Und dann geht es plötzlich schnell. Am Freitag gibt die Ausgleichskasse des Kantons Bern gegenüber dem Beobachter den Irrtum zu. Am Montag hat Angela Lüthy ihre Ergänzungsleistungen doch noch auf dem Konto. Eine Woche nach Monatsbeginn, aber immerhin.

Die Ausgleichskasse hatte ihr zuvor das Recht auf Ergänzungsleistungen (EL) abgesprochen und per Verfügung die Zahlungen eingestellt. Aber nur wegen eines Fehlers.

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Das Amt hatte fälschlicherweise angenommen, Angela Lüthy habe sich ins Ausland abgesetzt. Tatsächlich war die 54-jährige Bernerin bloss drei Wochen in den Ferien. Mit der Billig-Buslinie Blablacar war sie nach Spanien gefahren – und wieder zurück.

Verhängnisvolle Postkarte

Bevor sie in den Bus stieg, schrieb Angela Lüthy pflichtbewusst der Ausgleichskasse eine Postkarte: «Guten Tag. Gehe ins Ausland. Melde mich bei Rückkehr. Freundliche Grüsse.» Schliesslich verlangt die Berner Ausgleichskasse eine solche Abmeldung bei einem Auslandaufenthalt.

Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz rief Lüthy die Ausgleichskasse an, um sich wieder anzumelden. Sie hat einen Verbindungsnachweis zur Hand, um das zu beweisen.

Telefonische Anmeldung reichte nicht

Der Angestellte der Ausgleichskasse habe gesagt, das sei in Ordnung. «Er sagte mir, ich müsse nichts weiter tun.» Aber offenbar vergass der Angestellte, einen Akteneintrag zu machen.

Und das wäre wichtig gewesen. Denn auch EL-Bezügerinnen und EL-Bezüger dürfen ins Ausland fahren. Einfach nicht länger als 90 Tage. Wenn bis zu diesem Stichtag keine Wiederanmeldung in der Schweiz erfolgt, werden die Zahlungen eingestellt. 

Das Amt verfügte den Zahlungsstopp, ohne zu prüfen, ob seine Auswanderungsthese überhaupt stimmt.

Und deshalb erhielt Lüthy dann plötzlich die Verfügung mit dem Zahlungsstopp, weil sie sich ins Ausland abgesetzt habe. Nur hatte das Amt nicht geprüft, ob seine Auswanderungsthese überhaupt stimmt. Und einfach mal eine Verfügung herausgelassen.

In der Folge stand Lüthy wegen drei Wochen Ferien in Spanien plötzlich ohne EL da. Angela Lüthy heisst eigentlich anders. Sie möchte im Internet aber nicht als arm geoutet werden, weshalb wir sie anonymisieren.

Ungehört im Kampf gegen die Bürokratie

Lüthy versuchte daraufhin wochenlang, der Ausgleichskasse klarzumachen, dass das ein Irrtum sei. Das konnte sie mit Bankauszügen ihrer Debitcard sowie dem Rückfahrbillett ganz einfach beweisen.

«Die Pro Infirmis konnte mir auch nicht helfen, weil die zuständige Sachbearbeiterin der Ausgleichskasse nie erreichbar war.»

Angela Lüthy (Name geändert), EL-Bezügerin

Doch das Amt wollte keinen Fehler zugeben. «Die Pro Infirmis konnte mir auch nicht helfen, weil die zuständige Sachbearbeiterin der Ausgleichskasse nie erreichbar war», sagt Lüthy. «Am Empfang der Ausgleichskasse wimmelte man mich ab und sagte mir, ich solle doch einfach nochmals neu Ergänzungsleistungen beantragen.»

Sogar Gratisanwalt erreicht am Telefon nichts

Ein Gratisanwalt der Berner Rechtsberatungsstelle für Menschen in Not erkannte das Unrecht. «Das ist rechtlich klar unzulässig», schrieb der Anwalt der Ausgleichskasse des Kantons Bern.

«Am Telefon haben sie meinem Anwalt gesagt, dass sie die Verfügung nicht zurücknehmen würden», so Lüthy. Und fügt an: «Der Gratisanwalt macht eigentlich gar keine EL-Fälle. Aber meinen Fall fand er so stossend, dass er mir trotzdem half.»

Amt will keinen Fehler eingestehen

Der Anwalt reichte einen Rekurs gegen die Verfügung ein. Doch dann knickte die Ausgleichskasse des Kantons Bern schon nach der Medienanfrage des Beobachters ein.

Eine Sprecherin rechtfertigt das Vorgehen der Ausgleichskasse. Man habe die Zahlungen an Lüthy gestoppt, um zu verhindern, dass jemand EL erhalte, der seit 90 Tagen im Ausland sei, schreibt sie. Und das hätte man damals angenommen, weil die Kasse zu wenig Informationen über den Verbleib von Frau Lüthy gehabt habe.

Man sehe nun aber aufgrund der eingereichten Unterlagen, dass Lüthy bloss 26 Tage im Ausland gewesen sei. «Die Ergänzungsleistungen können daher wieder ausgerichtet werden.» Per sofort.

Einen Fehler will die Ausgleichskasse nicht eingestehen. Die Sprecherin schreibt nur: «Basierend auf dem vorliegenden Fall werden wir die Optimierung unseres Belegeinforderungsprozesses prüfen.»

Hinweis: Dieser Artikel wurde erstmals am 16. Oktober 2024 veröffentlicht.