Eigener Chef? Eigenes Problem!
Selbständige sind gegen Krankheit und Unfall nur schlecht abgesichert. Die Rente ist bei langfristigem Ausfall miserabel und wird viel zu spät ausgezahlt, wenn überhaupt.
aktualisiert am 7. Januar 2022 - 13:09 Uhr
Selbständige müssen sich aktiv um ihren Versicherungsschutz kümmern, sonst kann sie eine Krankheit oder ein Unfall schnell in den Ruin treiben.
Obligatorisch sind nur die Grundversicherung bei der Krankenkasse und die Invalidenversicherung (IV). Die IV genügt aber nicht, um den Verdienstausfall zu decken.
Die Gründe: Im ersten Jahr besteht überhaupt kein Rentenanspruch, und meist vergehen mindestens zwei Jahre, bis die IV überhaupt über den Rentenantrag entscheidet.
Zudem sind IV-Renten zu tief, um den Lebensunterhalt zu finanzieren. Selbst Topverdiener erhalten von der IV maximal 2390 Franken pro Monat. Und es ist nicht einmal sicher, ob sie dann Anspruch auf Ergänzungsleistungen haben.
Mit grossen Problemen konfrontiert sind viele Betroffene gleich nach einem Unfall oder bei einer Krankheit. Wenn man sich nicht speziell gegen Verdienstausfälle versichert hat, muss man vom Ersparten leben.
Sozialhilfe beantragen kann man erst, wenn man in eine finanzielle Notlage gerät. Falls Kinder oder Eltern vermögend sind oder über grosse Einkommen verfügen, können sie von der Sozialbehörde zu Verhandlungen über mögliche Verwandtenunterstützungen eingeladen werden. Das allein ist schon äusserst unangenehm.
Deshalb ist der Abschluss einer Unfall- und Krankentaggeldversicherung wichtig. Mit ihr kann man sich für die erste Zeit einer Arbeitsunfähigkeit schützen. Wenn der Versicherungsschutz bereits ab dem ersten Tag greifen soll, sind die Prämien jedoch sehr hoch. Darum lohnt es sich, eine Wartezeit zu vereinbaren.
Um auch die IV-Rente bei einer längerfristigen oder bleibenden Erwerbsunfähigkeit aufzubessern, lohnt es sich, entweder eine Lebensversicherung abzuschliessen oder einer Pensionskasse beizutreten (siehe «Wie man sich gut versichert»).
Die Angebote der Versicherer sind nur schwer vergleichbar. Für Laien ist es äusserst schwierig, diejenigen Versicherungen zu finden, die den persönlichen Bedürfnissen entsprechen und bei denen Preis und Leistung stimmen. Alleinstehende ohne Kinder können sich eine Hinterlassenenversicherung sparen. Zentral dagegen ist eine gute Absicherung gegen Invalidität.
Tipp: Lassen Sie sich von unabhängigen seriösen Experten beraten, etwa von Fairsicherung.ch. Die Ausgaben dafür dürften sich lohnen.
Wer sein Geschäft als GmbH oder AG führt, gilt nicht als selbständig, sondern als Angestellter seiner eigenen Firma und muss von ihr versichert werden.
Anders verhält es sich bei Einzel- oder Kollektivgesellschaften. Bei ihnen entscheidet die AHV-Ausgleichskasse. Dabei beurteilt sie jede einzelne Tätigkeit separat. Es kann daher gut sein, dass man für einen Teil der Arbeit als selbständig eingestuft wird, für andere Teile aber nicht. Die Einstufung erfolgt unabhängig davon, was man mit dem Auftraggeber vertraglich vereinbart.
Die Ausgleichskasse entscheidet aufgrund von Kriterien wie den folgenden:
- Tritt man in eigenem Namen oder im Namen des Auftraggebers auf?
- Stellt man die Rechnungen selber oder im Namen des Auftraggebers aus?
- Tätigt man langfristige Investitionen?
- Wer bezahlt das Arbeitsmaterial?
- Wer trägt das wirtschaftliche Risiko?
- Wer entscheidet, welche Aufträge man annimmt?
- Wer entscheidet, wo man arbeitet?
- Wer entscheidet über die Einstellung von Personal?
Lehnt die Kasse eine Selbständigkeit ab, gilt der Auftraggeber als Arbeitgeber und muss die Sozialversicherungsbeiträge zahlen.
Versicherungslücken zu schliessen ist für Selbständige eine komplexe Sache. Man muss den genauen Vorsorgebedarf ermitteln und das dazu passende Versicherungsprodukt finden.
Auch die Höhe der Prämien, der Leistungsumfang sowie Deckungsausschlüsse sind wichtig.
Was viele nicht wissen: Die meisten Invaliditäten sind krankheits- und nicht unfallbedingt, also nützt eine reine Versicherung für Unfälle hier wenig. Am besten holen Selbständige Rat bei einem unabhängigen Spezialisten.
- Freiwillige Unfallversicherung gemäss Unfallversicherungsgesetz (UVG): Solider und umfassender Versicherungsschutz für kurz- und langfristige unfallbedingte Verdienstausfälle. Versicherbar ist ein Jahreslohn zwischen 66'690 und 148'200 Franken. Höhere Löhne lassen sich mit einer UVG-Zusatzversicherung absichern. Ebenso kann man das Taggeld von 80 auf 100 Prozent aufstocken und Spitalaufenthalte in der privaten Abteilung versichern.
- Krankentaggeldversicherung nach Krankenversicherungsgesetz (KVG): Taugt wegen viel zu tiefer Taggelder in der Regel nicht zur Einkommenssicherung. Vorteil: Versicherungen müssen jeden Interessenten aufnehmen; Vorbehalte auf bestehende Krankheiten sind für maximal fünf Jahre erlaubt.
- Unfall- und Krankentaggeldversicherung nach Versicherungsvertragsgesetz (VVG): Wird für die Risiken Unfall und Krankheit separat oder kombiniert angeboten. Die häufigste Variante: Taggeld von 80 Prozent des Lohns während 720 oder 730 Tagen.
- Freiwillige Versicherung bei einer Pensionskasse im Rahmen der beruflichen Vorsorge (BVG): Sie stockt eine allfällige Rente der IV und der AHV auf, taugt aber nicht als Schutz gegen kurzfristige Verdienstausfälle. Erkundigen Sie sich bei der Pensionskasse Ihres Personals, Ihres Berufsverbands oder bei der Stiftung Auffangeinrichtung BVG.
- Gebundene Vorsorge im Rahmen der Säule 3a: Erwerbstätige, die einer Pensionskasse angehören, können aktuell bis 6'883 Franken im Jahr einzahlen; bei Erwerbstätigen ohne Pensionskasse sind es 20 Prozent des Erwerbseinkommens, maximal 34'416 Franken im Jahr. Das Geld ist bis fünf Jahre vor der Pensionierung gebunden und kann nur ausnahmsweise früher bezogen werden, etwa zum Hauskauf oder als Bezüger einer ganzen IV-Rente.
- Freie Vorsorge im Rahmen der Säule 3b: Hierunter fallen alle anderweitigen Sparlösungen wie Bankkonti, Immobilien oder Wertschriften, aber auch alle übrigen Lebensversicherungen. Die Auswahl ist fast unbegrenzt. Eine Erwerbsunfähigkeitsrente kann den langfristigen Lohnausfall decken. Tipp: Achten Sie bei allen Versicherungen darauf, dass die Prämienbefreiung bei Erwerbsunfähigkeit mitversichert ist. Dann müssen Sie im Versicherungsfall bis zum Vertragsende keine Prämien zahlen.
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