Als Vorbereitung für das Interview dient mir eine kalte Dusche. Gemäss Youtube-Anleitung von «Peakwolf» geht man «direkt, volle Kanne unters kalte Wasser». Der Youtuber mit Hipsterbart und durchtrainiertem Oberkörper lächelt entspannt unter dem Duschstrahl, «richtig geil» sei das. Nun ja. Kaum trifft mich der eisige Wasserschwall, schreie ich laut auf. Mischhebel suchen, abschalten. Grandios gescheitert.

Rolf Duda, wie «Peakwolf» mit bürgerlichem Namen heisst, sitzt gut gelaunt auf einem weissen Sofa in seinem neuen Studio in der Thuner Altstadt. Auf dem Boden liegen Yogamatten, hinten steht eine zeltartige Druckluftkammer, in einem Regal stapeln sich Gadgets, die ein besseres Leben versprechen. Er gehe jeden Tag ins kalte Wasser Kalt abduschen lohnt sich Die Kraft des kalten Wassers , sagt Duda, am liebsten in den Thunersee. «Das wird irgendwann zur Sucht. Man fühlt sich so energiegeladen.» Ausserdem stärke es die Willenskraft. «Ich schiebe unangenehme Dinge nicht mehr vor mir her.»

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Rolf Duda ist der wohl bekannteste Biohacker der Schweiz. Wer jetzt an einen Freak denkt, der sich einen Chip einpflanzt Chips und Implantate im Körper Die Verschmelzung von Mensch und Maschine , ist aber falsch gewickelt. Denn dieser Mann will vor allem eins: ein gutes und gesundes Leben. Manchmal geht es ihm um mehr Leistung im Sport. Meistens aber um Entspannung, einen guten Schlaf, eine gesündere Atmung und einen klaren Geist.

Das klingt erst mal nicht ungewöhnlich. Aber im Unterschied zu denjenigen, die einfach Sport treiben oder meditieren, macht der Biohacker sein Leben zum Experiment. Er testet Methoden, Therapien, Diäten – und überprüft anhand von Blut- und anderen Körperwerten, wie er darauf reagiert. An seinem Finger steckt ein Smartring in puristischem Design, der seinen Schlaf, Herzfrequenz, Temperatur und Aktivität trackt. Sozusagen das Basic Tool für den Biohacker.

In Unterhosen auf dem Balkon

Zu seiner täglichen Routine gehören mittlerweile so einige «Hacks»: Den Morgenkaffee trinkt der 38-Jährige – bei jedem Wetter – in Unterhosen auf dem Balkon, damit sein Körper sich auf die Temperatur und das Tageslicht einstellen und den Tag im perfekten Biorhythmus starten kann. Danach hüpft er eine Runde auf dem Trampolin, um das Lymphsystem anzuregen. Meditation Meditation Mit Übung zur Ruhe und Atemübungen klären den Fokus. Fermente für das Mikrobiom, Fette fürs Gehirn. Rotlicht soll den Energielevel erhöhen und den Schlaf verbessern. Und «wenn es viel war», gehts abends noch in die «Kammer», wo er zum Regenerieren unter Druck reinen Sauerstoff einatmet.

Da ist man versucht, zu fragen: Geht bei einem solchen Regime das angestrebte bessere Leben nicht sowieso flöten? Rolf Duda wehrt ab: «Das tut mir alles gut.» Ausserdem sei er nicht verbissen. «Ich trinke Bier und sehe abends auch mal fern.»

Sauna und Kaffee-Einläufe

Jetzt trinkt er Wasser. Es ist mit Wasserstoff angereichert, der als Gegenspieler der freien Radikale gilt, die als Todfeinde von Jugend und Schönheit identifiziert wurden. Munter erzählt er von seinem jüngsten Experiment: Er unterzieht seinen Körper gerade einer Entgiftungskur. Dabei setzt er auf Sauna, Einläufe mit Kaffee sowie Mikro- und Makronährstoffe – insgesamt 40 Pillen schluckt er täglich. Bald wird er eine intensive Trainingsphase anschliessen. «Um zu sehen, was so ein sauberer Körper leisten kann.» Begleitet wird der Prozess von Wissenschaftlern der Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana (Supsi), die im Rahmen einer Pilotstudie herausfinden wollen, ob ein gesunder Lebensstil, optimale Ernährung und intensives Training sich positiv auf Körperkonstitution und -funktion auswirken können.

