«Krebszellen mögen keine Himbeeren», «Krebs mag keinen Tee», «Die neue Anti-Krebs-Ernährung» oder «Clever essen gegen Krebs» – die Liste der Ratgeber zum Thema Ernährung und Krebs ist lang, im Internet finden sich gar zahlreiche Diäten, die Krebs angeblich heilen oder die zur Heilung beitragen sollen. «Irgendwann habe ich aufgehört, diese Ratgeber zu lesen, es sind einfach zu viele», sagt Ernährungswissenschaftlerin Sabine Rohrmann, Assistenzprofessorin am Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention der Universität Zürich sowie Leiterin des Krebsregisters der Kantone Zürich und Zug.

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«Einige dieser Ratgeber enthalten sicher sinnvolle Tipps, aber keine sogenannte Krebsdiät kann Krebs verhindern oder heilen», stellt sie klar. «In der Krebsprävention kann die Ernährung aber durchaus einen Beitrag leisten», sagt sie. So schätze die Amerikanische Krebsgesellschaft, dass etwa zwanzig Prozent der Krebsfälle auf Übergewicht zurückzuführen sind, drei Prozent auf übermässigen Alkoholkonsum und fünf Prozent im engeren Sinn auf Ernährung.

Studien sind kaum machbar

«Diese Zusammenhänge zu erforschen, ist nicht einfach», sagt Rohrmann. «Denn Krebs entwickelt sich über Jahre oder gar Jahrzehnte. Und Menschen sind keine Laborratten, die wir über Jahre unter kontrollierten Bedingungen mit ganz bestimmten Nahrungsmitteln Ernährung Aufgetischte Mythen füttern können. Wir essen sehr viele Dinge, da ist es schwierig, die Auswirkung einzelner Nahrungsmittel festzustellen.»

In den achtziger Jahren habe man vor allem Fallkontrollstudien durchgeführt, in denen Krebskranke im Rückblick zu ihrer Ernährung befragt wurden. Diese Daten verglich man dann mit Ernährungsbefragungen von gesunden Personen. «Das Problem solcher Studien ist, dass kranke Personen ihr Verhalten und ihre Ernährung anders reflektieren als Gesunde, weil sie oft auch nach einer Erklärung für ihre Krankheit suchen», sagt Rohrmann. Gleichzeitig seien gesunde Personen, die freiwillig an solchen Studien teilnehmen, oft besser gebildet und gesundheitsbewusster als der Durchschnitt. Das habe dazu geführt, dass gewisse Effekte überschätzt wurden.
 

Es gibt tatsächlich statistisch relevante Zusammenhänge zwischen Ernährungsgewohnheiten und unterschiedlichen Krebserkrankungen.


So habe man zu ihrer Studienzeit noch gedacht, dass ein hoher Konsum von Früchten Obst Für rundum gesunde Früchtchen und Gemüsen das Risiko unterschiedlicher Krebserkrankungen deutlich senke. Auch Tierversuche und Zellkulturstudien hätten vielfach Hinweise darauf geliefert, dass in Pflanzen enthaltene Stoffe Krebszellen schaden oder ihr Wachstum behindern können. «Aber in den grossen prospektiven epidemiologischen Studien, die Ende der neunziger Jahren erste Resultate lieferten, war dieser schützende Effekt nicht mehr gleich deutlich nachzuweisen», sagt Rohrmann.

Gefährdete Verdauungsorgane

Sie arbeitete selbst mehrere Jahre lang an der sogenannten Epic-Studie mit, einer der grössten Langzeitstudien zum Thema Krebs und Ernährung in Europa. Mehr als 500'000 Leute in zehn europäischen Ländern wurden darin in regelmässigen Abständen zu ihrer Ernährung und weiteren Gewohnheiten Selbstdisziplin Warum klappt es nie mit den guten Vorsätzen? befragt, zudem wurde ihr Gesundheitszustand aufgenommen. «So kann man dann quasi abwarten und schauen, wer an Krebs erkrankt und wer nicht», sagt Rohrmann.

