Abschied nehmen fiel mir nie leicht. Als Kind war mir tagelang schwer ums Herz, wenn in den Sommerferien der Moment näherrückte, in dem wir uns von den Grosseltern in Pristina verabschieden mussten. Wegen der damaligen politischen Lage fühlte sich jedes «Auf Wiedersehen» an wie ein «Leb wohl».

Nicht nur uns machte das zu schaffen, sondern auch unseren Verwandten in der Heimat. Meine Grossmutter sagte jeweils: «Ihr verlasst das Haus, aber nicht das Herz.»

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Auch als ich älter wurde, hatte ich Mühe mit Trennungen: Der Auszug aus dem Elternhaus war ein schwerer Schritt, obwohl ich diese Unabhängigkeit und Freiheit angestrebt hatte.

Als ich nach über einem Jahrzehnt in einer Schweizer Bank meinen Job wechselte, vergoss ich bittere Tränen – obwohl sich mir dadurch die Möglichkeit bot, einen Lebenstraum zu erfüllen. Auch Freundschaften und Beziehungen, in denen man sich auseinandergelebt hatte, trauerte ich noch lange nach.

Als ich einmal mehr meinen Blick auf das Vergangene richtete, statt meine Freude an Neuem zu geniessen, gab mir eine Psychologin einen Rat: Berühmte letzte Worte zu lesen, könne mir helfen, herauszufinden, was genau mich an Abschieden so schwermütig machte. Also durchforstete ich Foren und Literatur und notierte mir die folgenden, wegweisenden letzten Worte.

Churchill sagte trocken: «Alles langweilt mich.» Buddha sprach: «Alles Geschaffene ist vergänglich. Strebt weiter, bemüht euch, unablässig achtsam zu sein.» Und Henry Ward Beecher meinte: «Jetzt kommt das Geheimnis.»

Tatsächlich war nichts vergleichbar mit dem, was nach dem Abschied kam. Das Wiedersehen mit der Familie im nächsten Jahr und die Freude über einen weiteren gemeinsamen Sommer. Die Aufregung über neue Herausforderungen und die Chance, mich zu entfalten. Neue Menschen, die mich auf meinem Lebensweg begleiteten.

Ein albanisches Sprichwort besagt: «Abschied ist der einzige Weg, Raum für das Unerwartete zu schaffen.» Heute weiss ich, dass der Abschied die Voraussetzung dafür ist, dass wir uns weiterentwickeln.

Es war mir eine Ehre und grosse Freude, in diesem Jahr mit Ihnen diese Geschichten und Gedanken in der Kolumne zu teilen. Ich hoffe, dass viele neue, spannende und berührende Texte an dieser Stelle auf Sie warten. Ich wünsche Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, alles erdenklich Gute – und ein Jahr voller Raum für Unerwartetes.
 

Zur Person
Shqipe Sylejmani