Sie sind nicht machtlos gegen Gewalt
Was kann man tun, wenn man betroffen ist oder davon weiss? Auch wenn der Täter der eigene Partner ist: Es ist immer besser, Hilfe zu holen.
Veröffentlicht am 3. November 2021 - 08:00 Uhr
Alle zwei Wochen stirbt in der Schweiz jemand durch häusliche Gewalt, rund 20'000 Delikte werden jährlich registriert. Betroffene haben Angst: Schlägt er wieder zu? Wird er mich umbringen? Geht er beim nächsten Mal auf die Kinder los? Gemäss Statistik sind die Opfer in über 70 Prozent der Fälle Frauen. Doch häusliche Gewalt betrifft auch Männer , Jugendliche und Kinder.
Die Folgen der Corona-Pandemie haben den Stress zu Hause noch verstärkt: wirtschaftliche Not, eingeschränkte Mobilität, Arbeit im Homeoffice, grösseres Suchtrisiko – alles Faktoren, die auch häusliche Gewalt begünstigen.
Meist geht es um Gewalt innerhalb der Familie und des Haushalts. Aber auch in aufgelösten Beziehungen ohne gemeinsamen Haushalt kann sie vorkommen. Psychische Gewalt zählt genauso dazu wie etwa Stalking durch einen Ex-Partner, Misshandlungen durch pflegende Angehörige, Vergewaltigung in der Ehe oder körperliche Gewalt von Eltern gegen Kinder und umgekehrt.
Wer von Gewalt, Drohungen oder Stalking betroffen ist, kann verlangen, dass die gewaltausübende Person sich nicht mehr annähern darf oder sich nicht in einem bestimmten Umkreis der Wohnung oder an bestimmten Orten aufhalten darf. Es kann ihr verboten werden, das Opfer zu kontaktieren oder es in anderer Weise zu belästigen. Bei gemeinsamem Haushalt kann die verletzende Person für eine bestimmte Zeit aus der Wohnung ausgewiesen werden.
Wer Gewalt anwendet, macht sich strafbar. Unter Strafe gestellt sind etwa Körperverletzung, Tätlichkeit, Drohung, Nötigung, sexuelle Nötigung und Vergewaltigung. «Den meisten Betroffenen geht es allerdings nicht um eine strafrechtliche Verfolgung», sagt Jessica Wolf, Sozialarbeiterin bei der Opferberatung Zürich. «Die Opfer wollen vielmehr, dass die Gewalt aufhört.»
Sie sollten sich an eine spezialisierte Beratungsstelle wenden. Die im Kanton zuständigen Anlaufstellen finden sich auf der Website der Opferhilfe Schweiz. In akuten Situationen sollte man unter der Nummer 117 die Polizei kontaktieren . «Bei einer konkreten Gefahr ruft man die Polizei besser einmal zu viel als zu wenig», rät Jessica Wolf. «Niemand soll in der Gefahrensituation ausharren, sondern man soll sich möglichst rasch daraus entfernen.»
Zunächst einmal indem die spezialisierten Beraterinnen und Berater zuhören und Betroffene unterstützen, das Geschehene zu verarbeiten. Die Beratung ist vertraulich und auf Wunsch anonym. Das Angebot ist kostenlos und steht unabhängig von einer allfälligen Strafanzeige zur Verfügung.
Im Gespräch geht es zunächst um eine erste Auslegeordnung, die mögliche Wege aus der Gewalt aufzeigt – sei es durch eine Trennung oder durch eine Paartherapie. Beratungsstellen können weitere Hilfe vermitteln, etwa für psychologische, medizinische oder anwaltliche Unterstützung. Zudem helfen sie bei der Suche nach einem geschützten Ort wie etwa einem Frauenhaus .
Schauen Sie nicht weg! Suchen Sie das Gespräch mit der betroffenen Person und bieten Sie Unterstützung an. Haben Sie Geduld und Verständnis für die meist komplizierte Situation. Ermutigen Sie die betroffene Person, sich beraten zu lassen und Hilfe zu holen. Als angehörige oder nahestehende Person können Sie sich auch selbst direkt an die Opferberatung wenden. In akuten Fällen: Holen Sie die Polizei.
Lassen Sie sich helfen. In allen Kantonen gibt es Beratungsangebote und Lernprogramme für Männer, Frauen und Jugendliche, die Gewalt ausüben. Wer sich dort meldet, wird darin unterstützt, Konflikte gewaltfrei zu lösen. Der Fachverband Gewaltberatung Schweiz führt eine Adressliste mit den Beratungsstellen.
Zu häuslicher Gewalt kommt es oft im Zusammenhang mit Alkohol oder anderen Suchtmitteln. Der Fachverband Sucht informiert ebenfalls über Beratungs- und Therapieangebote.
Opfer von häuslicher Gewalt und Stalking sind besser geschützt, seit auf den 1. Juli 2020 Änderungen im Zivil- und Strafrecht in Kraft getreten sind. Die wichtigsten:
- Die Strafbehörde und nicht mehr das Opfer entscheidet, ob ein Verfahren eingestellt wird. So lässt sich vermeiden, dass das Gewaltopfer unter dem Druck des Täters entscheidet. Die Strafbehörde berücksichtigt alle Umstände, auch die Wünsche des Opfers .
- Um Rayon- oder Kontaktverbote besser zu überwachen, kann angeordnet werden, dass die Person, die potenziell Gewalt ausübt, ein elektronisches Armband oder eine Fussfessel tragen muss. So kann ihr Aufenthaltsort fortlaufend aufgezeichnet werden. Diese Regel tritt am 1. Januar 2022 in Kraft.
- Wer als Opfer zivilrechtlich gegen Gewalt, Drohungen oder Stalking vorgeht, muss keine Gerichtskosten mehr tragen.
- Das Gericht teilt angeordnete Schutzmassnahmen künftig anderen involvierten Behörden mit, etwa der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde – soweit das zum Schutz des Opfers nötig ist.
Wer Opfer einer Straftat geworden ist, hat ein Recht auf Opferhilfe. Doch was heisst das konkret und wohin können sich Betroffene wenden? Erfahren Sie als Beobachter-Mitglied unter anderem, welche Schutzmassnahmen Ihnen bei einem Verfahren zustehen und welche Bedingungen für eine finanzielle Entschädigung erfüllt sein müssen.
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2 Kommentare
Solange der Schweizer Staat, die Justiz nicht endlich für rigide klare Gesetze gegen GEWALT jeglicher Art und Abart erlässt, solange wird die "Kuscheljustiz" sich prioritär "human" gegenüber den Tätern verhalten!
Die überlebenden - lebenslang traumatisierten - OPFER, werden ganz klar vernachlässigt, nicht ernst genug genommen, von Rechts wegen!
"Häusliche Gewalt, sexueller Missbrauch" - "Hilfe" holen....
Noch immer werden die Täter von Rechts und Staates wegen in der Schweiz "verhätschelt"!
Die überlebenden "OPFER" sind lebenslang traumatisiert...!!
2022 - Gerechtigkeit für OPFER, Sicherheit vor Wiederholungstaten und weiteren Opfern von Gewalttaten jeglicher Art, Abart, in der Schweiz?
Opferhilfe, bedeutet ganzheitliche Hilfe, Sicherheit der Opfer vor den Tätern = KEINE Möglichkeit für Wiederholungstaten!