Ausgerechnet als im Sommer 2023 Forscherinnen der Uni Zürich die sexuellen Missbräuche durch katholische Würdenträger untersuchten, warf ein anderer Fall hohe Wellen. Der Priester Nicolas Betticher beschwerte sich in Rom über das Verhalten von Schweizer Bischöfen im Umgang mit sexuellen Übergriffen.

Konkret warf Betticher, einst Kadermann im Bistum Lausanne, Genf und Freiburg, sechs Bischöfen aktive Vertuschung vor. Vier der sechs angeschuldigten Bischöfe sind als Mitglieder der Bischofskonferenz bis heute im Amt. 

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Jetzt kommt das im Vatikan zuständige Dikasterium für die Bischöfe zum Schluss, es lägen «keine Hinweise auf strafbare Vergehen, Vertuschung, Nachlässigkeit oder Fehler» vor, welche die Einleitung eines kirchenrechtlichen Strafverfahrens erforderlich machen würden.

«Aufgrund dieser formalen Irregularitäten erteilte das Dikasterium für die Bischöfe kanonische Rügen.»

Bischofskonferenz

Gemäss einer Mitteilung der Bischofskonferenz bezeichnet Rom das Verhalten der Schweizer Bischöfe dennoch als «nicht korrekt». Zudem seien die kirchenrechtlichen Verfahren «nicht ordnungsgemäss befolgt» worden. Die Bischofskonferenz schreibt: «Aufgrund dieser formalen Irregularitäten erteilte das Dikasterium für die Bischöfe kanonische Rügen.»

Keine juristischen Folgen

Juristisch haben die fraglichen Würdenträger nichts zu befürchten. Rom teilt den Schweizer Bischöfen lediglich einen frommen Wunsch mit: Sie müssten künftig «aufmerksamer agieren», die gemeldeten Missbrauchsfälle «mit grösster Sorgfalt und Fachkenntnis behandeln» und dabei alle geltenden Normen des Ermittlungsverfahrens «strikt einhalten». 

Bei seiner Beurteilung stützt sich das Gremium des Papstes auf eine Voruntersuchung, die es dem Churer Bischof Joseph Bonnemain übertrug. Dieser wiederum zog für seine Abklärungen den Neuenburger Kantonsrichter Pierre Cornu und die Strafrechtsprofessorin Brigitte Tag bei.

Die Voruntersuchung beinhaltete persönliche Gespräche, Befragungen sowie die Analyse von Archivdokumenten. Anfang Jahr lieferte Bischof Bonnemain die Untersuchungsergebnisse in Rom ab.

Mehrfach sollen sich Missbrauchsopfer direkt an Bischöfe gewandt haben. Diese hätten jedoch nichts unternommen.

Die Vorwürfe an die Bischöfe waren weitreichend. Mehrfach sollen sich Missbrauchsopfer direkt an Bischöfe gewandt haben. Diese hätten jedoch nichts unternommen oder erst Jahre später reagiert. Andere Bischöfe seien über Missbrauchsfälle im Bild gewesen und trotzdem nicht eingeschritten.

Das kanonische Recht der katholischen Kirche sieht im Fall von sexuellen Übergriffen schon seit 20 Jahren eine Meldepflicht vor.

Nicht die erste Rüge aus Rom

Nicht Teil dieser Untersuchung war der Fall von Bischof Felix Gmür. Der Basler Bischof meldete einen Missbrauchsfall dem zuständigen Gremium in Rom erst, als der Beobachter im Sommer 2023 dazu recherchierte. Später wurde Gmür vom Dikasterium für die Bischöfe «ermahnt», weil er dem mutmasslichen Täter die gesamten Unterlagen des Falls zugestellt hatte. Darunter waren auch die persönlichen Tagebuchnotizen des Opfers aus der Zeit des Missbrauchs.

Rom rügte Gmür auch, weil er seiner Meldepflicht erst spät nachgekommen war. Juristisch blieb der Fall für Bischof Gmür folgenlos.

Hier finden Missbrauchsopfer Hilfe

Sind Sie von einem sexuellen Übergriff durch katholische Geistliche betroffen? Der Beobachter unterstützt Sie beim Einreichen eines Gesuchs für eine finanzielle Genugtuung und bei der Vermittlung an eine Opferhilfestelle. Weitere Informationen finden Sie hier.