Von der Nachtruhe nicht nur träumen
Wer schwer einschläft oder nachts oft aufwacht, greift rasch zu Medikamenten, die das ermüdende Problem jedoch nicht lösen. Psychologische Methoden dagegen wirken langfristig.
Veröffentlicht am 18. August 2003 - 00:00 Uhr
Volksleiden Schlaflosigkeit: Jeder dritte Erwachsene in der Schweiz leidet regelmässig unter Schlafstörungen. Und jeder zwanzigste nimmt täglich Schlafmittel – gut die Hälfte davon länger als ein Jahr.
«Diese Zahlen spiegeln den Anspruch, Probleme mit möglichst wenig Aufwand zu lösen», kritisiert Jürg Schwander, Leiter der Klinik für Schlafmedizin in Zurzach. «Schlaftabletten eignen sich nur zur Überbrückung, etwa bei starken Schmerzen oder aussergewöhnlichen Anspannungen.» Bei chronischen Schlafstörungen, die keine körperlichen oder psychiatrischen Ursachen haben, seien Medikamente aber wenig sinnvoll.
In solchen Fällen bieten sich psychologische Schlafhilfen an. Zumal sie genauso wirksam sind wie Pillen, wie ein Team um den Psychologen Michael Smith von der amerikanischen Rochester University herausgefunden hat: Unabhängig davon, ob psychologische oder medikamentöse Therapien zum Einsatz kamen, wachten die Patienten im Schnitt einmal weniger auf und lagen während der Nacht nur noch halb so lange wach. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Ansätzen ist jedoch, dass die Leute, die keine Medikamente nahmen, schneller einschliefen als die Pillenschlucker.
Drei Wege zum Tiefschlaf
Bewährt haben sich laut Jürg Schwander vor allem drei psychologische Methoden:
- Stimulus-Kontrolle: Sie hat zum Ziel, die Betroffenen darauf zu trimmen, dass sie Bett und Schlafzimmer mit nichts anderem verbinden als mit Schlafen. Sie dürfen sich erst dann ins Bett legen, wenn sie wirklich müde sind. Schlafen sie dennoch nicht ein, müssen sie das Bett nach spätestens 15 Minuten wieder verlassen und sich in einem anderen Raum einer ermüdenden Beschäftigung hingeben. Dasselbe gilt, wenn man nachts aufwacht.
- Schlafrestriktion: Diese Strategie setzt auf die Macht der Müdigkeit. Sie erlaubt insgesamt nur so viel Zeit im Bett, wie es dem individuellen Schlafbedarf normalerweise entspricht (siehe «Schlafmärchen»). Danach müssen die Betroffenen konsequent aufstehen – egal, wie viele Stunden sie tatsächlich geschlafen haben. Auf diese Weise soll der Schlafdruck so weit erhöht werden, bis schliesslich jeder vor dem Sandmännchen kapituliert.
- Gedankenstopp-Technik: Sie bezweckt, irrationale Befürchtungen, die den Schlaf rauben, durch realistische Vorstellungen zu ersetzen. Hierfür kann ein Sorgen-Tagebuch oder ein Pflichtenheft geführt werden, mit denen die Tagesgeschehnisse vor dem Schlafengehen aufgearbeitet werden.
Diese Techniken sind allerdings – vorübergehend – mit mehr Aufwand verbunden als medikamentöse Schlafhilfen. Und sie führen nur zum Erfolg, wenn man sie konsequent und richtig einsetzt. «Wer sich nicht zutraut durchzuhalten, sollte einen Spezialisten oder ein Schlaflabor aufsuchen», rät Jürg Schwander. Dasselbe gilt, wenn der Verdacht besteht, dass eine körperliche Ursache wie nervöses Beinzucken oder schwerwiegende psychiatrische Probleme den Schlaf rauben.
Eine Adressliste der akkreditierten Zentren für Schlafmedizin in der Schweiz und umfassende Informationen finden Sie auf der Website der Schweizerischen Gesellschaft für Schlafforschung, Schlafmedizin und Chronobiologie: www.swiss-sleep.ch