Wer rastet, der wird spröde
Im Alter nimmt die Knochendichte ab und das Risiko für Frakturen steigt. Was viele aber nicht wissen: Die Knochensubstanz kann man mit Bewegung wieder aufbauen.
aktualisiert am 6. Juli 2022 - 13:11 Uhr
Knochenschwund, in der Fachsprache auch Osteoporose genannt, ist eine der häufigsten nichtübertragbaren Krankheiten der Schweiz. Bis etwa zum 40. Lebensjahr nimmt die Knochenmasse des Menschen zu. Danach baut der Körper natürlicherweise jährlich etwa ein halbes bis ein Prozent wieder ab. Während gesunde Menschen jährlich etwa 0,4 Prozent der Knochenmasse verlieren, nimmt sie bei Osteoporose-Betroffenen im gleichen Zeitraum bis zu vier Prozent ab – vermehrte Knochenbrüche sind die Folge.
Unser Körper befindet sich das ganze Leben lang in einem Umbauprozess. Jeden Tag sterben eine Unmenge Hautzellen ab und werden erneuert. Jede Minute produzieren wir über 100 Millionen neue rote Blutkörperchen. Auch die Knochen sind diesem ständigen Auf- und Abbau unterworfen. Denn entgegen der landläufigen Meinung ist Knochen kein passives oder starres Gewebe, im Gegenteil.
Im Knochen finden sehr aktive Prozesse statt. Hier hat etwa die Produktion der roten Blutkörperchen ihren Ursprung. Die Knochen sind vergleichbar mit einer Grossbaustelle. Es gibt Zellen, die damit beschäftigt sind, Knochen aufzubauen, aber auch solche, die für Abbau zuständig sind. Bis ins hohe Alter bauen wir unser Skelett rund achtmal komplett um, ohne dass wir davon etwas mitbekommen würden.
Einerseits kann man sich die Aktivität im Skelett vorstellen wie eine andauernde Unterhalts- und Renovationsarbeit. Andererseits bietet dieses Arbeiten am Bau die Möglichkeit, den Knochen dort zu verstärken, wo es notwendig wird. Wie andere Strukturen im Körper haben auch die Knochen die Fähigkeit, sich anzupassen. Das ist eine tolle Sache und funktioniert ähnlich wie bei einem Muskel.
Werden Muskeln über eine gewisse Zeit zum Beispiel durch wiederholtes Krafttraining belastet, passen sie sich positiv an: Sie werden stärker und dicker. Dies passiert vergleichsweise rasch, innerhalb von Wochen und Monaten.
Bewegung und Belastung sind essenziell für starke Knochen.
Dasselbe geschieht in den Knochen – nur dauert es länger. Wird der Körper durch Training oder Arbeitsbelastung spezifisch und regelmässig gefordert, werden nicht nur die Muskeln kräftiger, sondern auch die Knochen stabiler. Knochen sind also dynamisch, ihre bessere Stabilität ist zu einem Teil trainierbar (Mehr dazu in der Infobox «Tipps für starke Knochen» unten).
Natürlich sind auch noch weitere Faktoren, zum Beispiel die Ernährung, wichtig für die Skelettgesundheit. Knochen sind wahre Mineralienspeicher, und diese notwendigen Mineralien erhalten sie über eine ausgewogene Ernährung. Dennoch: Bewegung und Belastung sind essenziell für starke Knochen. Dies bedeutet aber umgekehrt auch, dass die Knochen schwächer werden, wenn wir ihnen keine Sorge tragen und unseren Körper krank schonen.
Was passiert nun beim Krankheitsbild Osteoporose? Auch bei Osteoporose-Betroffenen bauen sich die Knochen noch um. Allerdings wird mehr Material abgebaut, als wieder nachgebaut werden kann. Die Folge: Die Knochen werden zunehmend brüchiger. Das Heimtückische dabei ist, dass dieser Prozess erstens schleichend abläuft, weil der Knochenumbau langsam geschieht. Und dass der Abbauprozess zweitens nicht spürbar ist, sodass er häufig lange unentdeckt bleibt.
In der Schweiz sind gemäss Zahlen der Rheumaliga rund 600’000 Menschen von dieser Krankheit betroffen, mehr als doppelt so viele Frauen wie Männer. Vor allem in den ersten Jahren nach der Menopause kommt es aufgrund des Mangels an Östrogen zu einem besonders starken Abbau von Knochenmasse. Jede dritte Frau und jeder siebte Mann über 50 muss mit einem Knochenbruch wegen Osteoporose rechnen. Ab 80 hat jeder zweite Mensch in der Schweiz Osteoporose.
Manchmal aber macht sich Osteoporose bemerkbar: In Form von Rückenschmerzen. Zwar macht die Krankheit selbst keine Rückenschmerzen . Allerdings können in der Entwicklung der Krankheit Begleiterscheinungen auftreten wie Fehlhaltungen und muskuläre Ungleichgewichte. Diese führen zu Muskelverspannungen und möglicherweise Schmerzen.
