SBB, Milch und Kaltakquise
Wurde die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher? Und wo gings rückwärts? Der Nachrichtenüberblick des Beobachters für die Woche vom 16. August 2024.
Liebe Leserinnen und Leser
Willkommen zu «Das war richtig wichtig». Hier ordnen wir immer freitags die wichtigsten Nachrichten der vergangenen Woche für Sie ein.
Diesmal:
- Krankenkassen: Endlich Schluss mit den nervigen Werbeanrufen
- Sicherheit im ÖV: SBB führen Bodycams für Transportpolizisten ein
- Engpässe: Schweizer Spitälern fehlen Medizinprodukte
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Das Zitat der Woche
Es war eine Krise, die das Land in seinen Grundfesten zu erschüttern drohte. Die Seuche breitete sich aus, der Bundesrat versuchte zu beruhigen, setzte eine Taskforce ein – trotzdem kam es zu Hamsterkäufen. Die Rede ist natürlich von 2006, als die EU aufgrund der Rinderseuche BSE den Import von brasilianischen Rinderdärmen einschränkte, was die sogenannte Cervelat-Krise auslöste. Dieser Tage machen wieder Meldungen vom drohenden Verschwinden einer Schweizer Institution die Runde.
«Für die Schweiz ist es traurig, aber für den Weltkonzern spielt Swissness keine Rolle.» – Stefan Kohler, Geschäftsführer der Branchenorganisation Milch
Diesmal geht es nicht um die Wurst, sondern um die Schokolade. Beziehungsweise darum, ob die weiter konsequent mit «feinster Schweizer Milchschokolade» (Zitat Hersteller) gemacht wird. Der Mondelez-Konzern könnte nämlich bald bei einem Grossteil der Toblerone auf ausländisches Milchpulver setzen. Die Details – und wie viel Schweiz per Gesetz in einem Lebensmittel stecken muss, damit es als schweizerisches Produkt verkauft werden darf – lesen Sie hier:
⇒ Jetzt lesen: Wie viel Schweiz steckt noch in der Toblerone?
Krankenkassen: Endlich Schluss mit den nervigen Werbeanrufen
Darum gehts: Der Bundesrat verbietet die sogenannte Kaltakquise. Per Verordnung stellt er die Anrufe zur Gewinnung von Neukunden unter Strafe. Die Regel gilt für alle Versicherer – also nicht nur für Krankenkassen. Und das bereits ab dem 1. September.
Warum das wichtig ist: Zwölf Jahre nachdem das Parlament ein gesetzliches Verbot mit Verweis auf die Selbstregulierung der Branche versenkt hat, handelt der Bundesrat jetzt in Eigenregie. Versicherer dürfen niemanden mehr anrufen, der seit drei Jahren nicht mehr bei ihnen Kunde ist oder es noch nie war.
Das sagt der Beobachter: Die vielbeschworene Eigenverantwortung hat im Fall der Versicherungsbranche nicht gegriffen, also greift der Bundesrat durch. Endlich. In letzter Zeit haben die Krankenkassen nämlich eher den Eindruck gemacht, dass sie künftig noch viel aggressiver um Neukunden werben wollen
⇒ Jetzt lesen: Krankenkassen geben sich heimlich neue Spielregeln
Über «Das war richtig wichtig»
Was hat die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher gemacht? Und wo gings eher rückwärts? Wo weiterlesen, wenn Sie es genauer wissen möchten? Wir liefern Ihnen immer freitagmittags drei bis vier wirklich wichtige Nachrichten – kompakt, verständlich und mit Haltung aufgeschrieben. Auch als E-Mail abonnierbar.
Sicherheit im ÖV: SBB führen Bodycams für Transportpolizisten ein
Darum gehts: Die SBB führen ab September für die Transportpolizistinnen und -polizisten schweizweit Bodycams ein. Diese Videokameras werden am Körper getragen. Jede Patrouille werde mit mindestens einer Bodycam ausgestattet, teilten die SBB mit. Insgesamt würden 100 Bodycams beschafft.
Warum das wichtig ist: Die Bodycams sollen in Konflikten deeskalierend wirken und potenzielle Täterinnen und Täter abschrecken. Zudem sollen sie der Aufzeichnung zur Beweissicherung dienen. Auch in den Kantonen wird über die Einführung von Bodycams für Polizistinnen und Polizisten diskutiert. Die Stadt Zürich hat im Juli bereits entsprechende Kameras eingeführt. In Basel lehnte das Parlament die Einführung ab.
Das sagt der Beobachter: Da im öffentlichen und im privaten Raum immer mehr Kameras installiert werden, hat der Beobachter die wichtigsten Fragen dazu beantwortet: Was darf eigentlich der Staat überwachen? Und unter welchen Voraussetzungen? Was gilt unter Nachbarn? Was dürfen Hauseigentümer? Die Antworten dazu finden Sie hier:
⇒ Jetzt lesen: Sie werden gerade gefilmt
Engpässe: Schweizer Spitälern fehlen Medizinprodukte
Darum gehts: Implantate oder Katheter sind vermehrt Mangelware, wie «10 vor 10» vermeldet. Der Schweiz fehlen Medizinprodukte, also Materialien, Instrumente und Apparaturen. Hauptgrund für den Mangel sind verschärfte Zulassungsbedingungen der EU. Diese fordern, dass selbst zugelassene Medizinprodukte neu geprüft werden. Weil es nur wenige Prüfstellen gibt, ist oft mit langen Wartezeiten zu rechnen.
Warum das wichtig ist: Medizinprodukte sind essenziell für die Forschung und die medizinische Versorgung – ein Mangel kann die Patientensicherheit gefährden. Sowohl Medtech-Firmen als auch Spitäler sind deshalb auf schnelle Lieferungen angewiesen. Die Radiologie am Unispital Basel müsse sich bereits um Alternativen kümmern, heisst es im Bericht. Knapp seien etwa Katheter, die für viele minimalinvasive Eingriffe benötigt werden.
Das sagt der Beobachter: Nicht nur Medizinprodukte fehlen, auch bei Medikamenten kommt es immer häufiger zu Engpässen. Weil sich die Produktion der Wirkstoffe inzwischen auf wenige Anbieter in China und Indien beschränkt, haben Probleme bei der Herstellung und Lieferung weltweite Konsequenzen. Sind Lösungen in Sicht? Können Spitäler auch selbst Medikamente ausstellen? Antworten finden Sie hier. Übrigens kann man die meisten Medikamente übers Verfallsdatum hinaus konsumieren.
⇒ Jetzt lesen: Abgelaufen, aber immer noch gut
Die Sommerferien sind durch; in Bern wird wieder eifrig politisiert. So gibt es derzeit Knatsch, wie der Ausbau der Armee finanziert werden soll. Und der Abstimmungskampf hat begonnen. Um die 13. AHV-Rente zu finanzieren, will der Bundesrat nun die Mehrwertsteuer erhöhen. Und am 22. September stehen die Abstimmungen über die Biodiversitätsinitiative und die Reform der beruflichen Vorsorge an. Diese Woche hat der Bundesrat empfohlen, die Initiative abzulehnen. Und erste Umfragen deuten derzeit bei beiden Vorlagen auf ein «Ja» – allerdings nur knapp. Wir bleiben für Sie dran.
Geschrieben haben den Überblick diesmal Caroline Freigang, Oliver Fuchs und Jasmine Helbling.
Bis nächste Woche.