Alle fünf Jahre muss sich die Schweiz höhere Klimaziele setzen. So verlangt es das Pariser Klimaabkommen von allen Mitgliedsstaaten. Zuletzt wollte der Bund die Treibhausgasemissionen bis 2030 halbieren – verglichen mit dem Jahr 1990. Das neue Ziel sieht eine Reduktion von 65 Prozent bis ins Jahr 2035 vor. 

Elegant formuliert der Bund, dass die Ziele «vorrangig mit Massnahmen im Inland erreicht werden» sollen. Was zwar richtig ist, aber verschleiert, dass man gerade mit dem neuen Schweizer CO₂-Gesetz mehr Reduktion als bisher ins Ausland verlagern will. Mit Projekten, die in der Praxis mit gröberen Problemen kämpfen, wie etwa ein Prestigeprojekt in Thailand, wie der Beobachter aufdeckte.

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Wieso man sehr genau hinschauen muss, was der Bund hier konkret der Uno unterbreitet, sagt Greenpeace-Klimaexperte Georg Klingler im Interview.

Georg Klingler, die Schweiz hat im Rahmen des Pariser Klimaabkommens neue Verminderungsziele bis 2035 bekannt gegeben. Wieso ist das wichtig?
Das ist extrem wichtig, es ist das Herzstück des Abkommens. Daran können wir ablesen, wo wir global beim Klimaschutz stehen. Wir haben mit den anderen Ländern vereinbart, dass wir die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad stabilisieren müssen. Man hat aber nicht abgemacht, wer genau was dafür tut.

Man konnte die Länder schlicht nicht dazu bewegen, von Anfang an das Nötige umzusetzen. Deshalb hat man ein Modell gewählt, das ein bisschen wie eine Kunstauktion funktioniert: Die Angebote müssen immer besser werden, damit man dem Ziel näher kommt. Nach diesem Prinzip soll es auch mit den Eingaben laufen, die die Länder alle fünf Jahre machen. Mit jeder Runde verpflichten sich die Staaten zu ambitionierteren Zielen. 


Sie werfen dem Bund vor, mit den neuen Klimazielen das 1,5-Grad-Ziel aufzugeben. Woran machen Sie das konkret fest?
Zuerst muss man sagen, dass der Bund einfach behauptet, mit den verabschiedeten Emissionsminderungen das 1,5-Grad-Ziel einhalten zu können, einen wissenschaftlichen Nachweis bleibt er schuldig. Der Bund schreibt explizit, dass die Schweiz nur so viel reduzieren will, wie der globale Durchschnitt beträgt. Die Schweiz schlägt damit einen Kurs ein, der nicht dafür taugt, das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten und die Klimaerhitzung zu stoppen.


Wieso nicht?
Es würde bedeuten, dass Länder mit tieferen Emissionen und weniger Wirtschaftskraft zukünftig pro Kopf deutlich weniger Emissionen beanspruchen dürften als die Schweiz. Die Schweiz will zu viel vom knappen CO₂-Restbudget für sich beanspruchen. 

«Reiche Länder werden mit dem Plan des Bundes bevorteilt. Das ist nicht fair.»

Reiche Länder werden mit dem Plan des Bundes bevorteilt. Das ist nicht fair. Und widerspricht dem Grundprinzip der «gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und jeweiligen Fähigkeiten». Der Bund führt zwar lang und breit aus, was fair wäre, setzt es aber selber nicht um. Es ist, wie wenn man eine Pizza in gleich grosse Stücke teilt, und statt dass jeder seinen gerechten Anteil erhält, kommt die Schweiz einfach und beansprucht von vornherein zwei Stücke für sich.


Ist das neu oder hat die Schweiz sich auch früher am Durchschnitt orientiert?
Das ist nicht neu. Mit dieser Argumentation hat die Schweiz ja auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte EGMR argumentiert und verloren. Mit den jetzt eingereichten Verminderungszielen zeigt sie nochmals, dass sie sich um dieses Urteil foutiert.


Ist es nicht einfach realistisch, was der Bundesrat vorschlägt? Immerhin muss er das innenpolitisch ja auch durchbringen.
Klar, die eigene Bevölkerung muss man mitnehmen. Aber wenn die Regierung schon mit einem Fuss auf der Bremse in die Verhandlungen geht, schafft man es nie, ambitionierte Ziele durchzubringen. Der vorauseilende Gehorsam wird zur selbsterfüllenden Prophezeiung. Und die Schweiz fällt gegenüber anderen Ländern deutlich ab.

Dänemark hat nur schon bis 2030 das Ziel, 70 Prozent der Emissionen zu reduzieren. Die Schweiz müsste bis 2035 mindestens 87 Prozent Reduktion anpeilen. Um das zu erreichen, sollten wir auch vor Verboten nicht zurückschrecken, wie zum Beispiel Norwegen, wo seit dem 1. Januar 2025 keine neuen Verbrennerautos mehr erlaubt sind.

Quellen