Bei fortgeschrittenem Knochenschwund sind zudem verschiedene Knochen wegen des Substanzverlustes deutlich anfälliger für Brüche. Häufig treten diese im Bereich des Oberschenkelhalses auf, es können aber auch einzelne Wirbelkörper brechen. Solche Frakturen sind meist sehr schmerzhaft; oft werden durch das Einbrechen der Wirbelkörper auch Nerven, die aus der Wirbelsäule austreten, in Mitleidenschaft gezogen.
Möglich ist aber auch, dass eine Fraktur zu Beginn schmerzlos ist. In der Folge führt sie aber immer zu einer Veränderung der Haltung und der Muskelaktivität, was Verspannungen und Schmerzen produziert.
Für viele alte Menschen bedeutet ein Sturz und ein daraus resultierender Knochenbruch, etwa am Oberschenkelhals, das Ende der Selbständigkeit. Ausserdem verdoppelt sich gemäss Statistik die Sterblichkeit im ersten Jahr nach dem Bruch sowohl bei Frauen als auch bei Männern.
Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass die Immobilität, zu der es aus Furcht vor neuen Brüchen oft kommt, zu einem strukturellen und funktionellen Abbau führt.
Da der Abbau von Knochensubstanz von den Betroffenen erst dann bemerkt wird, wenn erste Beschwerden auftreten – also zu spät –, ist es sinnvoll, sich über die persönlichen Risiken im Klaren zu sein. Gehören Sie einer Risikogruppe an, sollten Sie Ihre Knochendichte messen lassen.
Meist wird die Knochendichte am Fersenbein gemessen. Eine einfache Methode, die nicht wehtut und auch nicht teuer ist. Diese Messungen sind zwar nicht extrem zuverlässig, können aber immerhin Hinweise geben.
Die im Moment zuverlässigste Methode ist die Osteodensitometrie, die mit sehr schwachen Röntgenstrahlung die Knochenmineraldichte misst. Die Messung wird an der Lendenwirbelsäule und am Oberschenkelhals vorgenommen. Weicht der gemessene Wert um 10 bis 25 Prozent von demjenigen einer jungen, gesunden Person ab, spricht man von Osteopenie; ab einer Abweichung von mehr als 25 Prozent wird Osteoporose diagnostiziert. Der Arzt verschreibt dann ein Medikament, das den Knochenabbau hemmt. Das sollte man aber auf keinen Fall als Ersatz für Krafttraining als Osteoporose-Prävention ansehen.
- Wer als Kind und Jungendlicher möglichst viel Knochendichte aufbaut, bleibt später länger gesund
- Für die Knochenmasse wichtig sind eine kalziumreiche Ernährung (grünes Gemüse, Mineralwasser, Milchprodukte) und genügend Vitamin D (vor allem in fettem Fisch, Ei, Avocado)
- Vitamin D wird mithilfe von Sonnenlicht auch in der Haut gebildet. Sonnenstrahlen in vernünftigem Mass fördern also die Knochengesundheit schon im Kindesalter. Achten Sie aber stets auf ausreichenden Sonnenschutz
- Wichtig für die Knochenentwicklung ist Belastung, und zwar in Form von Druck, etwa bei Sprüngen oder Krafttraining . Schwimmen ist deshalb eine weit schlechtere Osteoporose-Prävention als Aerobic oder Joggen.
Unsere Knochen sind ab stabilsten, wenn wir zwischen 20 und 40 Jahre alt sind. Danach nimmt ihre Dichte bei gesunden Menschen durchschnittlich um 0,4 Prozent pro Jahr ab, bei Menschen mit Osteoporose sind es bis zu 4 Prozent jährlich. Astronauten verlieren bei ihren Missionen im All wegen der fehlenden Schwerkraftbelastung bis zu 30 Prozent der Knochendichte – also um das Vielfache mehr als bei einer fortgeschrittenen Osteoporose.
Wie sich Knochen verändern
Risikofaktoren für Osteoporose
- Bewegungsmangel
- Fehl- oder Mangelernährung (mangelnde Kalziumzufuhr, Proteinmangel)
- Nikotinkonsum
- Übermässiger Alkoholkonsum
- Hormonstörungen
- Einnahme gewisser Medikamente
- Vererbte Osteoporose-Neigung
Massnahmen, um Osteoporose vorzubeugen
- Anpassung der Ernährung (Kalzium, Vitamin D, genügend Eiweiss)
- Genügend Flüssigkeit
- Sonnenlicht (mindestens 15 bis 20 Minuten täglich, damit die Haut Vitamin D produzieren kann), Vorsicht vor Sonnenbrand
- Bewegungstherapie und Training
- Kraftaufbau
- Erhalt der Beweglichkeit
- Haltungskorrekturen
- Koordinationstraining für Gleichgewicht und Reaktion
- Medikamente
- Stürze verhindern
- Sofortiger Nikotinstopp
- Stopp oder zumindest drastische Reduktion des Alkoholkonsums
- Regelmässige Messung der Knochendichte für Menschen mit erhöhtem Osteoporoserisiko
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