«Der Betrieb hat nicht zwingend ein Hygieneproblem»
In einer Käserei im Kanton Thurgau tauchten auf einem Käse gesundheitsgefährdende Listerien auf. Tausende Käselaibe wurden zurückgerufen. Wie kommt es überhaupt zu solchen Verunreinigungen?
Veröffentlicht am 16. August 2023 - 17:03 Uhr
Einen ganzen Berg Käse muss die Thurgauer Käserei Studer womöglich entsorgen. Grund dafür ist einer ihrer Füürtüfel-Käse, auf dem die Firma Listerien gefunden hat. Weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass noch mehr Käselaibe im Reifungskeller in Hefenhofen TG betroffen sind, ruft der Betrieb sein gesamtes Sortiment zurück.
30 Käsesorten sind es insgesamt, darunter Sorten wie Der Scharfe Maxx, der in vielen Migros-, Coop- und Denner-Filialen verkauft wurden. «Die genaue Menge können wir noch nicht beziffern», schreibt die Käserei auf Anfrage. Die drei Grossverteiler haben die Produkte umgehend aus den Regalen genommen. Aus Sicherheitsgründen sollten Konsumentinnen und Konsumenten bereits gekaufte Produkte nicht essen, rät die Käserei Studer, sondern sie zur Verkaufsstelle zurückbringen.
Die Gefahr hat weder Geruch noch Geschmack
Listerien sieht, riecht und schmeckt man nicht, wenn sie sich im Essen befinden. Sie können in rohen Esswaren wie vorgeschnittenen, abgepackten Salaten, Käse, aber auch in geräuchertem Fisch vorkommen. Die Bakterien sind vor allem für immungeschwächte Personen, Schwangere und auch ihre ungeborenen Kinder gefährlich (siehe Infobox unten). In jüngerer Vergangenheit sind mehr als 70 Krankheitsfälle gemeldet worden, knapp ein Dutzend Personen starben an den Folgen einer Listerien-Erkrankung.
Listerien sind Umweltkeime, die überall vorkommen, etwa im Erdreich. Sie können an Schuhen, an den Rädern von Transportwägen oder Verpackungsmaterialien in Käsereien eingeschleppt werden. «Gerade bei Käse mit einer schmierigen Rinde ist das Risiko von Listerien grösser, weil die Bakterien dort ein Milieu vorfinden, bei dem sie sich gut weiterentwickeln können», erklärt Käsermeister Bernhard Schmutz von der milchwirtschaftlichen Beratungsstelle Casei.
Industrielle Käsereien verfügen deshalb über ein ausgeklügeltes Hygienekonzept. So trägt die Milchtechnologin bei der Arbeit spezielle Schutzkleidung und Schuhe, die sie erst im Gebäude anzieht. Zusätzlich muss sie durch eine Reinigungsschleuse gehen.
Die Bakterien lauerten wohl im Keller
Wie kann es da überhaupt zu einer Listerienverunreinigung kommen? Die betroffene Käserei Studer antwortet auf Anfrage, der Waren- und Personenfluss im Reifungskeller sei der kritischste Prozess. «Wir gehen aktuell davon aus, dass das Bakterium über ein Transportmittel in den Reifungskeller gelangt ist», so eine Sprecherin die Käserei.
Käsereien-Berater Bernhard Schmutz sagt, wenn ein Betrieb von einer Listerienverunreinigung betroffen sei, heisse das nicht zwingend, dass er die Hygiene vernachlässigt habe. «In Käsereien wird nicht unter Schutzatmosphäre wie etwa in Pharmabetrieben gearbeitet, das wäre viel zu teuer.» Darum bleibe trotz allen Schutzmassnahmen ein gewisses Restrisiko.
Um Listerienfälle zu verhindern, geht Schmutz als Berater regelmässig in Käsereien und unterstützt die Betriebe dabei, Schwachstellen aufzudecken. «Das kann eine Sicherheitsschleuse sein, die man baulich so verändern kann, damit man nicht an ihr vorbeikommt, ohne durch das Fussbad zu gehen. Oder dass wir Käserei-Mitarbeiter schulen.»
Was passiert mit dem ganzen Käse?
Was nun mit den mehreren Tausend zurückgerufenen Laiben Käse passiert, ist noch nicht klar. «Wir werden die Entscheidung in den nächsten Tagen in Abstimmung mit den zuständigen Behörden treffen», schreibt die Käserei. Berater Bernhard Schmutz erklärt, bei einem Listerienfall seien grundsätzlich verschiedene Szenarien möglich: «Trockengereiften Käse wie etwa Sbrinz kann man mit einem Milchsäure-Ethanol-Gemisch dekontaminieren und danach wiederverwenden.» Für andere Käsesorten seien andere Verfahren möglich. Ob eine Dekontamination möglich sei, hänge vom Käse und den konkreten Umständen ab.
Ist eine Reinigung des Käses nicht möglich, können die Laibe als Tierfutter verwertet werden. Wenn auch das nicht möglich ist, müssen sie in einer Vergäranlage entsorgt werden. Die Kosten dafür müsste im aktuellen Fall die Käserei Studer übernehmen. Wie hoch der wirtschaftliche Schaden für die Firma ist und ob eine Versicherung ihn deckt, sei derzeit noch nicht klar.