Kennen Sie das? Wenn sich in Ihrem Inneren eine Erkenntnis wie ein Lichtstrahl durch das Dickicht Ihres Bewusstseins bahnt und Sie mit jeder Faser Ihres Körpers spüren: «So ist es!»?

So ging es mir vor kurzem, als ich wieder einmal feststellte, dass man Dinge erst dann richtig zu schätzen lernt, wenn sie einem abhandengekommen sind. So ist es mit der Gesundheit, mit dem Wasserdruck in der Dusche, mit dem Milchschäumer.

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«Was hat mich bloss zu dieser ängstlichen Person gemacht?»

Lisa Christ

Ich verbrachte den Februar zu einem Grossteil auf einer Insel im Atlantik, die ich zuvor noch nie besucht hatte. Alles hier war mir am Anfang fremd, und ich vermisste sofort schmerzlich den Komfort meines Zuhauses. Das wohlige Alltagsleben, in dem so vieles reibungslos funktioniert, in dem ich das Strassen- und Bahnnetz kenne, eine Landessprache spreche und im Supermarkt diejenigen Produkte, die mein Verdauungssystem verträgt, von denen zu unterscheiden weiss, die mich in die Verdammnis führen.

Nun frage ich mich, ob dieses neue Unbehagen in ungewohnten Umgebungen ein normaler Effekt des Älterwerdens ist. Oder ob ich mir Sorgen machen muss, dass mein Bünzlitum in den kommenden Jahren unaufhörlich weiter zunehmen wird. Was hat mich bloss zu dieser ängstlichen, unsicheren Person gemacht, die fürchtet, das Falsche zu tun und zu sagen? Die von Panik heimgesucht wird und sich am liebsten unter der Bettdecke verstecken würde, bis alles vorbei ist?

Durstig und furchtlos sein?

War es vielleicht meine letzte Trennung? Long Covid? Die Lage der Weltpolitik? Der Rechtsrutsch? Oder ist es am Ende Charaktereigenheit, die ich mir früher nicht eingestanden habe, weil man als junger Mensch durstig zu sein hat und furchtlos?

Wahrscheinlich ein wenig von allem. Denn am meisten fehlt mir, sowohl zu Hause als auch auf der Insel, mein Sicherheitsgefühl. Mein Grundvertrauen, das – wie bei so vielen – durch die Krisen und Herausforderungen der letzten Jahre erschüttert wurde. Mir fehlt die Zeit, in der ich keine Angst hatte. In der ich zwar einen Milchschäumer vermissen mochte, aber nicht die Gewissheit, dass alles gut kommt.

Das Vertrauen zurückholen

Ich habe mir vorgenommen, mir mein Vertrauen ins Leben zurückzuholen. Stück für Stück. Gegen jede Push-Mitteilung und mit jeder Erfahrung, die ich er- und überlebe.

Im Februar habe ich gelernt, dass ich selbst nach den schlimmsten Panikattacken wieder lachen kann, dass man sich auch an feuchte Ferienwohnungen gewöhnt und dass einem zwar immer irgendwas fehlt – sei es der Komfort in den Ferien oder die süssen, sonnengeküssten Früchte zu Hause  –, aber trotzdem immer etwas da ist, woran man sich festhalten kann. Darauf gilt es, sich zu konzentrieren.

Zur Person
Lisa Christ