Warum fahren so viele Leute schwarz?
So viele wie noch nie werden ohne Billett in Zug, Bus oder Tram erwischt. Warum das so ist und was sich ändern muss.
Veröffentlicht am 7. Februar 2024 - 16:35 Uhr
Mehr Menschen denn je nutzen den ÖV – und zahlen nicht dafür. Ende 2023 waren im nationalen Schwarzfahrerregister fast eine Million Personen eingetragen, schreibt der «Tages-Anzeiger». Das ist ein Zehntel der Schweizer Bevölkerung, wobei auch Touristinnen und Grenzgänger mit eingerechnet sind. Die Daten zeigen zudem: Zwei Drittel der Passagiere ohne Billett sind Wiederholungstäter.
Reisen ohne gültigen Fahrausweis, wie es die SBB nennen, hat also Hochkonjunktur. Das kommt die Transportbranche teuer zu stehen. Sie beziffert den Schaden durch die Einnahmeausfälle auf rund 100 Millionen Franken pro Jahr. Blechen müssen aber auch jene, die erwischt werden. Bei den SBB im ersten Fall 90 Franken, beim zweiten Mal 130. Wer nochmals erwischt wird, zahlt 160 Franken. Und bekommt in der Regel eine Strafanzeige obendrauf.
Was sind die Motive?
Die Sanktionen sind also happig, insbesondere für Wiederholungstäterinnen. Und trotzdem fahren viele ohne Billett. Wieso?
Für den Preisüberwacher Stefan Meierhans ist der Billettpreis ein Schlüsselkriterium für die ÖV-Nutzung. Ob er einen Einfluss auf die Zahl der Passagiere ohne Billett hat, könne er aufgrund mangelnder Daten nicht einschätzen. Grünen-Nationalrat Michael Töngi sagt, gerade für junge Leute brauche es günstigere Angebote, um die Einstiegshürden zu verringern.
Auch Sara Stalder, Geschäftsleiterin beim Konsumentenschutz, findet es überfällig, dass der ÖV Abolösungen anbietet, die für verschiedene Personengruppen lukrativ sind. «Einzelfahrten sind sehr teuer», sagt sie.
Wieso Leute ohne Billett fahren und ob günstigere Preise ein Anreiz wären, das Billett zu kaufen, kann Susanna Wittwer Klingler nicht beantworten. Sie ist Kommunikationsverantwortliche bei Alliance Swisspass. «Wir interpretieren diese Zahlen nicht», sagt sie. Doch sie ist der Meinung, dass der ÖV in der Schweiz grundsätzlich für alle bezahlbar sei. «Das zeigt die grosse Zahl der Reisenden mit gültigem Billett.»
Für Armutsbetroffene ein Problem
Anderer Meinung ist Niels Jost, Mediensprecher bei Caritas Schweiz. Für Leute, die wenig Geld haben, sei der ÖV teuer. Insbesondere die steigenden Preise seien für Armutsbetroffene schlimm: «Wenn ein Billett anstatt 3 Franken neu 3.50 kostet, ist das für sie nach mehreren Fahrten spürbar.» Er warnt jedoch davor, eine Verbindung zwischen Armutsbetroffenen und Passagieren ohne Ticket zu machen. «Aber wenn ÖV-Billette für Menschen mit knappem Budget günstiger wären, würde das extrem helfen.»
Ob das Billett zu teuer ist oder nicht – unabhängig von dieser Frage sind Nationalrat Michael Töngi wie auch Sara Stalder vom Konsumentenschutz der Meinung, dass Fahren ohne gültigen Fahrausweis bekämpft werden müsse. Die Frage sei aber, wie das verfolgt werde: «Mehrere Hundert Franken Busse für ein fehlendes Kurzstreckenbillett finde ich fragwürdig», sagt Töngi.
