Wer lacht, lebt leichter
Wer regelmässig lacht, ist entspannter – selbst dann, wenn man es ganz ohne Grund tut. Das hilft dabei, sich von schlechten Nachrichten nicht überwältigen zu lassen.
Veröffentlicht am 19. Mai 2022 - 11:41 Uhr
Leserfrage: «Es gibt so wenig Grund zum Lachen im Moment. Das macht mich richtig fertig. Haben Sie mir einen Rat?»
Antwort von Christine Harzheim, Psychologin FSP und systemische Familientherapeutin:
Der Lyriker Otto Julius Bierbaum hat Anfang des 20. Jahrhunderts den berühmten Satz geprägt: «Humor ist, wenn man trotzdem lacht.» Humor ist eine Haltung, eine Bereitschaft und eine Fähigkeit, auch in belastenden Situationen und schweren Zeiten das Positive im Elend, das Heitere in der Schwere aufzusuchen. Und sich dort zu erholen und körperlich und seelisch durchzuatmen.
Wer kennt nicht die geschwisterliche Nähe von tiefer Trauer während der Beisetzung eines geliebten Menschen und das befreiende, gemeinsame Lachen anschliessend bei Kaffee und Kuchen, wenn Erinnerungen ausgetauscht und Anekdoten gesammelt werden? Hier wird Kraft erzeugt für die Zeit danach.
Humor ist wertvoller sozialer Klebstoff. Wir lachen gemeinsam, stecken uns an, verausgaben uns. Wir fühlen uns den Menschen, mit denen wir lachen, nah und erinnern uns noch lange an diese gelösten Momente.
Positiver Humor in Krisenzeiten ist also nicht respektlos, sondern hilft, gesund zu bleiben. Er dient als Emotionsregulation und löst innere Spannung. Er kann dafür sorgen, dass pessimistische Grübeleien und Katastrophenängste wirksam unterbrochen werden. Zynische Spässe, gemeine Witze auf Kosten anderer erfüllen diesen Zweck natürlich nicht.
Dazu kommt, dass das Lachen erstaunlich vieles bewirken kann. Es aktiviert zwischen Gesicht und Bauch etwa 300 Muskeln. Das reflexartige Zusammenziehen des Zwerchfells, die Ausdehnung der Lungenflügel und die schnellere Atmung bewirken, dass mehr Sauerstoff aufgenommen wird, und regen Stoffwechsel und Energiehaushalt an. Der Blutdruck steigt kurz an, sinkt dann unter das Ausgangslevel und bleibt eine Zeit lang tiefer. Im Gehirn werden Glückshormone ausgeschüttet, die Stimmung hellt sich auf. Das alles fördert Gesundheits- und Heilungsmechanismen des Körpers, senkt den Stresspegel und stärkt das Immunsystem .
Wer regelmässig lacht, lebt gesünder. Was aber, wenn uns partout nicht heiter ums Herz ist? Wenn wir keine Lücke in der schwarzen Wolke über unserer Seele ausmachen können, die einen humorvollen Ausweg ermöglicht? Wenn wir uns zu schwach, ängstlich und besorgt fühlen?
«Durch herzhaftes Lachen entspannt sich der Körper, es wirkt heilend auf Seele und Geist.»
Christine Harzheim, Psychologin FSP und systemische Familientherapeutin
Das Erstaunliche ist, dass der wohltuende Prozess des Lachens nicht abhängig ist von einem heiteren Gemüt oder einem gelungenen Witz als Auslöser. Es funktioniert auch ohne das, als rein körperliche Abfolge von Bewegung, Atmung und Lauten. Wir müssen es einfach tun, auch wenn uns nicht danach ist. Wenn wir bewusst ein Lächeln aufsetzen und dazu Lachlaute ausstossen, wird früher oder später unser gesamter Körper reagieren, das Lachen erfüllt seinen Zweck. Und nicht selten verselbständigt es sich plötzlich, und wir lachen spontan weiter, mit all den positiven Nebenwirkungen.
Seit diese Wirkung ausführlicher erforscht wurde, sind zahlreiche Angebote entstanden, die dieses Phänomen bewusst zu nutzen wissen. So gibt es zum Beispiel Lachtrainings, Lachyoga oder Online-Lachtreffen.
Selbst wenn wir anfangs noch hadern, weil ein solches Lachen nicht natürlich, sondern bewusst «gemacht» ist und wir uns peinlich berührt fühlen: Es tut gut! Es steckt an! Die Älteren unter uns erinnern sich an die Wirkung des Ende der Sechzigerjahre erfundenen Lachsacks, einer Art Ledersocke, in der ein Minitonband versteckt war. Ob in der Schule, im Büro oder im Tram: Sobald der kleine Sack auf Knopfdruck losprustete, uferte die Heiterkeit aus, und es blieb oft kein Auge trocken.
Durch herzhaftes Lachen entspannt sich der Körper, und es wirkt heilend auf Seele und Geist. Es gibt also keinen Grund, sich dafür zu schämen.
Gerade in schwierigen Zeiten sind Selbstfürsorge und glückliche Momente in Gemeinschaft zentral wichtig und kein Zeichen von mangelnder Empathie.
Warten wir also nicht auf den Weltfrieden, das Ende der Pandemie oder sonst einen triftigen Grund zum Fröhlichsein, sondern nutzen wir diesen einfachen und verbindenden Weg, uns etwas Gutes zu tun – und lachen wir, wo immer möglich, was das Zeug hält.
- Christoph Emmelmann: «Das kleine Lachyoga-Buch»; Verlag dtv, 2019, 96 Seiten, Fr. 11.90
- Katja Schütz: «Lachen ist das Feuerwerk der Seele»; Hörbuch, Verlag Vivaflow Media, 2016, Fr. 8.90
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