«Kälte wird irgendwann zur Sucht. Man fühlt sich so energiegeladen.»

Biohacker Rolf Duda im Kältebad

Rolf Duda, Biohacker

Quelle: Raffael Waldner
Atem als Meditation

Mit der Welt des Biohackings kam Rolf Duda vor rund zehn Jahren in Kontakt. Ein Kollege hatte ihm ein Video von Wim Hof alias «The Iceman» geschickt, der 26 internationale Rekorde im Ertragen extremer Kälte hält. Damals lebte Duda noch in Bonn, und sein Leben war voll auf Karriere ausgerichtet. Zwar hatte sein Weltbild schon ein paar Risse bekommen: So wurde der jährliche Kurztrip mit Freunden immer schwieriger zu organisieren, weil die körperlichen Gebresten überhandnahmen. «Früher hatten wir tagsüber Sport getrieben und abends Party gemacht, irgendwann machten wir nur noch Party, weil keiner mehr Sport machen konnte.» Nachdenklich wurde er, als das erste Burn-out im Freundeskreis dazukam. Und ein Mitarbeiter in der eigenen Unternehmensberatung einen Herzinfarkt hatte.

Als seine Frau dann auch noch Zwillinge im sechsten Monat verlor und er einen Tag darauf bereits wieder im Büro war, merkte er, dass sich in seinem Leben etwas ändern musste. «Das war so krass und kam mir einfach nicht richtig vor.» Er erinnerte sich an das Video, in dem Wim Hof sinngemäss sagte: «Wenn du im Eis bist, dann bist du im Notfallmodus und schaust einfach, wie es dir geht.» Duda ging in den eiskalten Thunersee. Er habe alles falsch gemacht, was man falsch machen könne, sagt er grinsend. «Aber ich bin zum ersten Mal in meinem Leben stehen geblieben.»

Kurz entschlossen machte Duda die Ausbildung zum Wim-Hof-Instruktor. Die Atemtechnik, die er dort lernte, begeistert ihn bis heute: «Unglaublich, wie schnell man sich mit dem Atem in einen anderen Zustand versetzen kann.» Inspiriert von den Biohackern in Wim Hofs Umfeld, schaffte er sich sein erstes Gadget an, das Stirnband «Muse». Es hilft beim Meditieren, indem es die Hirnaktivität erfasst und in Geräusche umwandelt: Ist der Geist ruhig, hört man friedliches Wasserrauschen, ist er geschäftig, hört man stürmisches Wetter.

Kältetraining, Datentracking, Gadgets – ist das der Weg, der Männer zu einem achtsamen Leben führt? Über Kälte habe er im Büro problemlos sprechen können, nicht aber über Meditation. «Mit Analysen und Datentracking holst du die Männer ab», gibt der ehemalige Unternehmensberater zu, der heute für Firmen ein Resilienzseminar mit dem wohlklingenden Namen «Artgerechte Bürohaltung – wie Biohacker das Büro überleben» anbietet. Und ja, seine Managerklientel fahre voll auf die teuren Gadgets ab, die mehr Energie und eine schnellere Regeneration versprechen. Da kann man sich natürlich fragen, ob Biohacking nicht einfach ein anderes Wort für Effizienzsteigerung ist. Und dem gestressten Manager nicht besser geholfen wäre, wenn er einfach einen Gang zurückschalten würde.

Viel draussen sein hilft

«Wir haben uns von der Natur entfernt», stimmt Rolf Duda zu. Den ganzen Tag im dämmrigen Büro sitzen, Stress, schlechte Ernährung – klar schadet das der Gesundheit. «Biohacking hilft dir, deinen ungesunden Lifestyle zu korrigieren.» So sei es bei Schlafproblemen wichtig, viel draussen zu sein, damit das Sonnenlicht dem Körper den Takt vorgeben könne: Bläuliches Morgenlicht mache wach, rötliches Abendlicht müde.

