Im Stadtverkehr vor der Kreuzung: Das schwarze SUV zieht nach rechts, der Velofahrer richtet sich ruckartig auf, schlägt seine Faust an die Seitenscheibe des SUV und schickt ein paar böse Fluchworte hinterher. Solche oder ähnliche Szenen kann ab und an beobachten, wer regelmässig im Strassenverkehr unterwegs ist. 

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Wie gefährlich Velofahren ist, hat jetzt eine österreichische Forschergruppe in einem länderübergreifenden Projekt dokumentiert. Die Gruppe hat wissenschaftlich untersucht, wie gross der Abstand ist, mit dem Autos die Velos überholen. In der Schweiz wurden dafür Strassenabschnitte in Bühler AR, Marbach LU, Sachseln OW, Uznach SG und Walchwil ZG sowie vier Strassen in Zürich genauer unter die Lupe genommen.

Nur gerade 21 Zentimeter Abstand

In der Schweiz halten die Autos im Vergleich zu Deutschland und Österreich den geringsten Abstand ein. 107 Zentimeter misst er im Durchschnitt. Der kleinste gemessene Abstand betrug nur gerade 21 Zentimeter. Etwas sicherer für Velofahrer waren Überholvorgänge in Österreich mit einem Abstand von durchschnittlich 118 Zentimetern. Am meisten Distanz halten Autos in Deutschland ein: 128 Zentimeter.

Aus den Ergebnissen ihrer Studie leiten die Forscher zwei Empfehlungen für die Schweiz ab:

  • Aufnahme eines Überholverbots von einspurigen Fahrzeugen ins Strassenverkehrsgesetz. Das Verbot könnte für enge oder unübersichtliche Strassenabschnitte verhängt werden.
  • Obligatorischer Abstand von 1,5 Metern beim Überholen innerorts.

In Deutschland und Österreich ist der Mindestabstand bereits Pflicht, in Deutschland kann zudem ein Überholverbot verhängt werden.

VCS dafür, TCS dagegen

Beim Verkehrs-Club der Schweiz (VCS) stossen die Forderungen erwartungsgemäss auf Zuspruch. «Wir unterstützen beide Forderungen mit einem klaren Ja», erklärt die Medienstelle.

Der Touring Club Schweiz (TCS) lehnt die Forderungen ab. Das Gesetz schreibe bereits heute vor, dass man nur überholen dürfe, wenn genügend Platz vorhanden sei. «Ein minimaler Überholabstand wäre ausserdem kaum zu kontrollieren», sagt Mediensprecher Marco Wölfli. Die gelben Velostreifen sensibilisierten die Autofahrenden bereits dafür, genügend Abstand zu halten.

Mitglieder der Verkehrskommissionen von National- und Ständerat äussern sich unterschiedlich. Der Graubündner Mitte-Ständerat Stefan Engler unterstützt eine seitliche Abstandsregel bei Geschwindigkeiten ab 50 Kilometer pro Stunde. «Ein Überholverbot sehe ich eher nicht», so Engler. Der Zürcher FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt möchte die Sicherheit eher mit baulichen Massnahmen statt mit Verboten erhöhen.

«Der Königsweg wären eigene Linienführungen.»

Barbara Schaffner, Nationalrätin Grünliberale/ZH

Die Zürcher Nationalrätin Barbara Schaffner von den Grünliberalen bekennt sich zwar zu den Bedürfnissen der Velofahrenden: «Velofahren muss attraktiver und sicherer gemacht werden, damit mehr Leute umsteigen. Der Königsweg wären eigene Linienführungen oder klar markierte Velostreifen», sagt sie. Ein Überholverbot sei prüfenswert bei engen Platzverhältnissen, ein vorgeschriebener Mindestabstand beim Überholen jedoch nicht, da dieser kaum kontrollierbar sei.

Fazit: Einfach dürften es die von den Forschenden abgegebenen Empfehlungen für mehr Velosicherheit in Bundesbern nicht haben.