Die Päckli-Trickser
Eine Briefkastenfirma horcht Senioren aus, um ihnen im Namen unbeteiligter Firmen unbestellte und überteuerte Ware zu senden.
Veröffentlicht am 18. Juni 2020 - 16:26 Uhr
Der Anrufer nannte sich Silas und gab sich fürsorglich. Er sei Mitglied einer Gruppe von Physiotherapeuten, die sich um Senioren in der Schweiz kümmere, sagte er. Dann fragte er Maria Kämmerling* aus Kriens über ihre Gesundheit aus und empfahl ihr gegen ihre Schmerzen einen «naturmedizinischen» Spray. Doch die 82-Jährige war nicht interessiert: «Selbstverständlich bestellte ich nichts.»
Zwei Wochen später erhielt sie dennoch ein Päckchen . Darin fand sie zwei Sprays – und eine Rechnung über 260 Franken. Sie schickte alles zurück an den Absender: eine Firma namens Vitasana.
Arthur Werner Müller kennt die dubiosen Sendungen. Er ist Inhaber einer Firma namens Vita Sana in Reinach BL und vertreibt über einen Online-Shop seit 15 Jahren Nahrungsergänzungsmittel . «Aber bei uns arbeitet weder ein Silas, noch betreiben wir Telefonmarketing. Und so einen Spray haben wir nicht im Angebot», sagt Müller. Aber immer wieder würden sich Betroffene bei ihm melden, weil sie denken, er stecke dahinter. «Ich sage dann: Schicken Sie das Zeug zurück und bezahlen Sie die Rechnung nicht.»
Tatsächlich findet sich im Handelsregister eine Firma mit ähnlich lautendem Namen: Vitasana Praxis für manuelle Therapien in Gossau SG. Eine Website hat die Praxis nicht. Dafür eine Google-Rezension : «Telefonbetrug! Sie rufen ältere Menschen an, um überteuerte Produkte zu verkaufen, und sind telefonisch nicht zu erreichen. Wenn Sie die angegebene Nummer anrufen, werden Sie von einem Anrufbeantworter aufgefordert, eine E-Mail zu schreiben … Ich werde eine Beschwerde einreichen», schreibt eine Frau.
Betreiberin der Praxis ist Manuela Spirig. Aber auch sie hat nichts mit den Sendungen zu tun: «Jemand missbraucht meinen Firmennamen. Das kann meinem Geschäft massiv Schaden zufügen.» Spirig versuchte daher, bei der Polizei Anzeige wegen Identitätsdiebstahls zu machen. Vergebens. In der Schweiz gibt es diesen Straftatbestand gar nicht, heisst es bei der Kantonspolizei St. Gallen.
Bleibt noch der Absender auf dem Päckchen: Güterbahnhofstrasse 26 in St. Gallen. Dahinter verbirgt sich das St. Galler Logistikzentrum der Post – es handelt sich um ein Postfach . Und wer hat es gemietet? Das darf die Post aus Datenschutzgründen nicht sagen.
Arthur Werner Müllers Rat, die Pakete zurückzuschicken und die Rechnung nicht zu bezahlen , ist goldrichtig. «Es würde sogar reichen, den Absender über das fehlgeleitete Päckchen zu informieren», sagt Beobachter-Expertin Rita Périsset. Mehr brauche man nicht zu tun.
*Name geändert
6 Kommentare
Eine echte Abzockerei ist dies mit den zugeschickten Päckchen, ohne sie bestellt zu haben. Ob diese Firma Anstand und Respekt hat, was sie damit anrichtet, bezweifle ich sehr stark. Schnelles Geld kommt eben selten gut. Meiner Ansicht nach sind dies Frustrierte und wollen ihr "Verlorenes" Geld irgendwie wie nachholen und dies gleicht einer Geldgier.
Das Gegenmittel ist ganz einfach zu befolgen:
1. Keine Anrufe von unbekannten Nummern entgegenehmen
2. Die Nummer bei search.ch abfragen
3. Gibt es keinen Eintrag, vergessen
4. Gibt es einen Eintrag der Sinn macht, zB. ein Laden wo man ein Gerät zur Reparatur gebracht hat, zurückrufen
Das oben gesagte gilt sinngemäss für alles Unbekannte was über das Internet hereinkommt. Nicht öffnen, nichts herunterladen, nicht antworten!!!
Verstehe ich jetzt nicht, dass Betroffenen geraten wird, die Ware zurückzuschicken. Nach geltendem Recht muss unbestellte Ware weder zurückgeschickt, noch aufbewahrt und schon gar nicht bezahlt zu werden!
Richtig, dieser Auffassung war ich auch. Ware zur Abholung eine gewisse Zeit bereit halten, Mail an die Firma über diesen Tatbestand senden und wie erwähnt Rechnung nicht bezahlen.
Man muss es nicht mal aufbewahren und auch keine Mail senden. Einfach wegschmeissen, verschenken, gebrauchen usw.
Es ist eine Sauerei was da heute alles geboten wird in der überorganisierten, mit allen Gesetzen und Vorschriften verankerten Schweiz!
Für diese Halunken findet man keine Handhabung!
Ältere und betagte Mitbürger werden ausgenommen und müssen sich gegen diese Vaganten zu Wehr setzen.
Baltschji