Das war diese Woche richtig wichtig
Wurde die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher? Und wo gings rückwärts? Der Überblick des Beobachters für die Woche vom 7. April 2025.
Liebe Leserinnen und Leser
Willkommen zu «Das war richtig wichtig». Hier ordnen wir immer freitags die wichtigsten Nachrichten der vergangenen Woche für Sie ein. Es gibt diesmal ziemlich viele – denn diese Woche hat das Parlament die Frühjahrssession abgeschlossen. Wir haben Ihnen darum ein paar weitere Meldungen am Schluss knapp zusammengefasst.
Die Themen:
- Zölle der USA: Der Schaden ist angerichtet
- Sozialhilfe: Der Kanton Uri bricht ein Tabu
- Pädophilie: Beratungsangebote schützen Kinder – es gibt aber Lücken
- Und das Zitat der Woche betrifft einen Hotel-Plan
Sie können diese Nachrichtenübersicht auch als E-Mail abonnieren. Damit haben Sie «Das war richtig wichtig» immer pünktlich im Postfach.
Melden Sie sich doch gleich an:
Zölle der USA: Der Schaden ist angerichtet
Darum geht es: Diese Woche galten für die Schweiz einen Moment lang die höchsten Zölle in Europa. Doch dann sah sich der US-Präsident gezwungen, seine angeblich reziproken Strafzölle für drei Monate auszusetzen. Nun gilt für die Schweiz derselbe Zoll wie für alle anderen Länder (ausser China). Der Bundesrat setzt weiterhin auf Deeskalation – und hat einen neuen Sondergesandten für die USA ernannt.
Warum das wichtig ist: Zunächst einmal ist es für die Schweiz eine gute Nachricht, dass Trump sich von der Panik an den Finanzmärkten von seinem Maximalplan hat abbringen lassen. Ausgestanden ist damit aber noch nichts. Aus seinem Umfeld kommen extrem widersprüchliche Signale dazu, ob er überhaupt an «Deals» interessiert ist – und wohin er mit alldem will. Und diese Unsicherheit ist Gift, egal wie hoch die Zölle gerade sind. Sie bedeutet zum Beispiel, dass Anleger den Sicherheit versprechenden Franken kaufen. Und ein starker Franken verteuert Schweizer Exporte zusätzlich. Ausserdem hat Trump den Handelskrieg mit China noch mal zusätzlich angeheizt. Wenn die zwei grössten Volkswirtschaften der Welt aufeinander losgehen, wird das enorme Auswirkungen auf den Rest der Welt haben.
Das sagt der Beobachter: Stellen Sie sich drauf ein – in den kommenden Monaten wird vieles teurer, und die eine oder andere Bestellung wird nie oder Monate verspätet bei Ihnen ankommen. Denn auch wenn der Handelskrieg morgen vorbei wäre: Was gerade passiert, ist ein massiver Schock für die weltweiten Lieferketten. Weil so viele Produkte Teilchen und Rohstoffe aus aller Welt enthalten (und zig Landesgrenzen passieren, bis sie fertig zusammengebaut sind), kommt es überall zu unvorhersehbaren Problemen und Engpässen. Wie das aussehen kann, haben wir während der Pandemie zum Beispiel mit den Mikrochips erlebt:
⇒ Jetzt lesen: Gier nach Mikrochips bringt ganze Branchen in Bedrängnis
Über «Das war richtig wichtig»
Was hat die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher gemacht? Und wo gings eher rückwärts? Wo weiterlesen, wenn Sie es genauer wissen möchten? Wir liefern Ihnen immer freitagmittags drei bis vier wirklich wichtige Nachrichten – kompakt, verständlich und mit Haltung aufgeschrieben. Auch als E-Mail abonnierbar.
Sozialhilfe: Der Kanton Uri bricht ein Tabu
Darum gehts: Am 18. Mai entscheiden die Urner Stimmberechtigten über die Revision des kantonalen Sozialhilfegesetzes. Die Vorlage enthält höchst umstrittene Bestimmungen. So soll neu ein sogenannter Vermögensverzicht innerhalb der letzten zehn Jahre als Einkommen angerechnet werden können. Das heisst: Wer in dieser Zeit zu viel Geld ausgegeben hat, dem kann die Sozialhilfe gekürzt oder sogar ganz gestrichen werden. In diesem Fall würde Betroffenen nur noch Nothilfe ausbezahlt: 8 bis 10 Franken für den täglichen Bedarf.
