Kontrolle mit Maulkorb
Die Eidgenössische Finanzkontrolle soll genau hinschauen. Nur: Wenn sie einen Fehler findet, darf sie nicht darauf hinweisen. Grotesk, findet unser Autor.
Veröffentlicht am 14. Juni 2024 - 15:59 Uhr
Vermutlich hat die Pharmaindustrie die Initiative für eine Kostenbremse im Gesundheitswesen bekämpft. Sind solche Spenden transparent verbucht worden? Die Antwort darauf findet sich in Bern an der Monbijoustrasse 45. Dort hat die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) ihren Sitz.
Und die ist vom Bundesrat aufgefordert, die Einhaltung der Regeln zur Finanzierung des politischen Lebens zu überprüfen. Aber Achtung! Was nicht verlangt wird, ist, dass die EFK die Ergebnisse ihrer Kontrollen auch veröffentlicht. Ob eine Finanzierung eventuell falsch oder gar nicht erfasst worden ist, erfahren wir also nicht.
Bundesamt für Justiz ist akrobatisch unterwegs
Ein kurzer Blick zurück. Am 10. Oktober 2017 reicht eine sympathische und bunte Allianz die Transparenzinitiative ein. Der Bundesrat wischt das Ansinnen vom Tisch: zu kompliziert, zu kostspielig.
Aber dann werden 2018 die kantonalen Transparenzinitiativen angenommen – in Freiburg und in Schwyz. Die Bundespolitik bekommt es mit der Angst zu tun, das Parlament arbeitet einen Gegenvorschlag aus, der nach langen Diskussionen angenommen wird.
Die Initiantinnen ziehen 2021 ihre Initiative zugunsten des Gegenvorschlags zurück. Wichtiges Detail: Sie taten das ohne Kenntnis der akrobatischen Position des Bundesamts für Justiz.
Fehler müssen veröffentlicht werden, sagt ein Gutachter
Denn was passierte daraufhin? Wie erwähnt, schreibt das Gesetz vor, dass die zuständige Behörde (eben die EFK) kontrolliert, ob die politischen Akteure alle Informationen und Dokumente zur Verfügung gestellt haben. Die EFK veröffentlicht diese auf ihrer Website. Zudem legt die Verordnung fest, dass die EFK die Unterlagen mit Sachinformationen und Statistiken ergänzen kann. So weit kein Problem.
Allerdings: Der Verordnung ist ein «erläuternder Bericht» des Bundesamts für Justiz beigefügt. Nun muss man sich festhalten. Die Kontrolle der EFK beschränke sich darauf, so das Bundesamt, die Dokumente zu prüfen und zu entscheiden, ob eine Strafanzeige eingereicht werden soll. Der Gesetzgeber habe sich bewusst gegen ein Konzept ausgesprochen, das es der EFK erlaube, auf möglicherweise unkorrekte Informationen hinzuweisen.
Die EFK hat deshalb bei Markus Müller von der Uni Bern ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Es wurde im Februar 2022 veröffentlicht. Es besagt klar: «Soweit eine Kontrolle Hinweise auf Ungereimtheiten betreffend Korrektheit oder Vollständigkeit der eingereichten Daten zutage fördert, ist die zuständige Behörde gehalten, die Öffentlichkeit im Rahmen der Publikation in geeigneter Form darüber ins Bild zu setzen.»
Transparenz sieht definitiv anders aus.
Die EFK folgte der Meinung des Bundesamts für Justiz und publizierte 2024 nur die Liste der durchgeführten Kontrollen, nicht aber die entsprechenden Berichte. Wir wissen also, dass Kontrollen stattgefunden haben, aber nicht, ob die EFK Fehler entdeckt hat: Vielleicht ist die veröffentlichte Spendenliste falsch – vielleicht nicht. Transparenz sieht definitiv anders aus.
Es wurden deshalb Anträge auf Zugang zu diesen Dokumenten aufgrund des Öffentlichkeitsgesetzes gestellt. Falls nötig, wird dieses Begehren bis nach Strassburg verteidigt. Weil unsere Demokratie es wert ist.
1 Kommentar
Ich glaube wirklich, die Schweiz ist eine Bananenrepublik, Demokratie sieht definitiv anders aus! Und das bezieht sich nicht nur auf dieses Thema hier…..durchwegs undurchsichtig!