Die Pandemie hat uns Besseres gelehrt
Aus den Fehlern beim Corona-Management könnte man Lehren für die nächste Krise ziehen, findet Michel Huissoud, Ex-Direktor der Eidgenössischen Finanzkontrolle. Wird das gemacht?
Veröffentlicht am 10. Mai 2024 - 15:27 Uhr
Endlich! Vier Jahre nach der Pandemie ist ein Entwurf zur Revision des Epidemiengesetzes in der Vernehmlassung. Corona hatte die Herausforderungen des Föderalismus im Krisenfall klar aufgezeigt – nun wurden einige Antworten gefunden. Aber leider längst nicht alle.
Sie erinnern sich: Der Bundesrat hat während der Pandemie nie regionale Massnahmen ergriffen, etwa die Schliessung der Grenzen zu Italien, nicht aber zu Deutschland. Oder eine Maskenpflicht nur in der Westschweiz. Die Massnahmen galten immer für die gesamte Schweiz. Oder pro Kanton, wenn die Kantone am Steuer waren. Dabei wäre es wohl wirkungsvoller, wenn das Pandemie-Management auf Geolokalisierungsdaten zurückgreifen könnte. Der Verlauf eines lokalen Ausbruchs wäre dann auf einer Karte sichtbar. Krisenstäbe werden in Zukunft zwar wissen, dass es einen Anstieg der Fälle in Graubünden gibt, aber nicht, ob dies nun Landquart oder Poschiavo betrifft.
«Wer die Krise bewältigen soll. Der Bund? Die Kantone? Beide?»
Michel Huissoud
Typisch Schweiz: Beträfe die Krankheit ein Tier, würde die betroffene Gemeinde in der Tierseuchenmeldung auftauchen. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen ist in solchen Fällen also besser informiert als das Bundesamt für Gesundheit.
Das Alles-oder-nichts-Prinzip praktizieren wir auch bei der Frage, wer die Krise bewältigen soll. Der Bund? Die Kantone? Beide? Die Konferenz der Kantonsregierungen hat es im Dezember 2020 festgehalten: «Für die operationelle Zusammenarbeit zwischen Kantonen und Bund sollte künftig ein einziges, kleineres, paritätisch mit Vertreterinnen und Vertretern beider Staatsebenen besetztes Organ zuständig sein, das eine umfassende und kohärente vertikale Koordination ermöglicht.» Ein Krisenorgan, das den Bund und die Kantone vertritt und extrem schnelle Entscheidungen treffen kann, wenn sie erforderlich sind.
Eine solche ausgezeichnete und revolutionäre Idee wurde auch von den Politologen Adrian Vatter und Rahel Freiburghaus propagiert. Sie haben eine Krisenregierung vorgeschlagen, die paritätisch aus Bundes- und Regierungsräten besteht. Eine ideale Lösung selbst für die sogenannte ausserordentliche Lage. Doch auch dieser Vorschlag wurde im Gesetzesentwurf ignoriert.
Die Gesundheitsdirektoren der 26 Kantone werden weiterhin unter sich tagen und dem Bund bestenfalls einen Gastsitz zugestehen. Sie befinden sich in guter Gesellschaft: Die 26 Energiedirektoren sitzen in ihrer kantonalen Konferenz und bereiten dort die Bewältigung der nächsten Energiekrise vor. Laut ihren Statuten ist das Bundesamt für Energie kein Mitglied.
Wo soll die Schweiz anfangen: Krisenmanagement oder Changemanagement?