Frühling 2020, Covid-Pandemie. Die Schweiz unterstützt die Wirtschaft in Rekordzeit. Bankkredite, Kurzarbeits- und Härtefallentschädigungen – insgesamt setzt der Bund mehr als 35 Milliarden Franken ein.

Hoch ist auch der Missbrauch. Ende 2022 wurden zum Beispiel 22 Unternehmen identifiziert, bei denen Missbrauchsverdacht sowohl bei den Härtefallhilfen als auch bei Solidarbürgschaften bestand – und die zugleich Kurzarbeitsentschädigung von 3,4 Millionen Franken erhalten haben.

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Wie ging es da weiter? Die Bundesverwaltung sagt es nicht.

Das Öffentlichkeitsprinzip garantiert das glaubwürdige Funktionieren der Justiz.

In der Schweiz sind die Verhandlungen und Urteile der Strafgerichte öffentlich. Dies ist ein Grundprinzip unserer Demokratie. Diese Öffentlichkeit garantiert die Gleichbehandlung aller sowie das glaubwürdige Funktionieren der Justiz.

Der Zoll will alle Entscheide anonymisieren

Dieser schöne Grundsatz lässt sich jedoch nur mühsam anwenden, sobald es um Verstösse gegen das Verwaltungsrecht geht. Der Zoll macht in Sachen Transparenz sogar einen Schritt zurück. Er hat beschlossen, künftig alle seine Entscheide zu anonymisieren.

Heute würde man also nicht mehr erfahren, dass ein berühmter Kunstsammler Bilder importiert und dabei 27 Millionen Franken Mehrwertsteuer hinterzogen hat. Diese Intransparenz betrifft auch uns Konsumentinnen und Konsumenten. Und zwar ganz konkret.

Lebensmittelvergiftung? Restaurant bleibt geheim

«20 Minuten» berichtete etwa über Lebensmittelvergiftungen in Restaurants. Die betroffenen Lokale sind den Behörden bekannt, aber diese weigern sich, die Namen der Restaurants bekanntzugeben. Pech für die Gäste, die zu Hause krank werden – ohne den Grund für ihr Leiden zu erfahren.

Das könnte sich nun ändern. Derzeit ist eine Revision des Verwaltungsstrafrechts im Gang. Die Vorschläge zur Transparenz sind interessant. So heisst es im Bericht: «Zu den Interessen, die bei der Beurteilung eines Einsichtsgesuchs zu berücksichtigen sind, gehören gesetzlich geschützte Geheimnisse, insbesondere das Steuergeheimnis. Hier ist die Anonymisierung so vorzunehmen, dass die Identität der betroffenen Person in jedem Fall geheim bleibt.»

Das Arztgeheimnis schützt auch nicht die Identität eines Arztes, der seine Patientin missbraucht.

Stellt sich die Frage: Warum sollte man sich in solchen Fällen auf das Steuergeheimnis berufen? Das Arztgeheimnis schützt auch nicht die Identität eines Arztes, der seine Patientin missbraucht. Das Bankgeheimnis schützt nicht die Identität eines Bankräubers. 

Der Urheber eines Steuerbetrugs sollte genauso wenig durch das Steuergeheimnis geschützt werden. Die Geschichte zeigt: Transparenz ist möglich, wenn die Wirtschaft und die Sozialpartner gemeinsame Interessen verfolgen.

Die Bauern machen Druck

Dies macht Hoffnung für die Parlamentsdebatte. So kämpfen die Schweizer Bauern für mehr Transparenz bei der illegalen Einfuhr von Lebensmitteln. Für sie muss eine Metzgerei, die illegal Fleisch importiert, öffentlich vor Gericht gestellt werden.

Auch dafür gibt es ein Vorbild: Die Liste der Unternehmen, die wegen Schwarzarbeit verurteilt wurden, wird von der Bundesverwaltung veröffentlicht. Möglich gemacht hat dies ein politischer Konsens zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften. Bleiben wir also optimistisch!

Zur Person
Michel Huissoud