Statistische Analysen der Daten aus Epic und ähnlichen Studien haben gezeigt, dass es tatsächlich statistisch relevante Zusammenhänge zwischen Ernährungsgewohnheiten und unterschiedlichen Krebserkrankungen gibt, insbesondere bei Krebsarten der Organe, die mit der Nahrung direkt in Berührung kommen oder eng mit der Verdauung zusammenhängen – wie Mund, Rachen, Speiseröhre, Magen, Darm, Leber und Bauchspeicheldrüse. Aber auch bei Brust-, Eierstock- und Lungenkrebs zeigten sich gewisse Zusammenhänge.

Welche Lebensmittel wirken

So führt etwa ein hoher Früchtekonsum zu einem leicht tieferen Lungenkrebsrisiko. Ein hoher Konsum an verarbeitetem Fleisch erhöht hingegen das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken. «Dieser Effekt ist jedoch bei weitem nicht so stark wie bei Rauchen und Lungenkrebs», sagt Rohrmann. Am deutlichsten wirken sich Alkohol und Übergewicht auf das Krebsrisiko aus.

Alkohol erhöht das Risiko, an Krebs im Mund- und Rachenraum oder an Speiseröhren-, Leber-, Darm-, Magen oder Brustkrebs zu erkranken. Übergewicht das von Speiseröhren-, Bauchspeicheldrüsen-, Leber-, Nieren-, Darm- und Gebärmutterschleimhautkrebs sowie von Brustkrebs, der nach den Wechseljahren eintritt. «Langsam kommen Stimmen auf, die sagen, dass Übergewicht ein ähnlich wichtiger Risikofaktor sei wie das Rauchen», sagt Kerstin Zuk, Fachmitarbeiterin Ernährung bei der Krebsliga Schweiz, die Krebskranke in Ernährungsfragen berät.

 

«Es gibt keine Wundermittel. Kein Wirkstoff kann uns wirksam vor Krebs schützen.»

Michael Heinrich, Professor am University College London

 

Auch Menschen, die eine Krebserkrankung überlebt haben, stellen sich oft die Frage, ob sie mit ihrer Ernährung einen Rückfall verhindern könnten. Betroffene würden sich von den Ärzten in Ernährungsfragen oft alleingelassen fühlen, stellt Zuk fest. Denn diese messen dem Thema wenig Bedeutung bei. Deshalb würden sich Patienten oftmals in Ratgebern oder im Internet selbst Ernährungstipps heraussuchen, die manchmal fragwürdig seien.

«Unser Essen sollte uns mit Nährstoffen, Mineralstoffen und Vitaminen versorgen – mit allem, was der Körper braucht, um richtig zu funktionieren», sagt Zuk, die eine vielseitige und ausgewogene Ernährung empfiehlt. «Unsere Ernährung hat einen enormen Einfluss auf unsere Gesundheit. Zu viel und falsches Essen, kombiniert mit zu wenig Bewegung Bewegung Sport ist eine Superpille , kann uns krank machen.»

In ihren Beratungsgesprächen rät Kerstin Zuk zwar, den Konsum von Alkohol und verarbeitetem und rotem Fleisch zu reduzieren. «Man sollte aber auch Spass haben am Essen. Kein Lebensmittel ist verboten. Und man sollte sich nicht auf irgendein einzelnes Lebensmittel wie Kurkuma oder Tomatenmark fixieren, das einen nun zuverlässig vor Krebs schützen sollte.»

Das Glück spielt mit

«Es gibt leider keine Wundermittel», betont auch Michael Heinrich, Professor für Ethnopharmakologie und Arzneipflanzenforschung am University College London, der sich seit langem mit der Wirkung von Medizinalpflanzen und pflanzlichen Nahrungsmittelergänzungen beschäftigt. «Kein Einzelpräparat oder Wirkstoff kann uns wirksam vor Krebs schützen.»

Zweifellos gebe es bestimmte Ernährungsgewohnheiten, die das Risiko für gewisse Krebsarten etwas erhöhen oder reduzieren. Doch Heinrich betont: «Krebs ist wie eine Form von Roulette. Es kann jeden treffen. Wir können bloss das Risiko, dass die Kugel bei uns landet, ein bisschen reduzieren.»

Wissen, was dem Körper guttut.
«Wissen, was dem Körper guttut.»
Chantal Hebeisen, Redaktorin
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