Die Ochsner-Tour
Sein Namensvetter hat im Internet bei Ochsner Sport Turnschuhe bestellt. Die Quittung dafür bekam unser Autor.
Veröffentlicht am 25. November 2019 - 16:02 Uhr
Wer zu früh kommt, den bestraft das Leben genauso. Bloss etwas später. Hätte ich mich damals, als Google seinen Mail-Dienst einführte, nicht so schnell registriert, lautete meine Adresse heute vielleicht paeschlm1234@gmail.com – und so einiges wäre mir erspart geblieben.
Weltweit nutzen über anderthalb Milliarden Menschen ein Google-Konto. Wie viele davon Peter Aeschlimann heissen, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber ein paar müssen es schon sein. Regelmässig purzeln nämlich Mails in mein Postfach, die gar nicht für mich bestimmt sind.
Mit zum Teil heiklen Inhalten. Einmal wollte eine Sozialarbeiterin wissen, wie hoch meine aktuelle Wohnungsmiete sei. Vieles ist jedoch harmlos: Einladungen zu Geburtstagsfesten, Resultate von Jass-Turnieren, Ferienfotos. Erreichen mich Mails an meinen Onkel Peter, leite ich diese amüsiert weiter. Meistens ist das Missverständnis schnell geklärt.
So vibrierte Anfang November mein Handy, und auf dem Bildschirm poppte ein Mail auf, Betreff: «Bestätigung deiner Bestellung bei ochsnersport.ch».
Im Herbst google ich gerne nach Skiern – hatte ich aus Versehen welche gekauft? Sowas geht ja heute ganz einfach mit einem Klick.
Es war ein schwarzer Laufschuh für 151.90 Franken. «Wir wünschen dir viel Spass mit deiner Bestellung und freuen uns auf deinen nächsten Besuch.» Schnell war klar: Ein Namensvetter von mir, der mutmasslich gerne joggt, hatte sich beim Eingeben der Mailadresse vertippt.
Ich antwortete Ochsner : «Ich habe keine Schuhe bestellt, wohne auch nicht in Gipf-Oberfrick (Ortsname geändert). Folglich: falsche Email-Adresse. Schönen Abend, Peter Aeschlimann».
Die Antwort kam prompt: «Deine Anfrage ist bei uns erfolgreich eingetroffen». Man werde so schnell wie möglich antworten. «Dein Ochsner Sport Kundenservice Team».
Am nächsten Tag die nächste Ochsner-Mail: «Versandbestätigung deiner Bestellung bei ochsnersport.ch».
Ich verschärfte den Ton: «Ich habe es schon gestern geschrieben: Ich habe keinen Laufschuh bestellt! Ihr verwendet eine falsche Email-Adresse. Bon weekend!».
Wieder folgte die Antwort auf dem Fuss: «Deine Anfrage ist bei uns erfolgreich eingetroffen und wird so schnell wie möglich bearbeitet. Dein Ochsner Sport Kundenservice Team».
Und bald darauf: «Die Beantwortung Ihrer Anfrage verzögert sich». Das Ochsner Sport Kundenservice Team siezte mich jetzt. Hatte man mich als Problemkunden identifiziert?
Mir lupfte es den Deckel: «Das war keine Anfrage. Kontaktieren Sie mich nicht mehr wegen dieser blöden Turnschuhe!»
Doch es half nichts. Schlimmer noch, es folgte zum zweiten Mal die Mail mit der Betreffzeile «Bestätigung deiner Bestellung bei ochsnersport.ch».
Das System war ganz offensichtlich am Anschlag. Ich schrieb: «Jetzt reichts. Das gibt eine schöne Kolumne. Danke für den Input!»
Aber darauf ging das Ochsner Sport Kundenservice Team natürlich nicht ein. Profis halt.
Am nächsten Tag die nächste Mail: «Deine Rechnung von ochsnersport.ch». Und etwas später: «Die Beantwortung Ihrer Anfrage verzögert sich».
Ich schwieg.
Aber es ging weiter. Die nächste Mail kam gleich doppelt: «Deine Meinung ist uns wichtig. Unser Ziel ist es, dich bestmöglich zu beraten, dazu benötigen wir deine Unterstützung. Bitte sage uns deine Meinung und bewerte unsere Servicequalität.»
Ich blieb stumm.
Dann endlich meldete sich ein Mensch und entschuldigte sich für die Wartezeit. Leider habe ein Kunde eine falsche Email-Adresse eingegeben. Man könne bei einem Gastkonto weder die Mailadresse ändern noch die Mails stoppen.
Damit war aber noch nicht Schluss. Eine Woche nach dem ersten Mail folgte das vorerst letzte: «Bewerte deine Bestellung und erhalte einen CHF 20.- Gutschein!»
Ich sollte nun also ein Produkt bewerten , das ich weder bestellt, erhalten noch benutzt hatte. Nach der Prüfung meiner Bewertung würde ich per E-Mail automatisch einen Online-Gutschein erhalten. «Wir wünschen Dir weiterhin viel Spass beim Shoppen! Sportliche Grüsse, Dein Ochsner Sport Team».
Eine Woche und rund ein Dutzend Mails später schrieb ich der Ochsner-Pressestelle. Ich wollte wissen, welche Prozesse bei einer Bestellung ein Roboter übernimmt. Man arbeite weder mit Robotern noch mit Algorithmen , antwortete Sprecherin Patrizia Fiechter: «Einzig jedoch werden bei einer Bestellung, die in diesem Falle zwar nicht durch Sie, aber über Ihre Email-Adresse getätigt wurde, dem Kunden automatisch eine Bestellbestätigung, eine Versandbestätigung, die Rechnung sowie zum Schluss ein Feedback-Mail zugestellt. Diese löst unser System automatisch aus.»
Das System also. Kein Roboter. Immerhin.
Patrizia Fiechter bot mir an, meine Email-Adresse intern sperren zu lassen. «So kann künftig niemand Fremdes mehr mit Ihrer Mail-Adresse bei Ochsner Käufe tätigen.»
Ich überlegte einen kurzen Augenblick – und entschied mich dann dagegen. Schliesslich brauche ich irgendwann eine neue Ski-Ausrüstung. Und wenn ich den virtuellen Turnschuh nun doch noch lobe, bekomme ich diese bei Ochsner sogar 20 Franken günstiger.
Etikettenschwindel, falsche Preisangaben, haarsträubende Werbung oder sonst ein Reinfall: Für Ärger von Konsumentinnen und Konsumenten ist leider nur allzu häufig gesorgt. Auch Beobachter-Redaktorinnen und -Redaktoren fühlen sich öfters für dumm verkauft. Was sie dabei erleben, lesen Sie unter dieser Rubrik.
1 Kommentar
Ist zwar schon eine Ewigkeit her, aber ich bin erst jetzt über den Artikel gestolpert.
Letztes Jahr wollte ich etwas bei Ochsner Sport kaufen, das in "meiner" Filiale nicht mehr vorhanden war (in einer anderen Filiale hingegen schon).
Auf meine Anfrage kam eine automatisch generierte Antwort, sie bekämen im Moment viele Anfragen. Es könne also etwas dauern.
Als nach 2 Monaten immer noch keine Antwort kam, habe ich nachgefragt. Auf diese Mail haben sie gar nicht mehr reagiert.
Für mich ist klar, ich werde nie mehr etwas bei denen kaufen...