Endlich verständlich
Am 12. Februar 2017 stimmen wir über die Unternehmenssteuerreform III (USR III) ab. Worum geht es dabei? Ein Überblick für Laien.
Veröffentlicht am 14. Juni 2016 - 15:54 Uhr
Eine Menge. Die Reform kostet Bund, Kantone und Gemeinden nach bisher vorliegenden Zahlen voraussichtlich mehr als drei Milliarden Franken pro Jahr. Entweder holt sich der Staat das Geld auf andere Weise, zum Beispiel mit einer höheren Einkommensteuer, oder er muss bei den Ausgaben sparen.
Kurz: Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass man indirekt doch von der Reform betroffen ist - auch wenn man weder eine Firma noch Aktien hat.
Seit mehr als zehn Jahren steht die Schweiz wegen kantonaler Steuerprivilegien für bestimmte Unternehmen international unter Druck. Firmen mit Auslandbezug werden bisher in der Schweiz weniger stark besteuert als solche, die nur im Inland tätig sind. Die EU und die OECD sehen darin eine unzulässige Begünstigung solcher Unternehmen. Der Bundesrat will mit der USR III diese Privilegien abschaffen. Aber neue Steuervergünstigungen sollen dafür sorgen, dass die betroffenen Firmen nicht ins Ausland abwandern.
Das Ganze gleicht einer Quadratur des Kreises: Die Reform soll die Kritik an den Steuervorteilen beenden, gleichzeitig will die Schweiz aber für international tätige Firmen steuerlich attraktiv bleiben, und der Staat soll trotzdem genug Einnahmen haben.
Die Schweiz muss mit wirtschaftlichen Sanktionen rechnen, wenn sie die bisherigen Steuerprivilegien nicht abschafft. Schon diese Aussicht bewirkt eine Rechtsunsicherheit, die dazu führen könnte, dass Unternehmen die Schweiz verlassen. Wenn die Schweiz umgekehrt die Privilegien streicht, ohne die betroffenen 24'000 Unternehmen auf andere Weise zu entlasten, könnten diese ebenfalls versucht sein abzuwandern.
Dabei steht viel Geld auf dem Spiel: Laut dem Eidgenössischen Finanzdepartement zahlten diese Firmen im Jahr 2012 insgesamt mehr als 5 Milliarden Franken an Gewinnsteuern. Ausserdem geht es um 150'000 Arbeitsplätze und um diejenigen Steuern, die all diese Angestellten zahlen.
Der Bundesrat will die Privilegien der betroffenen 24'000 Firmen abschaffen. Sie zahlen bisher nur relativ geringe Steuern und müssen künftig wie die anderen Unternehmen besteuert werden.
Da es sich bei diesen sogenannten Holdings und ähnlichen Gesellschaften um sehr mobile Firmen handelt, die zum Teil wohl nur aus Steuergründen in der Schweiz sind, bedeutet die Reform, dass die Schweiz im internationalen Vergleich einen Wettbewerbsvorteil verliert. Dies soll durch andere Steuererleichterungen kompensiert werden, die international akzeptiert sind. Dazu zählt etwa die sogenannte Patentbox, mit der Einnahmen aus Patenten steuerlich begünstigt werden. Ausserdem die Möglichkeit, Forschungskosten stärker als bisher zum Abzug bei den Steuern zuzulassen. Oder der Zinsabzug auf Eigenkapital, der bis zum Schluss im Parlament umstritten war.
Von den vorgesehenen Erleichterungen profitieren aber nicht nur die bisher privilegierten Firmen, sondern auch andere. Darüber hinaus planen viele Kantone, die Gewinnsteuern für Unternehmen zu senken, um ein Abwandern der Holdings zu verhindern.
Als Gegenmassnahme zu diesen Steuerausfällen in den Kantonen soll der Anteil, den diese aus der direkten Bundessteuer erhalten, von heute 17 Prozent auf 21,2 Prozent steigen. Damit hat sich der Ständerat gegen den Nationalrat durchgesetzt, der den Kantonen etwas weniger, nämlich 20,5 Prozent, geben wollte.
