Notfallpraxen und Permanencen dürfen keine zusätzlichen Gebühren mehr für abendliche medizinische Behandlungen verrechnen. Das hat das Bundesgericht entschieden. Ausnahme: Die Konsultation findet ausserhalb der regulären Öffnungszeiten statt.

Pauschale nicht für Notfallpraxen gedacht

Wie das Portal «Medinside» berichtet, hat der City-Notfall in Bern normale Sprechstunden bis 19 Uhr angeboten. Behandlungen, die danach stattfanden, wurden auf der Website als «notfallmässige Termine» eingestuft – dafür wurden Pauschalen von rund 40 Franken verrechnet.

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Die Krankenkassen gingen dagegen vor. Ihre Begründung: «Anders als beispielsweise beim Hausarzt, der beim Abendessen sitzt und plötzlich ausrücken muss, sind Konsultationen in Walk-in-Praxen auch am Abend und an den Wochenenden Teil des regulären Betriebs.» Das Schiedsgericht Bern gab den Krankenkassen recht.

Unterschiedliche Urteile in Zürich und Bern: Krankenkassen gingen vor Bundesgericht.

Ähnlich handhabte es auch eine Permanence am Bahnhof Winterthur. Bis 17.30 Uhr arbeitete sie als Hausarztpraxis. Danach bot sie sich als Notfallpraxis an und machte auf ihrer Website auf die entsprechenden Mehrkosten aufmerksam.

Auch dagegen gingen mehrere Krankenkassen vor, jedoch ohne Erfolg vor dem Schiedsgericht in Zürich.

Die Tarifsuisse – ein Tochterunternehmen von Santésuisse, dem Branchenverband für Krankenversicherer – zog gegen das Zürcher Urteil vor Bundesgericht, das nun zugunsten der Krankenkassen urteilte.

Entscheid gilt rückwirkend für fünf Jahre

Laut Bundesgericht gelten Behandlungen während der veröffentlichten Öffnungszeiten als regulär, auch wenn diese abends oder am Wochenende stattfinden.

Das Gericht betonte, dass die sogenannte Notfall-Inkonvenienzpauschale für Hausärzte gedacht sei, die ausserhalb der Praxiszeiten arbeiten und zum Beispiel ausrücken müssen. Jedoch nicht für Praxen, die regulär bis spät in den Abend geöffnet haben.

Praxen müssen jetzt Millionenbeträge zurückzahlen.

Der Entscheid gilt per sofort und rückwirkend auf bis zu fünf Jahre. Für Notfall- und Permanence-Praxen bedeutet dies, dass sie den Krankenkassen Beträge in Millionenhöhe zurückbezahlen müssen.

Patienten sollen Rechnungen aktiv prüfen

«Für Patientinnen und Patienten hat dies kaum finanzielle Auswirkungen. Und wenn, dann positive», so Matthias Müller, Mediensprecher von Santésuisse, zum Beobachter.

Damit Personen, denen die Pauschale fälschlicherweise verrechnet wurde, ihr Geld zurückbekommen, müssen sie die Rechnungen aktiv prüfen und dies dann bei der Krankenkasse melden.
Sollte die Rechnung zu hoch ausgefallen sein, kann dies direkt bei der Ärztin gemeldet werden. Der Haken: Viele haben die Rechnungen von vor fünf Jahren möglicherweise nicht mehr.

Auf Rechnungen ist die Dringlichkeits-Pauschale unter Ziffer 00.2505 zu finden.

Dasselbe gilt auch für künftige Rechnungen. Zwar gehe Santésuisse davon aus, dass die Notfallpraxen den Bundesgerichtsentscheid umsetzen. Betroffene können jedoch ihre Rechnungen kritisch prüfen; konkret geht es um die Tarifposition mit der Ziffer 00.2505 (Dringlichkeits-Inkonvenienz).

Ob eine Pauschale rechtmässig ist, ergibt sich allerdings aus den jeweiligen Umständen. Heisst: Der Fall kann von einer Ärztin auch als dringlich interpretiert und mit einer entsprechenden Zusatzpauschale verrechnet werden.

Keine Pauschale innerhalb normaler Öffnungszeiten

Als Tipp für die Zukunft gilt also: Äussern Sie anlässlich einer Konsultation explizit, dass Sie den eigenen Fall nicht als dringlich einstufen.

Entscheidend dafür ist der Zeitpunkt der Visite: «Findet die Konsultation innerhalb der normalen Öffnungszeiten eines Praxisbetriebs statt, gibt es keinen Grund, eine Dringlichkeit in Rechnung zu stellen», so Müller.