Kommentar zu Adoptionsverbot
Es gibt kein Recht auf Kinder
Kirchliche Kreise wehren sich gegen das vom Bundesrat angekündigte Verbot internationaler Adoptionen. Mit zweifelhaften Argumenten.
Veröffentlicht am 3. April 2025 - 06:00 Uhr
Nur mit einem Verbot können Missbräuche bei internationalen Adoptionen nicht verhindert werden, meint Beobachter-Autor Otto Hostettler.
Quelle: KeystoneDer Bundesrat will Adoptionen aus dem Ausland künftig unterbinden. Er folgt damit einer Expertengruppe, die zum Schluss kam, dass auch ein griffiges Adoptionsrecht Missbräuche nicht ausschliessen kann. Ein Verbot sei die beste Möglichkeit, alle Betroffenen ausreichend zu schützen, insbesondere Kinder.
Kaum wurde diese Richtungsänderung bekannt, formierte sich Widerstand. Politiker aus dem kirchlichen und freikirchlichen Umfeld weibeln derzeit gegen das geplante Verbot.
Petition mit 10’000 Unterschriften
An vorderster Front engagieren sich der Zürcher EVP-Nationalrat Nik Gugger, der Walliser FDP-Nationalrat Philippe Nantermod, die beiden Tessiner Nationalräte Giorgio Fonio (Mitte) und Simone Gianini (FDP) sowie der Solothurner Mitte-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt. Sie alle sind in irgendeiner Form persönlich durch das Thema Adoption geprägt. Zusammen mit inzwischen rund 10’000 Gleichgesinnten fordern sie vom Bundesrat in einer Petition, auf das Verbot internationaler Adoptionen zu verzichten.
Man muss die Argumentationskette schon genau lesen, um ihre Haltung zu verstehen. Ihrer Ansicht nach geben Adoptionen «zahlreichen Kindern und Erwachsenen die Möglichkeit, Familien zu gründen», schreiben die Verfechter von internationalen Adoptionen, die kurzerhand einen Verein gründeten.
Im Klartext: Sie beanspruchen für sich das Recht auf eine eigene Familie. Und falls es mit eigenen Kindern nicht klappt, ist eine Adoption aus ihrer Sicht ein legitimer Weg.
Westliche Paare nehmen für sich in Anspruch, «armen» Kindern eine «gute» Zukunft zu bieten.
Diese Betrachtungsweise ist egoistisch und geprägt von kolonialistischem Denken: Hier die wohlhabende Schweiz mit einem Paar, das sich zutiefst ein Kind und eine Familie wünscht. Dort ein armes Land, in dem Kinder kaum genug zu essen haben und der Weg zur Bildung oft Glückssache ist.
Verbunden mit einer religiös motivierten humanitären Tätigkeit konstruieren sich westliche Paare daraus ein Recht auf ein Kind. Sie nehmen für sich in Anspruch, «armen» Kindern eine «gute» Zukunft zu bieten. Das Instrument dazu: die internationale Adoption.
Adoptionen bedeuten auch schmerzhafte Trennungen
Was sie aber verdrängen: Bei jeder Auslandsadoption wird ein Kind aus seinem Kulturkreis herausgerissen. Ganz zu schweigen von der Trennung zwischen Kind und Eltern – denn bei den Adoptierten handelt es sich längst nicht immer um Waisen.
Die allermeisten von einer Adoption betroffenen Personen beschäftigen sich irgendwann mit ihren eigenen Wurzeln. Sie verstehen nicht, weshalb sie von ihren Müttern getrennt wurden. Das Recht auf Kenntnis der eigenen Herkunft steht ihnen sogar gesetzlich zu. In der Praxis aber werden die Betroffenen bei ihrer Herkunftssuche oft alleingelassen.
Nachfrage in Westeuropa generierte Angebot
Die kantonalen Anlaufstellen sind meist überfordert, wenn Papiere fehlen oder gefälscht sind, und oft kennen sie die Situation in den Herkunftsländern kaum. Absurderweise sind es die gleichen Behörden, die vor Jahrzehnten die fragwürdigen Auslandsadoptionen durchgewinkt haben – und heute Betroffene bei der Suche nach ihrer Herkunft unterstützen sollen.
Die Missstände von damals sind inzwischen gut dokumentiert. Eine ganze Reihe von Studien zeigt, wie jahrzehntelang die Nachfrage westeuropäischer Paare in Entwicklungsländern ein fragwürdiges Angebot generierte: Finanziell motivierte Vermittler organisierten Babys, indem sie Geburtsurkunden und Verzichtserklärungen fälschten, Kinder als Waisen ausgaben und gesetzliche Vorgaben ignorierten.
Die Schweizer Behörden wussten von den Machenschaften der Adoptionsvermittler – und reagierten nicht.
