«Ich zweifle sofort an mir»
Ein gutes Selbstbewusstsein hilft, sich wertvoll und geliebt zu fühlen. Doch nicht jeder hat dies in jungen Jahren mit auf den Weg bekommen. Kann man das noch lernen?
aktualisiert am 21. November 2019 - 17:26 Uhr
Leserfrage: «Wenn etwas nicht grad gelingt oder wenn ich kritisiert werde, bin ich am Boden zerstört und zweifle sofort an mir selber. Ich traue mir dann auch weniger zu, was nochmals schlecht ist fürs Selbstbewusstsein. Ich nehme an, dieses Problem kommt von früher. Ich bin jetzt 50. Kann man in diesem Alter noch etwas an seinem Selbstbewusstsein ändern?»
Natürlich, es ist nie zu spät, Fortschritte zu machen. Die Zeiten sind längst vorbei, als man noch glaubte, die Persönlichkeitsentwicklung sei mit dem Erwachsenwerden abgeschlossen.Wir wissen heute, dass das ganze Leben lang Entwicklung nötig ist. Weil die inneren und äusseren Bedingungen ändern, muss sich unsere Seele immer wieder verändern und umstellen, um den neuen Herausforderungen zu begegnen. Da diese Flexibilität besteht, ist es auch möglich, gezielt Veränderungen anzustreben.
Wahrscheinlich haben Sie als Kind wenig Anerkennung erfahren, wurden vielleicht sogar von Erziehungspersonen immer wieder in Ihrem Selbstwertgefühl gestört, so dass Sie heute unter einem Mangel an Selbstbewusstsein leiden. Man kann an diesem Problem arbeiten und mehr Sicherheit gewinnen. Man kann einen Ratgeber lesen oder in einer Psychotherapie oder in Selbsterfahrungsgruppen sein Selbst stärken.
Ein gutes Selbstwertgefühl gibt uns Sicherheit im Umgang mit andern, gibt uns aber auch Kraft, wenn wir allein unterwegs sind. Ohne bewusst daran denken zu müssen, zweifeln wir dann nicht daran, dass wir wertvoll , wichtig, liebenswert oder ganz einfach in Ordnung sind.
Die Selbstsicherheit hat innere und äussere Ursachen. Unser Selbstwertgefühl ist dann gut, wenn wir wissen, wer wir sind. Wenn wir unsere Stärken und Schwächen kennen, kann uns auch harte und ungerechte Kritik nicht aus der Ruhe bringen. Wir können sie uns anhören und mit unserem gefestigten Selbstbild vergleichen. Wenn wir etwas von ihr gebrauchen können, um unser Selbstbild zu ergänzen, nehmen wir es an, alles andere fliesst an uns ab.
Stärkend ist es auch, wenn wir eine «Linie» in unserem Leben haben: ein Bündel von Grundideen und Idealen, denen wir unser ganzes Leben treu sind. Ganz nach dem berühmten Song von Frank Sinatra: «I did it my way» (Ich habe es auf meine Weise gemacht). Auch wenn wir dann Misserfolge erleben, kann uns das nicht niederschmettern – weil wir noch immer stolz darauf sein können, unsere Prinzipien nicht verraten zu haben.
Das Selbstbewusstsein beruht aber auch auf den Echos von aussen. In Bemerkungen und den Reaktionen unserer Mitmenschen spiegelt sich, wer wir sind. Und: Wir brauchen die Anerkennung unserer Umwelt, um uns sicher zu fühlen. Das müssen nicht Komplimente sein oder gar Applaus, aber wir müssen spüren, dass wir akzeptiert sind. Im Beruf und im Privatleben. Nicht zuletzt deshalb hängt unser Selbstbewusstsein auch von der Jobwahl und der Auswahl unserer Freunde und Lebenspartner ab.
Das Selbstbewusstsein ist also keine feste Grösse. Es verändert sich je nach Lebensumständen. Und wir können daran arbeiten. Wenn eine gesunde Basis fehlt, kann in Trainings oder Therapien eine korrigierende Erfahrung gemacht werden.
- Herausforderungen annehmen, die man bewältigen kann
- Durch regelmässige Bewegung, Sport oder Training für ein gutes Körpergefühl sorgen
- Im Leben eine eigene Linie einhalten und sich dessen bewusst sein
- Dort verkehren, wo man anerkannt und geschätzt wird
- Nicht über sich selber und seine Wirkung nachgrübeln, sondern sich auf die jeweilige Sache oder Person konzentrieren