Erben vom reichen Onkel – jetzt per Post
Einst kam die Botschaft über den verstorbenen reichen Onkel per E-Mail und war leicht als Falle erkennbar. Jetzt verunsichern Betrüger, weil die Schreiben per Briefpost kommen.
Veröffentlicht am 19. Oktober 2024 - 07:00 Uhr
In Kanada sterben scheinbar gerade auffallend viele Leute mit Verwandten in der Schweiz. Gleich mehrfach melden sich derzeit Leserinnen und Leser beim Beobachter und berichten von der gleichen Geschichte: Ein Anwalt schreibt, einer seiner Kunden sei gestorben, und er suche nun in der Schweiz nach Verwandten und möglichen Erben.
Was irritiert: Die Nachricht erreicht die angeblichen Verwandten in der Schweiz per Briefpost. Jahrelang sorgten ähnliche Nachrichten in Form von E-Mails für Ärger. Weil sie in schlechtem Deutsch geschrieben waren und oft einen Bezug zu Nigeria hatten, war bald von der «Nigeria Connection» die Rede.
Korrekte Adresse, gutes Deutsch
Jetzt agieren die Betrüger deutlich raffinierter. Zum einen sind die Briefe korrekt adressiert – in einem Fall ist sogar der zweite (sonst nicht verwendete) Vorname einer Person erwähnt. Zum anderen sind sie in gutem Deutsch geschrieben.
Vertrauen erweckt zudem, dass sich der angebliche Anwalt im Text konkret auf den Familiennamen der Person in der Schweiz bezieht: «Aufgrund der Ähnlichkeit des Nachnamens und der Übereinstimmung der Staatsangehörigkeit mit dem Verstorbenen bitte ich um Zustimmung, […] alles in Ihrem Namen abwickeln zu können.»
Wer nach dem vermeintlichen Anwalt googelt, findet tatsächlich an der im Brief angegebenen Adresse in Kanada einen Anwalt mit diesem Namen. Nur wer genau hinschaut, erkennt, dass die im Brief angegebene Website leicht von derjenigen des echten Anwalts abweicht und auch E-Mail-Adresse und Telefonnummer etwas anders lauten.
Die Absicht ist klar: Die Betrüger wollen, dass sich die ins Visier genommenen Personen per E-Mail melden. Der weitere Ablauf folgt der Masche, nach der einst die «Nigeria Connection» vorging. Die Empfänger werden aufgefordert, für das in Aussicht gestellte Erbe zuerst einen Betrag von wenigen Hundert Franken zu bezahlen, für angebliche Gebühren oder Steuern. Fachleute sprechen bei solchen Betrugsmodellen von Vorschussbetrug. Denn das Geld ist weg – und ein Erbe ohnehin nicht in Sicht.
In den Abfall damit
Was die Betrüger nicht wissen können: Weil sich gleich mehrere Leser gemeldet haben, liegen dem Beobachter auch mehrere solche Schreiben vor. Daraus wird klar: Alles im Brief ist frei erfunden. Die Täter ersetzen einfach Namen und Adresse des Anwalts und des Briefempfängers in der Schweiz. Der übrige Text ist Wort für Wort identisch. Wie die Hintermänner der Aktion zu den Adressen der potenziellen Opfer kommen, ist nicht klar.
Bei solchen fragwürdigen Schreiben per Brief gilt das Gleiche wie für die Mails aus Nigeria: Nicht darauf reagieren und in den Abfall damit!