«Gadgets versuchen, die Natur zu imitieren, aber sie sind nie so gut wie die Natur selbst.»

Rolf Duda, Biohacker

Erst wenn das nichts bringt, empfehle er eine Blaulichtblockerbrille für den abendlichen TV- und Handy-Konsum und als Ultima Ratio dann vielleicht die teure Rotlichtlampe (siehe Box), auf die im Biohacking und im Spitzensport gerade viele schwören. «Gadgets versuchen, die Natur zu imitieren», sagt er, «aber sie sind nie so gut wie die Natur selbst.»

Zwar gelten die Methoden des Biohackings bei richtiger Anwendung als ungefährlich – ob sie auch wirksam sind, ist wissenschaftlich oft (noch) wenig belegt. So entsprechen die Studien zu Wim Hofs Kältetraining nicht den wissenschaftlichen Standards. Bei der Rotlichttherapie wurde die grundlegende Wirksamkeit hingegen in zahlreichen Studien nachgewiesen. Doch es fehlen verbindliche Empfehlungen für die Dosierung des Lichts, die es für den breiten Einsatz in der allgemeinen medizinischen Praxis bräuchte.

Das hält Biohacker nicht davon ab, solche Technologien anzuwenden und ihre Erfahrungen weiterzugeben. Es brauche Pioniere wie ihn, sagt Rolf Duda noch, als er in seinen Zehensocken in die Altstadt von Thun aufbricht, um sich einen Paleo-Zmittag zu holen. «Ich gehe ins Extrem, damit ich dem Kollegen im Büro erklären kann, was in seinem Körper passiert und was er tun kann, damit er sich wieder besser fühlt.»

Selbstversuch: Verbessert Rotlicht den Schlaf?

Das Experiment. Während 30 Tagen hat Beobachter-Redaktorin Julia Hofer das Rotlichttherapiegerät «Model 1 Pro» der Firma Luminous Red getestet, das Rotlicht und nahinfrarotes Licht verwendet.

Das Prinzip. Bei der Rotlichttherapie, auch Fotobiomodulation genannt, steigert das Licht die ATP-Produktion (Adenosintriphosphat) in den Mitochondrien. Den Zellen wird dadurch mehr Energie zur Verfügung gestellt, was vielfältige Körperprozesse effizienter macht. Fotobiomodulation wird in der Medizin unter anderem gegen Schmerzen, Entzündungen und für bessere Wundheilung eingesetzt. Spitzensportler und Biohacker nutzen sie auch zur Leistungssteigerung, gegen Stress und für besseren Schlaf.

Wie man es anwendet. Bezüglich der Dosierung gibt der Hersteller keine Pauschalempfehlung, stattdessen kann man sich auf der Firmenwebsite durch 6000 wissenschaftliche Studien scrollen – ziemlich experimentell. Da ist es hilfreich, dass der Kundenservice beim Eruieren der richtigen Dosis via Mail zur Seite steht. Bei Schlafproblemen hätten sich morgens zehn Minuten (beide Lichtfrequenzen) und abends fünf Minuten (nur nahinfrarotes Licht) auf die Schläfe bewährt, erfahre ich.

Was es gebracht hat. Ab dem vierten Tag werde ich nach der abendlichen Dosis Licht müde, offenbar schüttet mein Körper Melatonin aus. Ich schlafe schneller ein, wache in der Nacht kaum mehr auf und kann am Morgen länger schlafen. Das fühlt sich grossartig an, auch wenn vielleicht der Placeboeffekt mitspielt. Mehr Energie verspüre ich nach 30 Tagen allerdings nicht. Möglicherweise sei die Lichtdosis zu gering oder der Behandlungszeitraum noch zu kurz, schreibt der Anbieter.

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Julia Hofer, Redaktorin
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