Der Bundesrat will künftig Adoptionen aus dem Ausland nicht mehr zulassen. Dazu soll das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) dem Parlament bis Ende 2026 eine entsprechende Gesetzesänderung vorlegen. «Nur so können wir Missbräuche künftig verhindern», sagte Bundesrat Beat Jans (SP) vor den Medien.

Eine tiefgreifende Reform des internationalen Adoptionswesens sieht Jans nicht als zielführend. «Trotz grossem Aufwand könnten Missbräuche bei künftigen internationalen Adoptionen nicht ausgeschlossen werden.» 

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Eigentlich eine gute Nachricht

Das ist eine gute Nachricht: Endlich macht sich die Schweiz daran, einen zeitgemässen Umgang mit diesem ethisch heiklen Thema zu finden. Es war immer ein Dilemma: Zum einen erfüllen sich kinderlose Paare mit einer Adoption ihren Kinderwunsch. Zugleich handeln sie auf den ersten Blick auch noch humanitär, weil sie einem Kind aus einem «armen» Land hier eine Zukunftsperspektive bieten.

Heute werden jährlich noch rund 30 Kinder in die Schweiz vermittelt, die überwiegende Mehrzahl stammt aus Südamerika, Asien und Osteuropa. Jahrzehntelang waren es jeweils Hunderte Babys, die so in die Schweiz kamen.

Adoptivkinder dürfen wissen, wer ihre leiblichen Eltern sind

Die Kinder aber fragte niemand. Wie auch? Sie sind zum Zeitpunkt der Adoption in den meisten Fällen Babys. Irgendwann später im Leben werden sie aber Fragen zu ihrer Herkunft stellen – zu Recht. Adoptivkinder haben sogar einen gesetzlichen Anspruch, die Identität ihrer leiblichen Eltern zu erfahren.

Doch bei Adoptionen aus dem Ausland können Behörden diese Fragen heute nur in Einzelfällen beantworten. Weil sie nämlich über Jahrzehnte hinweg ihre Pflichten nicht wahrgenommen haben. Mehrere Studien zu Adoptionen aus Sri Lanka, Indien und anderen Ländern belegen, wie Schweizer Behörden jahrzehntelang eine schier unglaubliche Haltung an den Tag legten.

Es gab eigentliche «Babyfarmen», und es etablierte sich ein Menschenhandel.

Im Fall von Indien wurde klar, dass in der Schweiz systematisch gesetzliche Anforderungen missachtet wurden. Die zuständigen Vormundschaftsbehörden winkten Adoptionen auch dann durch, wenn die Einwilligung der leiblichen Mutter fehlte. 

Bei Adoptionen aus Sri Lanka ist zudem dokumentiert, dass Frauen die Einverständniserklärungen unterzeichneten, die gar nicht die tatsächlichen Mütter waren. Sie wurden aber dafür bezahlt – als sogenannte acting mothers. Es gab eigentliche «Babyfarmen», und es etablierte sich ein Menschenhandel. Tragisch daran: Der Bundesrat hatte damals über diplomatische Kanäle Kenntnis davon und unternahm nichts.

In der Schweiz leben mehrere Tausend Personen, bei deren Adoption es zu «Unregelmässigkeiten» kam.

Was in diesem Zusammenhang gern vergessen geht: Zu diesem internationalen Adoptionshandel kam es letztlich aufgrund der hohen Nachfrage nach Kindern bei gut situierten kinderlosen Paaren in westlichen Ländern. Was die Trennung bei den Kindern und ihren Herkunftsfamilien auslöste, interessierte offensichtlich wenig.

Offiziell geht man heute davon aus, dass in der Schweiz mehrere Tausend Personen leben, die zwischen 1970 und dem Jahr 2000 in der Schweiz adoptiert wurden und von «Unregelmässigkeiten» betroffen sind. Eine unbekannte Anzahl Betroffener sucht bis heute nach ihren leiblichen Eltern. Sie suchen damit auch ihre eigene Identität – und leiden teils unter gravierenden psychischen Problemen.

Wie soll die Suche nach leiblichen Eltern funktionieren?

Damit sind wir beim Punkt: Der Bundesrat vergisst mit der neuen Regelung die Betroffenen. Ein Pilotprojekt von Bund und Kantonen, das die Herkunftssuche des Vereins «Back to the Roots» in Sri Lanka finanziell unterstützt, läuft Ende Jahr aus. Alle Seiten bewerten den Versuch positiv. Doch was mit den Menschen passiert, die noch immer auf der Suche nach ihren leiblichen Eltern sind, ist unklar. 

Unklar ist auch, wie die Herkunftssuche in anderen Ländern funktionieren soll. Bundesrat Beat Jans verweist dabei auf die Rolle der Kantone. Doch diese haben weder die Ressourcen noch das Know-how, Betroffenen wirksam bei der Suche ihrer Eltern zu helfen. 

Wenn es dem Bundesrat ernst ist mit der neuen Adoptionsregelung, muss er sich – neben dem Moratorium für internationale Adoptionen – gleichzeitig für die Betroffenen engagieren. Dazu braucht es aber mehr als blosse Absichtserklärungen. Nötig sind finanzielle Ressourcen, um die Herkunftssuche auch tatsächlich zu gewährleisten. Die Schweiz ist es diesen Personen schuldig.