Die Strompreise steigen im Schnitt um 18 Prozent
Strom wird erneut teurer. Was sind die Gründe, und wo steigen die Preise besonders stark an?
Einmal Wäsche trocknen macht in der Stadt Winterthur ab kommendem Januar Fr. 1.40. Einmal den Geschirrspüler laufen lassen kostet 25 Rappen. Es sind alltägliche Handlungen, über die man sich ab 2024 Gedanken machen kann. Denn laut der Eidgenössischen Elektrizitätskommission (Elcom) steigen die Preise im kommenden Jahr durchschnittlich um 18 Prozent. Für einen Durchschnittshaushalt von vier Personen bedeutet das einen Preisaufschlag von 222 Franken.
Laut der Elcom gibt es mehrere Gründe, warum die Preise nochmals steigen: Einen bedeutenden Teil des Stroms, den die Schweiz im laufenden Jahr verbraucht, hatten Stromanbieter eingekauft, bevor die Handelspreise am Markt stiegen. 2024 wirken sich nun die höheren Marktpreise auf die Stromtarife aus.
Rund ein Viertel der Preiserhöhung ist der sogenannten Winterreserve geschuldet. Dabei handelt es sich um Massnahmen, mit denen eine Strommangellage im Winter verhindert werden soll. Zu guter Letzt steigen auch die Netznutzungstarife, weil das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) die Kapitalverzinsung angehoben hat.
Mehr Eigenproduktion ist ein Vorteil für die Kundschaft
Wie stark sich die Preise bei den rund 600 Energieversorgern erhöhen, hängt davon ab, wie viel Strom diese selbst herstellen können. Je höher der Anteil der Eigenproduktion ist, desto weniger teuren Strom müssen die Energieversorger auf dem Markt einkaufen. So etwa im Kanton Nidwalden, wo die Kilowattstunde nächstes Jahr «nur» 12 Prozent mehr kostet als 2023, wie es in einer Mitteilung des Kantonalen Elektrizitätswerks Nidwalden (EWN) heisst.
Bei einem durchschnittlichen Nidwaldner Vierpersonenhaushalt steigt die Stromrechnung somit um rund 100 Franken. Für die Kundinnen des EWN zahlt sich nun aus, dass das Unternehmen bereits im Voraus zu günstigen Konditionen Strom am Markt beschaffte und über eigene Wasserkraftwerke verfügt.
435 Franken pro Jahr mehr im Aargau
Anders bei den Aargauer Energiewerken, der AEW Energie: Hier werden die Kosten um 38 Prozent steigen, wie es in einer Mitteilung heisst. Für einen Vierpersonenhaushalt mit durchschnittlichem Verbrauch bedeutet das eine um 435 Franken höhere Stromrechnung pro Jahr. Am stärksten von der Preiserhöhung betroffen ist die Gemeinde Büttikon AG. Für das Jahr 2024 wird ein Anstieg um 212 Prozent erwartet. Mit 47,5 Rappen pro Kilowattstunde bezahlt man in der Aargauer Gemeinde den zweithöchsten Strompreis der Schweiz. Einmal Wäsche trocknen kostet hier rund Fr. 1.95. Nur in Braunau TG ist es noch teurer: Dort kommt man auf knapp Fr. 2.10.
Nur wenige Gemeinden bleiben vom Preisschock verschont. Bei knapp 100 Gemeinden sinken die Strompreise. Welche das sind, findet man auf der Website der Elcom.
Der Konsumentenschutz kritisiert die steigenden Strompreise stark und fordert ein Eingreifen der Politik. «Die grossen Schweizer Stromanbieter schreiben Gewinne in schwindelerregender Höhe. Dennoch werden die Strompreise auch nächstes Jahr angehoben», schreibt sie.
Der Konsumentenschutz spricht damit grosse Stromproduzenten wie die Bernischen Kraftwerke (BKW) an. Nur wenige Stunden vor der Bekanntgabe der neuen Stromtarife vermeldete das börsenkotierte Unternehmen, dass es seinen Umsatz im Vorjahresvergleich um sechs Prozent auf 2,4 Milliarden Franken und den operativen Reingewinn sogar auf 340 Millionen Franken steigern konnte.
Zahlen hier etwa die Konsumentinnen und Konsumenten direkt an die Gewinne der Aktionäre? «Klar, wer denn sonst?»
Rudolf Rechsteiner, alt Nationalrat (SP), Stromexperte
Zahlen hier etwa die Konsumentinnen und Konsumenten direkt an die Gewinne der Aktionäre? «Klar, wer denn sonst?», sagt der Basler Stromexperte und alt Nationalrat Rudolf Rechsteiner (SP). «Diese Gewinne kommen zustande, weil Produzenten wie die BKW letztes Jahr ihren Strom am Markt zu viel höheren Preisen an kleine Energieversorger, die nicht selbst Strom produzieren, verkaufen konnten sowie an kleine gebundene Kunden und Grosskunden im offenen Markt.»
Zurückzuführen waren diese Preissteigerungen laut Rechsteiner auf drei Ursachen: Mehr als die Hälfte aller französischen Atomkraftwerke waren wegen Reparaturarbeiten ausser Betrieb. Zudem verteuerte Putins Gaslieferstopp den Strom aus Gaskraftwerken. Und drittens führten geringere Niederschläge in Kombination mit der vom Bundesrat beschlossenen Speicherwasserreserve zu einer Reduktion der Wasserkraft.
«Die Preise werden wieder sinken»
Nicht überall wurde im Sinne der Endverbraucher gewirtschaftet, wie verschiedene Medien bereits berichteten. So stand die Engadiner Kraftwerke AG in der Kritik, weil sie selbst hergestellten Strom an Dritte verkaufte – und für ihre eigenen Kundinnen und Kunden den Strom am Markt teuer einkaufte. Rechsteiner erinnert daran, dass gegen solche Manipulationen zum Nachteil der kleinen Endverbraucher die Möglichkeit besteht, eine Beschwerde bei der nationalen Elcom einzureichen.
Rechsteiner, der selbst im Verwaltungsrat der Industriellen Werke Basel (IWB) sitzt, ist überzeugt, dass die Preise schon ab 2025 wieder sinken werden. Nämlich dann, wenn mehr Strom aus erneuerbaren Energien produziert wird und die alten, teuren Bezugsverträge durch neue mit tieferen Preisen ersetzt werden können. Der aktuelle Preisschock sei dadurch entstanden, dass einige Versorger keine langfristigen Verträge abgeschlossen hätten und gezwungen waren, den Strom teuer einzukaufen, als nur noch Kohlestrom aus Reservekraftwerken verfügbar war. «Da die Preise nun wieder sinken, werden davon auch die Konsumentinnen und Konsumenten mit Verzögerung profitieren.»