Die Waadt hat bereits auf die Pläne des Bundes reagiert. Am 20. März 2016 hiessen gut 87 Prozent der Stimmberechtigten die Abschaffung der Privilegien für rund 600 betroffene Firmen gut. Im Gegenzug wird die Gewinnsteuer für Unternehmen von 21,6 auf 13,8 Prozent gesenkt. Der Kanton rechnet mit Mindereinnahmen von 280 Millionen Franken.
Ein entscheidender Punkt für die hohe Zustimmung war die Verpflichtung der Unternehmen, deutlich mehr als bisher unter anderem an Kinder- und Ausbildungszulagen und für Kindertagesstätten zu zahlen. Das kostet sie insgesamt rund 100 Millionen Franken pro Jahr. Ausgehandelt haben diesen Kompromiss Finanzminister Pascal Broulis (FDP) und Sozialminister Pierre-Yves Maillard (SP).
Der Kanton wollte die Rechtsunsicherheit, die durch die Debatte über die Steuerprivilegien und die USR III entstanden war, möglichst schnell beenden, da am Genfersee der Prozentsatz von privilegierten Firmen besonders hoch ist.
Unternehmen können – wie Private auch – die Schuldzinsen ihrer Kredite beim Gewinn abziehen und so ihre Steuern senken. Um die Unternehmen zu entlasten, soll mit der USR III ein Zinsabzug für sogenanntes überschüssiges Eigenkapital eingeführt werden – wie auch immer dieses definiert würde.
Das Besondere an diesem Zinsabzug ist, dass die Unternehmen dabei keine realen Kosten geltend machen, sondern fiktive. Denn auf ihr Eigenkapital müssen sie niemandem Schuldzinsen zahlen.
Es dürfte schwer sein, diesen Zinsabzug in einer Volksabstimmung zu verteidigen. Die NZZ sieht ihn vor allem als pragmatischen Weg, eine drohende Abwanderungswelle zu dämpfen. Der Abzug ziele auf die mobilen Finanzgesellschaften und sei für den Staat nicht so teuer wie eine allgemeine Senkung der Gewinnsteuern.
Wenn Firmen ihren Aktionären Dividenden, also Anteile des Gewinns, auszahlen, so müssen die Empfänger diese Einnahmen nur zum Teil versteuern, sofern sie mindestens 10 Prozent des Unternehmens besitzen. Grund für diese sogenannte Teilbesteuerung ist die Überlegung, dass dieses Geld schon einmal versteuert wurde – nämlich durch die Firma, die diesen Gewinn erzielt hat.
Welcher Anteil der Dividende versteuert werden muss, unterscheidet sich von Kanton zu Kanton. Der schweizerische Durchschnitt liegt bei 50 Prozent. Der Bundesrat wollte, dass in allen Kantonen mindestens 70 Prozent der Dividende versteuert werden, um die Verluste zu kompensieren, die durch die USR III entstehen. Nach langer Auseinandersetzung haben sich National- und Ständerat auf eine Lösung geeignet: Die Dividenden sollen zu mindestens 60 Prozent besteuert werden.
SP-Chef Christian Levrat hält zwar die USR III grundsätzlich für notwendig, bezeichnet die vom Parlament geplanten Abzugsmöglichkeiten aber als «überflüssige Steuergeschenke». Die Sozialdemokraten argumentieren, dass ein Nein zur USR III den Weg für eine ausgewogenere Reform frei mache. Es bleibe noch genug Zeit, um sie per Anfang 2019 in Kraft treten zu lassen.
Die Neuauflage der USR III müsse sich, so die SP, an den «ursprünglichen Zielen des Bundesrats» orientieren. Die Privilegien für Holdings sollten demnach nicht nur beseitigt werden, sondern dieser Schritt sollte auch gegenfinanziert sein: Unternehmen und Aktionäre sollten die entstehenden Steuerausfälle auf andere Weise kompensieren.
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