Rosen aus Afrika? Es geht auch anders
Importierte Blumen sind problematisch. Es gibt viel bessere Alternativen, die schon Grossmutter kannte.
Veröffentlicht am 11. Mai 2024 - 00:11 Uhr
Bei einem Blumenstrauss denkt man an heimische Wiesen und idyllische Gärten. Doch Schnittblumen für unsere Vasen werden zu 80 bis 95 Prozent importiert, heisst es beim Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit. Vier von fünf Rosen stammen aus dem Ausland, die meisten aus weit entfernten Anbauländern wie Ecuador oder Kenia. Dort sind die klimatischen Bedingungen ebenso günstig wie die Arbeitskräfte.
Schnittblumen vom anderen Ende der Welt einzufliegen, sei dennoch nachhaltiger. Das legt zumindest eine Studie von 2023 nahe, in Auftrag gegeben von der Max-Havelaar-Stiftung und der Migros. Demnach verursacht ein Strauss Fair-Trade-Rosen aus Kenia trotz dem Transport per Flugzeug rund zwei Drittel weniger CO₂-Emissionen als Rosen aus den Niederlanden, weil diese in beheizten und künstlich beleuchteten Gewächshäusern gedeihen.
Unbekannte Chemie wird eingesetzt
Allerdings hat die Sache einen Haken, wie die Vorgängerstudie von 2018 betonte: Wenn die Gewächshäuser mit erneuerbaren Energien betrieben würden, wäre die Produktion in Europa weitaus ökologischer als der Import per Flugzeug von weit her.
«Den Trend zum Regionalen gibt es auch bei den Schnittblumen.»
Thomas Meier, Sprecher des Schweizer Floristenverbands
Ein weiteres Problem betrifft den Einsatz von Pestiziden. Der sei in den Niederlanden «deutlich geringer». Zudem sei nicht einmal klar, welche Pestizide etwa in Kenia überhaupt verwendet würden, heisst es in der jüngsten Untersuchung.
Nicht in die Bewertung eingeflossen seien auch diejenigen Mittel, mit denen die Blumen nach der Ernte besprüht werden, um sie für den langen Transport vor Pilzerkrankungen zu schützen. Ausserdem fällt bei einer Gesamtbetrachtung des ökologischen Fussabdrucks der hohe Wasserverbrauch negativ ins Gewicht – besonders im dürregeplagten Ostafrika.
Zur Reportage: Rosenanbau in Kenia
Es gibt heimische Alternativen
Muss man sich also entscheiden: entweder pestizidgetränkte Blumen vom anderen Ende der Welt – oder solche, die in Europa nur unter enormem Energieaufwand gedeihen? «Die Swissness geht in der Welt der oftmals exotischen Blumen vergessen», sagt Thomas Meier, Sprecher des Schweizer Floristenverbands. Doch er sieht gute Chancen: «Den Trend zum Regionalen gibt es auch bei den Schnittblumen.»
Generell ist es wie beim Obst und beim Gemüse: Am besten kauft man Schnittblumen regional und saisonal. Im Frühjahr, zum Beispiel zum Muttertag, können etwa Tulpen auch hierzulande frisch selbst vom Feld gepflückt werden, wo sie meist sogar ohne künstliche Bewässerung auskommen. Wer gern Rosen verschenkt, sollte das lieber im Sommerhalbjahr tun – denn von Juni bis August wachsen sie sogar bei uns im Freiland.
Sind Schnittblumen also letztlich ein Luxusgut, auf das wir in den Wintermonaten schlicht verzichten sollten? Das finden zumindest die Floristinnen und Floristen der Slowflower-Bewegung. Deren rund 200 Mitglieder in Deutschland, Österreich und der Schweiz setzen sich für faire Preise und nachhaltigen Anbau ein.
Topfpflanzen sind ökologisch wertvoller
Slowflower-Sprecherin für die Schweiz ist Maja Bartholet, die auf einem kleinen Stück Land in Zürich-Seebach alte, teils vergessene Arten und Sorten kultiviert. Von etwa Ende März bis Ende Oktober bindet sie aus ihren «lokalen, giftfreien Slowflowers» frische Sträusse. Eine Hauptmotivation für Bartholet und die Slowflower-Bewegung: «Weil bei Blumen die Herkunft nicht wie bei Lebensmitteln deklariert werden muss, möchten wir mit unseren Leitlinien Vertrauen und Transparenz schaffen.»
Doch auch die nachhaltigsten Schnittblumen lassen in der Vase nach wenigen Tagen die Köpfe hängen. Die Blütenpracht von Topfpflanzen dagegen erstrahlt oft über viele Wochen – und bietet Insekten Nahrung. Stauden wie Sonnenhut, Kamille und viele Asternarten treiben zudem jedes Jahr wieder neu aus.
Der Trend zur Trockenblume
Wer sich für Topfpflanzen aus heimischem Anbau entscheidet, hat ausserdem eine deutlich grössere Auswahl an nicht pestizidbelasteter Ware als bei Schnittblumen, die fast ausschliesslich aus konventionellem Anbau stammen. Etwa ein Drittel der rund 300 Gärtnereien in der Schweiz waren 2022 biozertifiziert.
Wer auf Blumen in der Vase nicht verzichten möchte, könnte es auch mit einem Klassiker aus Grossmutters Zeiten versuchen, der seit einiger Zeit ein Revival erfährt: Trockengestecke. Die halten ewig und müssen überhaupt nicht angestaubt daherkommen, wie immer mehr Floristikgeschäfte und das Hashtag #Trockenblumen in sozialen Medien beweisen.
Das Neuste aus unserem Heft und hilfreiche Ratgeber-Artikel für den Alltag – die wichtigsten Beobachter-Inhalte aus Print und Digital.
Jeden Mittwoch und Sonntag in Ihrer Mailbox.