Tragisch an diesen Fällen: Die Schweizer Behörden wussten von den Machenschaften der Adoptionsvermittler – und reagierten nicht. Vielmehr bewilligten sie jahrelang Adoptionen aus dem Ausland, obschon gesetzliche Vorgaben nicht erfüllt waren.
Wenn der Bundesrat nun internationale Adoptionen verbieten will, ist es das ehrliche Eingeständnis, dass Missbräuche anders nicht verhindert werden können. Dazu gehört auch die Einsicht, dass es kein Recht auf Kinder gibt.
3 Kommentare
Die Frage sei erlaubt, ob vielleicht (Waisen)Kinder ein Recht auf Familie haben. Missbrauch hat keinen Platz! Adoption muss in diesem Sinne streng überwacht und kontrolliert sein.
Ich hoffe, dass der Beobachter wenigstens bei seiner Meinung bleibt "Es gibt kein Recht auf Kinder", wenn das Anliegen von gleichgeschlechtlichen Paaren vorgebracht wird. Diese wollen ja oft auch ein Recht auf Kinder. Dieses "Recht" über die Köpfe der Kinder hinweg soll es nicht geben, auch wenn dann schnell von Diskriminierung dieser Paare gesprochen wird.
Peter Studler
Vom Beobachter hätte ich mir gewünscht ein so komplexes Thema etwas tiefer zu analysieren bevor ein solcher Artikel veröffentlicht wird. Ja, in der Vergangenheit (besonders 70-90er Jahre) hat die Schweiz viele Fehler bei internationaler Adoption gemacht, insbesondere bei illegalen Machenschaften weggeschaut. Es wurde vielen Menschen massiv Unrecht getan.
Aber dieser Artikel fokussiert sich auf eine Zeit die zum Glück vorbei ist. Die Rechtslage hat sich mit der Haager Übereinkunft massiv verändert und auch die Vorbereitung, Begleitung und Überprüfung von Adoptiveltern hat sich verändert. Wenn heute jemand ein Kind adoptieren möchte wird es genauestens überprüft, sowohl rechtlich als auch seine Absichten werden genauestens Besprochen bevor eine Bewilligung vergeben wird.
Und das Argument dass die Kinder ihrer Kultur entrissen werden scheint den Gegnern der internationalen Adoption auch immer ein Totschlagargument zu dienen. Da stellt sich mir die Frage was ist höher zu gewichten? Die Vermittlung der Kultur in einem Kinderheim in dem das Kind wenn es Glück hat bis zum 16. oder 18. Lebensjahr leben kann und dann auch sich selbst gestellt ist, oder die Vermittlung von zwei Kulturen durch liebevolle Eltern die aus einer kommen und die des Kindes studieren um dem Kind den Zugang so gut wie möglich zu sichern? Auch das ist ein Punkt der sich sicherlich verändert hat. In den 70/80er Jahren wurde den Eltern nahegelegt sowenig wie möglich über die Adoption zu sprechen (dies übrigens auch bei CH Adoptionen bei denen man die Herkunft des Kindes gleich ganz verschweigen sollte), die Kinder in der Schweizer Kultur aufzuziehen, wenn möglich sogar einen neuen Vornamen zu geben. Heute weiss man das zum Glück besser und begleitet die Kinder im Wissen und der Achtung der Herkunft und viele Eltern helfen ihren Kindern bei der Suche nach ihren biologischen Eltern, wenn die Kinder das möchten.
Herr Hofstetter, ihr Artikel fühlt sich für mich ungefähr so an, als wären Sie gegen Pflegefamilien, weil wir in der Vergangenheit eine grausame Geschichte mit Verdingkindern gehabt haben.
Jetzt etwas zu verbieten, weil wir in der Vergangenheit massive Fehler gemacht haben ist der falsche Weg! Wir müssen die Verantwortung für die Vergangenheit übernehmen und aus unseren Fehlern lernen!
Vielen Dank für Ihren Kommentar, Hr. Solari. Sie sprechen mir aus dem Herzen.
Wir haben in unserem Umfeld mehrere Familien, die in den letzten 35 Jahren Kinder aus Kinderheimen adoptiert haben. Es ging diesen „Kindern“, die jetzt erwachsen sind und bereits wieder Familien gegründet haben, gut. Sie sind bestens integriert und dankbar, auch wenn die meisten natürlich ihre Wurzeln gesucht und meistens gefunden haben. Die einen haben ihre zweite Heimat in ihre Geschichte integriert und die anderen waren zwar froh, ihre Herkunft zu erkunden, haben sich dann aber entschieden, dass sie hier ihre Wurzeln eingraben wollen.
Und ja, es ist sicher viel Unrecht passiert, da müssen wir alles daran setzen, um das zu verhindern. Aber deswegen das Kind mit dem Bade ausschütten?