13 Kommentare
Irgend etwas stimmt einfach nicht, Leute die mit dem GA von Zürich nach Bern pendeln zahlen dafür ca. 4000 Franken für 50'000km = 8Rp/km. Ich zahle 6.40 für 30Km = gut 21 Rp/km. das ist 3 mal mehr!
kurz nachdem man in den Medien berichtete dass ein 90jähriger, Schweizerbürger mit Kenntnis der Sprache (in diesem Fall schweizerdeutsch), wegen nicht korrekt gelöstem SBB-Billett (wirres System von möglichen Fahrten zum selben Ort) wurde er kurzerhand am folgendem Bahnhof gezwungen auszusteigen.
ein paar Tage später erlebte ich in Zürich (Tram 14) während der Fahrt von der Haltestelle Stauffacher bis Haltestelle Triemli eine Fahrkartenkontrolle. es waren 3 Kontrolleure die höflich die Fahrgäste forderten die Fahrkarte oder Abo zu zeigen. eine Person, die an der Türe stand wurde von einem Kontrolleur auf deutsch und englisch angesprochen. die angesprochene Person verneinte mit einer Kopfbewegung jeweils, dass er scheinbar nicht verstand was der Kontrolleur von ihm verlangte. der Kontrolleur entfernte sich ohne weitere Kommentare von dieser Person. an der Endhaltestelle Triemli ging ich zu den 3 Kontrolleure und fragte den Betroffenen Kontrolleur wieso er die Person weiterfahren liess. die Person sei den Kontrolleuren bekannt. er fahre dauernd ohne Fahrkarte. eine Busse zu verlangen sei nicht möglich. ihn fordern auszusteigen bringe ebenfalls nichts. also lassen wir ihn fahren. ich sagte dass ihr Verhalten nicht korrekt wäre. das wäre ihnen klar, aber so ist es halt. das kennen wir doch "die 3 Affen" nicht sehen nicht hören nicht sprechen.
Es fällt mir immer wieder auf, sei es im Strassenverkehr oder eben in der Bahn.... etc. Als Schweizer/in werden wir sehr oft diskriminiert und zur Kasse gebeten, wo offensichtlich auch ein klärendes Gespräch geholfen hätte ! Die Diskrepanz ist viel zu hoch. Ist mir auch schon passiert. Schämen sollte sich unser System, eine ältere Person aus dem Zug zu "spedieren"!!
Im Beobachter-Newsletter vom 11.2. wird versprochen: "So viele wie noch nie werden ohne Billett in Zug, Bus oder Tram erwischt.
Warum das so ist und was sich ändern muss, erklären wir hier."
Doch im Artikel gibt es keine Aussage dazu, sondern nur, dass es sehr viele sind, viele Wiederholungstäter seien und auch die Kommunikationsverantwortliche bei Alliance Swisspass wisse nicht, wieso die Leute schwarz fahren.
Weitere nicht sehr hilfreiche Aussagen: "Für Leute, die wenig Geld haben, sei der ÖV teuer." Oder: "Aber wenn ÖV-Billette für Menschen mit
knappem Budget günstiger wären, würde das extrem helfen."
Ja warum jetzt fahren die vielen Menschen schwarz und was muss man jetzt dagegen tun?
Irgendwie ist da im ganzen Artikel der Wurm drin, denn gem. Herrn Thöngi sind mehrere Hundert Franken Busse für ein fehlendes Kurzstreckenbillett fragwürdig." Jedoch oben im Artikel:
"Bei den SBB im ersten Fall 90 Franken, beim zweiten Mal 130. Wer nochmals erwischt wird, zahlt 160 Franken." Passt doch nicht zu den mehreren Hundert Franken.
Solange selten kontrolliert wird lohnt sich das Schwarzfahren. Und nachdem nach Corona wieder häufigere Kontrollen stattfinden steigen die Zahlen der Erwischten an, auch wenn Schwarzfahren nicht häufiger ist. In Folge werden die Zahlen wieder zurückgehen, weil - siehe oben.