Warum das wichtig ist: Wenn es um Ergänzungsleistungen (EL) geht, kann ein Vermögensverzicht ebenfalls angerechnet werden. Der Gedanke dahinter ist grundsätzlich akzeptiert: Man soll sein eigenes Geld nicht verschleudern können, um nachher vom Staat unterstützt zu werden. Es gibt aber einen entscheidenden Unterschied. Denn EL werden meist zusätzlich zu einer Sozialversicherung wie AHV oder IV ausbezahlt; der Schaden bei einer Kürzung ist somit weniger gravierend. Das ist bei der Sozialhilfe anders: Sie ist das letzte Auffangnetz für Personen in einer finanziellen Notlage. Und in dieser Situation haben sie gemäss Bundesverfassung einen Anspruch auf Hilfe – unabhängig davon, ob diese Not nach Ansicht einer Behörde als selbst verschuldet betrachtet wird oder nicht. Uri ritzt mit seiner geplanten Regelung also an einem verfassungsmässigen Recht.
Das sagt der Beobachter: In einzelnen Kantonen sind alle Winkelzüge recht, wenn es darum geht, bei der Sozialhilfe zu sparen und Bezügerinnen und Bezüger an die Kandare zu nehmen. Nur ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit: Sozialhilfeempfänger wurden gezwungen, zuerst ihr Alterskapital aufzubrauchen, bevor es Sozialhilfe gibt. Das verstösst ebenso gegen übergeordnete Rechtsgrundsätze wie nun die Urner Pläne mit der Einrechnung des Vermögensverzichts. Dass man sich als Kanton oder Gemeinde darum einfach foutiert, ist einem Sozialstaat unwürdig. Wenn Uri nun eine neue Spartür öffnen will, dürfte das Nachahmer auf den Plan rufen. Bereits will Bern nachziehen. «Wenn in der Sozialhilfe ein Tabu erst einmal gebrochen ist, wird das schnell salonfähig», sagt Sozialhilfe-Experte Christophe Roulin im Beobachter-Interview. Recht hat er:
Pädophilie: Beratungsangebote schützen Kinder – es gibt aber Lücken
Darum gehts: Das Therapieangebot für Personen mit sexuellen Interessen an Kindern ist in den letzten Jahren besser geworden. Das zeigt ein Bericht, den das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) diese Woche veröffentlicht hat. Allerdings gibt es nach wie vor Lücken. Im Tessin gibt es keine Stelle, die anonyme Beratung von Betroffenen anbietet. Und nicht alle Kantone bieten spezialisierte Therapieplätze an.
Warum das wichtig ist: Fachstellen gehen davon aus, dass etwa 1 Prozent der männlichen Bevölkerung in der Schweiz eine pädophile Veranlagung hat – also rund 30’000 bis 40’000 Männer. Für Frauen gibt es keine verlässlichen Zahlen, man nimmt aber an, dass sie viel tiefer sind. Spezialisierte Beratungsstellen können diese Menschen dabei unterstützen, ihre Neigungen nicht auszuleben und Therapien zu finden. Die eigentlichen psychotherapeutischen und medizinischen Behandlungen finanzieren hingegen ausschliesslich die Kantone.
Das sagt der Beobachter: Sexuelle Übergriffe auf Minderjährige können Leben zerstören, natürlich jene der Opfer, aber genauso jene der Täter. Auf den Konsum von pornografischem Material und erst recht auf sexualisierte Gewalt stehen zu Recht harte Strafen. Umso wichtiger ist die Prävention. An wen man sich wenden kann, wenn man den Verdacht hegt, dass ein Kind in Gefahr ist oder ihm etwas angetan wurde, haben wir hier aufgeschrieben:
⇒ Jetzt lesen: Wer hilft bei Missbrauch?
Das Zitat der Woche
Wissen Sie, wer richtig gut Kasse gemacht hat, während rundherum die Börsen kollabierten? Die Trump-Familie. Die hatte, wie man der «New York Times» entnehmen kann, ein richtig gutes Wochenende. Da richtete der Trump-Konzern ein Golfturnier aus – inklusive Nachtessen mit dem Präsidenten à 1 Million Dollar pro Kopf. Solche Preise kann man verlangen, weil Staatenlenker, CEOs und Lobbyisten hoffen, den Präsidenten mit teuren Übernachtungen in seinen Hotels sowie Dinnerbuchungen milde zu stimmen. Die Schweiz will aktuell nicht mitmachen:
«Frau Staatssekretärin Budliger Artieda übernachtet nicht in Hotels, welche zum Firmenkonglomerat des aktuellen US-Präsidenten Trump gehören.» – Staatssekretariat für Wirtschaft
Zwar verbringt die Seco-Chefin im Moment viel Zeit in Amerika. Aber wie das Staatssekretariat dem «Infosperber» versichert hat, weder am Frühstücksbuffet in Mar-a-Lago noch im Fitnessraum vom Trump International.
Geschrieben haben diesen Überblick diesmal Daniel Benz und Oliver Fuchs.
Wir bleiben für Sie dran. Bis nächste Woche.