Das hat es noch nie gegeben: Händler, die am vergangenen Montag ein Fass US-Rohöl kauften, mussten dafür nichts bezahlen, sondern bekamen sogar Geld dafür. Innerhalb eines einzigen Tages brach der Preis für US-Erdöl um über 300 Prozent ein, bis auf den zwischenzeitlichen Tiefstand von minus 40 Dollar pro Barrel (engl. Fass). Der Grund: Das Angebot übersteigt die Nachfrage zurzeit so sehr, dass die Lagerkapazitäten knapp werden. Darum bezahlen manche US-Produzenten den Händlern Geld dafür, dass sie ihnen Erdöl abnehmen.

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Auch wenn das extreme Beispiele sind: weltweit sind die Preise für Rohöl seit Wochen im Sinkflug. Wegen Corona ist die Nachfrage so tief wie seit Jahrzehnten nicht mehr. In vielen Ländern steht die Wirtschaft fast still, die Menschen fahren weniger Auto, Flugzeuge bleiben am Boden. Noch gut 20 Dollar kostete am Mittwoch ein Fass mit 156 Litern der Nordseesorte Brent. Seit Anfang Jahr sind die Ölpreise gut um die Hälfte zusammengesackt.

Das wirkt sich auch auf den Benzinpreis aus. Spürbar, allerdings nicht so stark, wie sich wohl viele erhoffen. So ging der Durchschnittspreis für den Liter Bleifrei Luftverschmutzung «Für die Hersteller ist die Diesel-Hetze ein Segen» seit Anfang Jahr von 1.59 Franken auf 1.49 Franken im März zurück. Jetzt, im April, bieten die günstigsten Tankstellen den Treibstoff sogar für nur noch 1.19 Franken an, vielerorts liegen sie unter 1.35 Franken. Das ist ein Rückgang. Von einer Halbierung ist der Preis aber weit entfernt.

Über 80 Rappen pro Liter sind Steuern

Der Grund dafür ist: Die Kosten für Rohöl machen nur einen kleinen Teil des Benzinpreises aus, den Kunden an der Zapfsäule bezahlen. Mehr als die Hälfte sind Steuern, dazu kommen Kosten für den Vertrieb.

Das verdeutlicht eine Beispielrechnung der Erdölvereinigung Avenergy Suisse. Darin kostet der Liter Benzin (hergestellt aus Rohöl) den Tankstellenbetreiber knapp 45 Rappen. Die Frachtkosten für den Transport vom Hafen in Rotterdam in die Schweiz sind darin schon enthalten. Danach kommen die Mineralölsteuer Umweltschutz unter Druck Die Stunde der Lobbyisten des Bundes (gut 43 Rappen pro Liter) hinzu, ein Mineralölsteuerzuschlag von 30 Rappen pro Liter sowie eine Mehrwertsteuer von 7,7 Prozent. Der Preis pro Liter, den die Händler bezahlen, erhöht sich somit auf 129 Rappen.

Im Schnitt erheben die Schweizer Tankstellenbetreiber darauf eine Marge von knapp 30 Rappen, je nach Standort und den davon abhängigen Kosten für Miete, Löhne und Tankstellenunterhalt. Das ergibt im Beispiel einen Preis an der Zapfsäule von 159 Rappen pro Liter. Sinkt der Rohölpreis, sinkt nur der Einkaufspreis für das Benzin am Anfang der Rechnung, die Steuern (ausgenommen der geringe Anteil der Mehrwertsteuer) und die Marge bleiben gleich. «Trotz starker Schwankungen der Erdölpreise bewegen sich die Schweizer Benzinpreise deshalb traditionell auf verhältnismässig konstantem Niveau», sagt Daniel Hofer, Präsident von Avenergy und Chef der Mineralölgesellschaft Migrol.

Konsumentenschutz kritisiert Tankstellenbetreiber

Stark profitieren werden die Konsumenten vom jüngsten Preiszerfall beim Rohöl also nicht. Auswirken wird er sich aber schon – allerdings verzögert, wie Hofer erklärt: «Viele Tankstellen sitzen auf Benzin, das sie eingekauft haben, als der Preis noch höher war.» Dieses müssten sie zuerst loswerden, bevor sie neues, günstiges einkaufen können. «Da die Nachfrage zurzeit klein ist, wird das noch eine Weile dauern.». So werde in der Schweiz seit Beginn der Coronakrise 50 bis 80 Prozent weniger getankt als zuvor.

Die Stiftung Konsumentenschutz kritisiert diese Argumentation. Sinke der Ölpreis, werde auf volle Lager verwiesen. Steige er aber, zögen die Benzinpreise sofort an. «Da erinnert sich niemand an die vollen Lagerbestände, die ja dann auch über Monate eine Verteuerung verhindern müssten», sagt Geschäftsleiterin Sara Stalder.

Preise bleiben wohl länger tief

Wie sich die Rohölpreise entwickeln werden, ist schwierig vorauszusagen. Experten gehen von einer leichten Erholung aus. Auf ein Niveau wie im letzten Jahr dürften sie 2020 aber kaum wieder steigen – und damit auch die Benzinpreise nicht.

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Raphael Brunner, Redaktor
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