Das war diese Woche richtig wichtig
Wurde die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher? Und wo gings rückwärts? Der Überblick des Beobachters für die Woche vom 09. Dezember 2024.
Liebe Leserinnen und Leser
Willkommen zu «Das war richtig wichtig». Hier ordnen wir immer freitags die wichtigsten Nachrichten der vergangenen Woche für Sie ein. Und weil diese Woche viel los war, fassen wir Ihnen am Schluss einige weitere Nachrichten knapp zusammen.
Diesmal:
- Syrien: Das bedeutet Assads Sturz für Geflüchtete in der Schweiz
- Rentenalter für Frauen: Bundesgericht schmettert Beschwerde ab
- Klima: Das 1,5-Grad-Ziel wird immer unrealistischer. Was jetzt?
- Autismus: Schwer betroffene Kinder sollen mehr Hilfe bekommen
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Über «Das war richtig wichtig»
Was hat die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher gemacht? Und wo gings eher rückwärts? Wo weiterlesen, wenn Sie es genauer wissen möchten? Wir liefern Ihnen immer freitagmittags drei bis vier wirklich wichtige Nachrichten – kompakt, verständlich und mit Haltung aufgeschrieben. Auch als E-Mail abonnierbar.
Syrien: Das bedeutet Assads Sturz für Geflüchtete in der Schweiz
Darum gehts: Am vergangenen Wochenende haben Aufständische das Regime von Baschar Hafiz al-Assad gestürzt. Nach über einem Jahrzehnt Bürgerkrieg gibt es damit endlich Hoffnung auf Frieden für die Millionen von Vertriebenen. Bereits gibt es Forderungen, dass alle geflüchteten Syrer nun zurückkehren sollen. Nach Entscheiden von Österreich und Deutschland hat auch die Schweiz alle rund 500 hängigen Asylentscheide für Syrerinnen und Syrer vorerst ausgesetzt. Zuerst müsse die Sicherheitslage nach der Machtübernahme neu beurteilt werden, heisst es von Seiten des Bundes.
Warum das wichtig ist: Die Uno schätzt, dass der Bürgerkrieg in Syrien über 14 Millionen Menschen zur Flucht gezwungen hat – so viele wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Etwa ein Zehntel davon hat in Europa Asyl bekommen. Etwa 28’000 leben in der Schweiz. Zunächst schlug diesen Geflüchteten viel Solidarität entgegen, der Ausspruch «Wir schaffen das» von Altkanzlerin Angela Merkel ging in die Geschichte ein. Doch schnell schlug die Stimmung um: Die Flüchtlingskrise befeuerte in vielen Ländern den Aufstieg populistischer und rechtsextremer Parteien.
Das sagt der Beobachter: Über wenige Themen wird in Europa härter und emotionaler gestritten als über Asyl und Migration. Ein stabiles oder womöglich sogar demokratisches Syrien könnte die politische Gemengelage in Europa fundamental verändern. Jetzt sofort politische Konsequenzen zu fordern, ist aber unseriös – ein bisschen Demut und vor allem Geduld würden uns allen jetzt gut anstehen.
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Rentenalter für Frauen: Bundesgericht schmettert Beschwerde ab
Darum gehts: Das Frauenrentenalter bleibt bei 65 Jahren. Am Donnerstag hat das Bundesgericht eine Beschwerde abgewiesen, die eine Wiederholung der AHV-Abstimmung verlangt hatte. Die möglichen Folgen hätten zu massiv ausfallen können, befand das Gericht einstimmig. Die Details lesen Sie hier.
Warum das wichtig ist: Vor gut zwei Jahren hatte das Stimmvolk die Erhöhung des Rentenalters für Frauen knapp angenommen. Ein Argument der Befürworter war, dass sonst die Altersvorsorge bald massiv unterfinanziert wäre. Diesen Sommer musste der Bund dann einräumen, dass seine finanziellen Prognosen um mehrere Milliarden Franken zu pessimistisch gewesen waren. Die Episode war mehr als nur peinlich. «Das schadet der politischen Debatte – und könnte langfristig das Vertrauen der Bevölkerung in Politik und Staat ernsthaft untergraben», schrieben wir damals dazu.
Das sagt der Beobachter: Trotz dem klaren Entscheid gegen eine Wiederholung – auf die leichte Schulter nahm das Bundesgericht den Fehler des Bundes nicht. Zwei von fünf Richterinnen waren der Meinung, dass die politischen Rechte verletzt worden seien, und kritisieren den Bundesrat. Zu hoffen, dass Bundesbern diese Warnung ernst nimmt. Ein weiterer Vertrauensverlust wäre brandgefährlich.
