So viel verdienen die Schweizer Landwirte wirklich
Der Schweizer Bauernverband fordert höhere Preise für Landwirtschaftsprodukte. Der Beobachter zeigt, wie es im Portemonnaie eines Schweizer Bauernpaars konkret aussieht.
Veröffentlicht am 3. Januar 2025 - 16:28 Uhr
Die wirtschaftliche Lage der bäuerlichen Familienbetriebe ist aus Sicht von Martin Rufer «besorgniserregend». Der Direktor des Schweizer Bauernverbands rechnete an der Jahresmedienkonferenz am Freitag in Kirchberg BE vor, dass eine Schweizer Bauernfamilie durchschnittlich nur 17 Franken pro Stunde verdient.
Drei von vier Franken würden die Betriebe mit dem Verkauf von landwirtschaftlichen Produkten verdienen, sagte er gemäss einer Meldung der Agentur SDA/Keystone weiter. «Faire Preise» seien daher essenziell.
Das Einkommen liegt im Durchschnitt …
Steht es wirklich so schlecht um die finanzielle Lage der Schweizer Landwirte? Die Aussage von Rufer erstaunt auf den ersten Blick. Denn die Bauern bekommen – das ist bekannt – teils hohe Direktzahlungen.
Erst kürzlich gaben Stefan Gubler und seine Frau – die beiden heissen in Wirklichkeit anders – dem Beobachter Einblick in ihr Portemonnaie. Das Paar führt einen Biobauernhof in den Alpen und kommt auf ein Einkommen von 9708 Franken im Monat. Laut Statistik beläuft sich das Bruttoeinkommen eines Schweizer Haushalts mit durchschnittlich zwei Personen auf 9780 Franken (Stand: 2021).
… die Arbeitszeit aber nicht
Die nackten Zahlen zeigen allerdings nur die halbe Wahrheit. «Wir bekommen hohe Direktzahlungen, aber runtergerechnet, ist unser Stundenlohn sehr tief», sagt Stefan Gubler zum Beobachter. «Wir arbeiten beide an 320 Tagen im Jahr, jeweils zehn Stunden. Das ergibt einen Stundenlohn von Fr. 16.50.»
Für das Bauernpaar kommt erschwerend hinzu: Landwirtschaft ist keine exakte Wissenschaft, die Natur bringt Schwankungen mit sich. Mit dem Einkommen müssen gemäss dem Direktor des Bauernverbands deshalb nicht nur die Kosten für Produktionsmittel und Arbeit gedeckt werden. Es müsse auch möglich sein, Reserven für schlechte Jahre anzulegen und Investitionen in die Zukunft zu tätigen. Im Pflanzenbau seien die Preise «klar zu tief», findet Rufer, da klimawandelbedingte Risiken nicht gedeckt werden könnten.
Der Bauernverband stützt sich bei seinen Aussagen auf eine Untersuchung von Agroscope für das Jahr 2023. Dieses war von Wetterextremen geprägt. Wenig Sonne im Sommer und überdurchschnittliche Niederschlagsmengen im Frühling.
Immer mehr Bauern haben Nebenjobs
Auf den ersten Blick mag überraschen, dass in jenem Jahr das Gesamteinkommen pro landwirtschaftlichen Haushalt dennoch um 1,5 Prozent auf 112’200 Franken stieg. Macht sich der Bauernverband also zu Unrecht Sorgen?
Das lässt sich aus den Zahlen nicht ableiten. Denn der Grund für den Anstieg ist dem landwirtschaftlichen Forschungszentrum zufolge, dass das ausserlandwirtschaftliche Einkommen gegenüber dem Vorjahr angestiegen ist.
Gemeint sind damit nicht etwa agrotouristische Angebote, sondern beispielsweise eine Anstellung in einem Handwerksbetrieb. Immer mehr Landwirte haben also ausserhalb des eigenen Hofs gearbeitet, um besser über die Runden zu kommen.
- Medienmitteilung des Schweizer Bauernverbands: «Modell des bäuerlichen Familienbetriebs stärken!»
- Agenturmeldung SDA/Keystone auf Blick.ch: «Der Bauernverband fordert höhere Preise für Landwirtschaftsprodukte»
- Agroscope: «Unterschiedliche Entwicklungen bei den landwirtschaftlichen Einkommen 2023»
- Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA): «Haushaltseinkommen
und -ausgaben»