs-Syndrom:

  • Haben Sie einen Bewegungsdrang in den Beinen, häufig begleitet durch unangenehmes Kribbeln oder Ziehen?
  • Treten der Bewegungsdrang und die unangenehmen Empfindungen in den Beinen vor allem in Ruhezeiten im Sitzen und Liegen auf und nehmen zu?
  • Führen dann Aufstehen und Bewegung zu einer Besserung, bis Sie sich wieder hinsetzen?
  • Sind die Beschwerden besonders stark ausgeprägt abends oder in der Nacht?
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