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Klima: Das 1,5-Grad-Ziel wird immer unrealistischer. Was jetzt?
Darum gehts: Im Jahr 2024 könnte die globale Erwärmung erstmals die symbolische Grenze von 1,5 Grad Celsius überschreiten. Das ist eine schlechte Nachricht. Denn: Die Häufigkeit extremer Hitzewellen, die Ende des 19. Jahrhunderts nur alle 50 Jahre auftraten, nimmt bei einem +1,5-Grad-Szenario um fast das Neunfache zu.
Warum das wichtig ist: Der Temperaturanstieg 2024 ist nicht nur auf die vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen zurückzuführen, sondern auch auf El Niño, ein Klimaphänomen, das den Pazifik stark erwärmt. Die extremen Wetterphänomene werden sich in Zukunft verschlimmern und ausbreiten. Die Schweiz ist bereits heute stark betroffen, mit langen Hitze- und Trockenperioden im Sommer sowie schmelzenden Gletschern und schneearmen Wintern.
Das sagt der Beobachter: Die Emissionen müssen drastisch gesenkt werden, sonst drohen Hitzewellen, Dürren und Unwetter. Diese aussergewöhnlichen Ereignisse und Naturkatastrophen werden weltweit immer mehr Opfer fordern und zu einem Verlust der Artenvielfalt führen. Die gute Nachricht: Wir alle können mit unserem Verhalten zumindest ein wenig einen positiven Beitrag zum Klima leisten.
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Autismus: Schwer betroffene Kinder sollen mehr Hilfe bekommen
Darum gehts: Der Nationalrat will Kinder mit schweren Autismus-Spektrum-Störungen unterstützen. Eine Gesetzesänderung soll sicherstellen, dass die Invalidenversicherung entsprechende Massnahmen auch nach Auslaufen eines Pilotversuchs mitfinanziert. Konkret geht es um die sogenannte intensive Frühintervention bei Kindern ab dem zweiten oder dritten Lebensjahr. Das Geschäft geht nun an den Ständerat.
Warum das wichtig ist: Autismus ist eine neurologische Besonderheit. Betroffene nehmen die Umwelt anders wahr. Sie brauchen eine Art Übersetzung ins Denken und Handeln von neurobiologisch-typischen Menschen. Je früher ein Kind gefördert wird, desto besser kann es sich später in der Gesellschaft zurechtfinden. Die Betreuung in einem spezialisierten Zentrum kostet pro Jahr etwa 150’000 Franken. Kanton, Eltern und Spenden decken den Hauptanteil. Die IV zahlte im Rahmen des Pilotprojektes pro Kind 45’000 Franken für zwei Jahre.
Das sagt der Beobachter: Das Autismuszentrum in Aesch BL gibt es seit 2008. Es leistete wichtige Pionierarbeit bei der Frühintervention und wurde im Pilotversuch unterstützt. Mittlerweile gibt es ein gutes Dutzend solcher Zentren über die ganze Schweiz verteilt. Es ist extrem wichtig, dass betroffene Kinder an einer Frühförderung teilnehmen können. Nur so können sie den Übertritt in die Regelschule schaffen, was für ihr späteres Leben zentral ist. Das darf nicht an zu wenig finanzieller Unterstützung scheitern.
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Das Zitat der Woche ...
... kommt vom Fifa-Präsidenten, nachdem diese Woche in Zürich die Fussball-Weltmeisterschaft von 2034 nach Saudiarabien vergeben wurde.
«Die Geschichtsbücher werden diesem wunderschönen Kapitel in der Geschichte der Fifa, des Fussballs, der Einigkeit der Völker und der Menschheit definitiv ein paar Seiten widmen.» – Gianni Infantino, Fifa-Präsident
Saudiarabien war der einzige Kandidat für die Durchführung der Spiele. Oder wie es ein Nutzer auf der Plattform Bluesky zusammenfasste: «Es war eine faire Abstimmung... 213 Ja-Stimmen, 0 Nein Stimmen und 16 Enthauptungen.»
Geschrieben haben diesen Überblick diesmal Oliver Fuchs, Birthe Homann und Fabienne Niederer.
Bis nächste Woche. Wir bleiben für Sie dran.