«Nur eine endlose Plauderei»
Es ist sehr schmerzlich, wenn man nach vielen Sitzungen erkennt, dass die Therapie bisher nichts gebracht hat. Kann man sein Geld zurückverlangen?
aktualisiert am 2. Oktober 2017 - 15:37 Uhr
Frage von Martin Z.: Ich habe vier Jahre lang eine Psychotherapie gemacht, stelle aber fest, dass sich meine Situation nicht verändert hat. Es war eine ziellose und endlose Plauderei. Kann man die Honorare zurückverlangen, oder gibt es eine Ombudsstelle?
Solche Ombudsstellen gibt es in ein paar Kantonen. Sie können sich aber für Reklamationen auch an die Berufsverbände wenden, an Ärzteorganisationen oder an die Föderation der Schweizer Psychologen (FSP). Doch das Honorar können Sie natürlich nicht zurückverlangen, denn kein Therapeut kann Ihnen Heilung garantieren. Er verspricht nur, nach den Regeln seiner Kunst zu handeln.
Tatsächlich ist es sehr schmerzlich, wenn man erkennt, dass einem eine Therapie nichts gebracht hat. Man hat emotional und finanziell so viel investiert, hat sich bemüht und gehofft und hat jetzt den Eindruck «ausser Spesen nichts gewesen». Wenngleich Therapien in der Regel länger dauern, sollte man in der Tat bereits nach den ersten drei bis vier Stunden eine Wirkung spüren. Ist das nicht der Fall, muss man es zur Sprache bringen. Oft ändert sich dadurch bereits etwas, oder man erkennt, dass man abbrechen und es mit einem anderen Therapeuten oder mit einer anderen Therapierichtung versuchen sollte. Laut Umfragen ist nicht selten erst der zweite oder dritte Therapieanlauf fruchtbar.
Die Wahl eines geeigneten Therapeuten ist nicht einfach. Fachleute schätzen, dass es heute in westlichen Ländern 300 bis 400 verschiedene psychotherapeutische Schulen gibt, die zum Teil unterschiedliche Vorstellungen von Störungen, deren Ursachen und geeigneten Behandlungstechniken haben. Heute interessiert vor allem, was schulübergreifend wirkt. Laut dem Zürcher Professor Heinz Stefan Herzka ist Psychotherapie die Entdeckung der heilenden Kraft zwischenmenschlicher Beziehungen. Wichtiger als die angewandte Technik ist, dass zwischen Klient und Therapeut die Chemie stimmt. Der Psychotherapeut Peter Hain hat mit international renommierten Fachleuten Gespräche geführt und versucht, die wichtigen Aspekte einer heilenden Beziehung herauszukristallisieren.
- Er ist empfindsam, nimmt einen ernst und ist fähig, sich einzufühlen, ohne zu werten.
- Er ist voller Interesse, Neugier und Flexibilität und hat sich einen «Anfängergeist» bewahrt. Er ist willig, die Persönlichkeit des Klienten vorurteilsfrei kennenzulernen.
- Es ist eine klare Heilungsabsicht spürbar. Er glaubt an die heilende Kraft im Klienten selbst.
- Er kann Intensität erzeugen. In der Therapie wird nicht nur geredet, es werden starke Gefühle erlebt.
- Der Therapeut soll eine solide Ausbildung absolviert haben und diverse Techniken beherrschen. Erfüllt er die genannten Bedingungen nicht, sollte der Klient, der ja auch Konsument ist, jemanden suchen, der die Dienstleistung Psychotherapie wirksamer erbringt.
- Berufsverband von Psychotherapeuten und Psychologen: www.psychologie.ch
- Ärzteorganisation: www.fmh.ch
1 Kommentar
Bitte Vorsicht mit solchen allgemeinen Aussagen: "Innerhalb von 3-4 Sitzung sollte eine Wirkung spürbar sein" und "es sollten intensive Gefühle" erlebt werden. Da können falsche und sogar gefährliche Erwartungen bei Patienten geweckt werden.
Denn gerade für traumatisierte Patienten kann es verherrend sein, mit Übungen wie z.B. Hypnose intensive Gefühle zu erzeugen, weil da immer auch intensive negative Gefühle hoch kommen, welche vorher gut verdrängt waren. Gerade viele Nicht-Psychologen wie Hypnotiseure/Coaches etc. auf dem Therapiemarkt machen dies schon in den ersten Sitzungen und das kann jahrelange, psychische Folgen (Retraumatisierungen) haben bei komplex-traumatisierten Patienten. Leider kennt die Schweiz hier keinerlei gesetzlichen Patientenschutz vor solchen "Laien-Behandler"!
Ein Psychologischer Psychotherapeut, welcher sorgfältig vorgeht, macht zu Beginn immer ungefähr 3-4 Sitzungen Abklärungen (z.B. Biografiearbeit, Krisen, Diagnose/n, Ziele, Therapielan etc.), um die Patienten gut zu kennen und einschätzen zu können vor der eigentlichen Behandlung. Es kann dadurch sich tatsächlich schon einiges klären und zu Besserungen kommen. Es ist jedoch vermessen, zu verlangen, dass nach 3-4 Sitzungen Besserungen da sein müssten! Gemäss STATISTISCHEN Studien haben 50% der Patienten nach 8 Sitzungen eine Besserung und spätestens nach 20 Sitzungen sollte man eine Besserung spüren, ansonsten ist einen Therapeutenwechsel in Betracht ziehen (siehe Prof. Dr. Klaus Grawe, bekannter Psychotherapieforscher, Bern). Allerdings gilt: Es gibt immer auch Ausnahmen von der Regel.