Fahrgäste wehren sich gegen teurere ÖV-Tickets
Die Branchenorganisation Alliance Swiss Pass hat eine Preiserhöhung für ÖV-Billette angekündigt. Dagegen regt sich nun Widerstand.
Veröffentlicht am 17. April 2023 - 09:08 Uhr
Kurz vor Ostern liess Alliance Swiss Pass eine Bombe platzen: Ab Mitte Dezember 2023 soll der ÖV teurer werden. Der Branchenverband kündigte an, die Billettpreise durchschnittlich um 4,3 Prozent zu erhöhen. Insbesondere die Ticketpreise in der zweiten Klasse sollen steigen. Insgesamt um 4,8 Prozent.
Gleichzeitig blieben die Preise der ersten Klasse relativ stabil mit einem Preisanstieg um 1,9 Prozent.
Kein Wunder, verdarb diese Ankündigung so manchen Fahrgästen das Familienfest. Und entsprechend schnell regte sich Widerstand. Zwei Tage nach der Mitteilung von Alliance Swiss Pass lancierte die Kampagnenorganisation Campax eine Petition. Ihren Aufruf «ÖV-Preiserhöhung stoppen!» unterschrieben innerhalb einer Woche über 15’000 Personen (Stand: Freitag).
Belastet vor allem die Mittelschicht
«Als Nutzerinnen und Konsumenten des Bahnverkehrs lehnen wir die Erhöhung der ÖV-Preise ab und fordern die Mitglieder der Alliance Swiss Pass auf, dies auch zu tun. Wenn die Preise schon erhöht werden müssen, soll die 1. Klasse solidarisch einen Hauptteil der Mehrkosten mittragen», schreiben die Petenten. Deren Mediensprecherin Mona Niklaus argumentiert, die Preiserhöhung von 4,8 Prozent für die Tickets der zweiten Klasse belaste vor allem die Mittelschicht. Also diejenigen, die ohnehin mit steigenden Preisen für Krankenkassenprämien und Mieten zu kämpfen haben.
«Soeben hat der Bund Milliarden für eine Bankenrettung ausgegeben. Vor diesem Hintergrund finde ich besonders empörend, dass jene, die sowieso schon unter der Inflation leiden, nun Mehrkosten für den öffentlichen Verkehr schultern sollen.» Ihr sei schleierhaft, weshalb der Bund den ÖV nicht stärker subventioniere.
«Ich finde es seltsam, von Solidarität zu sprechen, wenn man vor allem die zweite Klasse zahlen lässt.»
Mona Niklaus, Mediensprecherin von Campax
Diese Frage müsse die Politik beantworten, kontert Reto Hügli, Sprecher bei Alliance Swiss Pass. Es sei aber nicht so, dass man solche Möglichkeiten nicht geprüft habe. «Wir stehen im engen Austausch mit dem Bundesamt für Verkehr und haben klare Signale bekommen, dass die ÖV-Branche den Grad der Eigenwirtschaftlichkeit halten muss.» Es sei schliesslich das erste Mal seit sieben Jahren, dass die Tarife angepasst würden. Ausserdem sei die Erhöhung gut begründet.
Neues Angebot für Junge
So hätten die Transportunternehmen ihr ÖV-Angebot seit 2016, gemessen in Angebotskilometern, um rund zehn Prozent gesteigert und in moderne Fahrzeuge investiert. Mit der Teuerung seien zudem die Ausgaben signifikant gestiegen, beispielsweise für Löhne, Unterhalt und Energie. «Diese finanziellen Herausforderungen können nur solidarisch gemeistert werden. Durch Sparanstrengungen der ÖV-Branche, aber auch gemeinsam mit den ÖV-Nutzenden via Billettpreise», so Hügli.
Die Grundhaltung sei weiterhin, dass der öffentliche Verkehr für alle erschwinglich bleiben müsse. Nicht erhöht würden deswegen das Halbtaxabonnement Jugend, die Spartageskarte oder die Junior- und Kindermitfahrkarte. Neu eingeführt werde ausserdem im Juni das «GA Night» für 99 Franken. Damit können unter 25-Jährige ab 19 Uhr das gesamte GA-Streckennetz benutzen.
Diese Argumente verfangen bei Campax-Mediensprecherin Niklaus nicht. «Ich finde es seltsam, von Solidarität zu sprechen, wenn man vor allem die zweite Klasse zahlen lässt.»
Sie hofft, dass durch die Petition nun Bewegung in die Diskussion kommt. Denn definitiv ist die Preiserhöhung noch nicht. Die Entscheidung muss von sämtlichen Mitgliedern der Alliance Swiss Pass und vom Preisüberwacher genehmigt werden. Die Abstimmung läuft noch bis Anfang Juni. «Wir rufen die Mitglieder dazu auf, diese Preiserhöhung abzulehnen und eine neue Lösung zu finden», so Niklaus.
3 Kommentare
Ich höre in letzter Zeit immer öfter, dass vor allem die Mittelschicht von Preiserhöhung/Sparmassnahmen betroffen sind. Vielleicht verstehe ich ja etwas falsch - dann tut es mir leid!
Ist es nicht doch so, dass diejenigen am meisten Schwierigkeiten haben solche Preiserhöhungen zu stemmen, die sowieso schon in der untersten Einkommenskategorie angesiedelt sind?
Ich meine die Einkommenshalber so wenig verdienen, dass sie nur arbeiten gehen und den Rest der Zeit quasi Zuhause dahinvegetieren - da es für mehr schlicht nicht reicht. Nur einmal im Monat "Eis go zieh"? Davon können viele nur träumen! Von Ferien rede ich erst gar nicht! Pech auch, dass das Geld für die "Öffentlichen" um zur Arbeit zu kommen sehr oft ebenfalls fehlt! Mich wundert es deshalb überhaupt nicht mehr, dass immer mehr dieser Personen psychisch kaputt gehen...Scham, (daraus result.) fehlende Hilfe, abkappseln....Teufelskreis!
Der Preisunterschied von der 1. zur 2. Kl. ist sowieso viel zu hoch. Erst recht, wenn immer mehr 1. Kl. Abteile mit gleich viel Sitzen (2+2) ausgerüstet sind!
Für eine derartige Preiserhöhung sollte es auch höhere Leistung geben, damit das Preis/Leistungsverhältnis gerechtfertigt ist !!
Charlotte Kunz