In meiner Strasse ist es heiss. Sehr heiss. Es gibt nur Asphalt. Keinen Baum, keine Vorgärtchen. Wenn man meine Adresse auf Google Maps eingibt, sieht es nicht besser aus: Meinen Innenhof säumen sechs Flachdächer, kein Kraut wächst darauf.

Beton und Asphalt speichern Hitze und geben sie gnadenlos an die Umgebung ab. Bis tief in die Nacht, wenn ich schwitzend in meinem Bett liege. Kleinbasel ist eine Wärmeinsel. Vor allem seit der Klimawandel die Stadt aufheizt wie ein Grill die Würstchen.

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Grün würde Abhilfe schaffen. Denn Pflanzen kühlen Zunehmende Hitze 10 Tipps, wie Sie im Sommer cool bleiben spürbar, weil sie durch Verdunstung Wasser abgeben. In Basel gibt es eine Fläche so gross wie 280 Fussballfelder, die man zusätzlich begrünen könnte: Flachdächer. Sie sind für die Stadtökologie so etwas wie ein Rohdiamant, brachliegendes Potenzial, das mehrere Probleme lösen könnte, wenn man es nur konsequent nutzen würde.

Begrünte Dächer bieten Lebensräume für Pflanzen, Insekten, Vögel Urban Birding Die Städter kommen auf den Vogel und Eidechsen. Sie kühlen das Stadtklima und binden Feinstaub. Sie schützen die Dachhaut vor aggressiver UV-Strahlung, die Materialschäden verursachen kann. Sie isolieren die Häuser, sparen damit Heizenergie und bieten erst noch Platz für Solaranlagen. Wenn sie mit genügender Nutzlast konzipiert werden, entstehen auf Neubauten Gärten und Freizeitanlagen – zusätzlicher Lebensraum.

Spätestens seit dem Hitzesommer 2018 Fake News in der Klimadebatte «Es war alles von A bis Z erfunden» ist klar: Man muss in den Städten etwas gegen die Hitze unternehmen. Etwa indem man die Flächdächer begrünt.
 

8 Milliarden Franken könnten mit begrünten Dächern und Fassaden erwirtschaftet werden.


Das Potenzial ist enorm. In der Schweiz gibt es 147 Millionen Quadratmeter Flachdächer. Unbegrünte Dächer konvertieren 95 Prozent der Strahlung in Wärme. Auf begrünten Dächern hingegen wandeln Pflanzen bis zu zwei Drittel der Sonneneinstrahlung in Verdunstungskälte um. Nur Stadtbäume kühlen noch stärker.

«Bäume könnten problemlos auch auf Dächern wachsen», sagt Emanuel Trueb, Leiter der Basler Stadtgärtnerei. Man müsse Neubauten nur mit entsprechender Dachlast konzipieren. «Flachdächer lassen sich wie Decken von Tiefgaragen bauen, die oft das Gewicht ganzer Bauten und Gärten tragen.» Flachdächer von älteren Bauten begehbar und für Menschen nutzbar zu machen, sei zwar kostspieliger. Man könne sie aber mit relativ wenig Aufwand begrünen.

Die Pflicht zum Begrünen

Auf Neubauten ist fast alles möglich: begehbare Gärten, Swimmingpools, Tennisplätze, Urban-Farming-Felder, Weinberge oder eine Bar. Doch auf den meisten Dächern herrscht gähnende Öde. «Wir gehen sehr verschwenderisch damit um», sagt Stephan Brenneisen, Dozent für Stadtökologie und so etwas wie der Dachpapst der Schweiz. «Es ist eine riesige verlorene Fläche», bestätigt die Basler Architektin Barbara Buser. Sie hat sich mit Zwischen- und Umnutzungen von Brachland schweizweit einen Namen gemacht.

Seit den 1990er Jahren ist es in einigen Städten Pflicht, Dächer ab einer gewissen Grösse zu begrünen, allerdings nur bei Neubauten und Sanierungen. Das ist der Grund, warum etwa in Zürich erst ein Drittel der Dächer grün ist. Die Stadt kann Hausbesitzer nicht zwingen, bereits bestehende Gebäude zu begrünen. Sie kann aber Subventionen sprechen.

In Basel wurden rund 9,5 Hektar Dachfläche mit Fördergeldern begrünt. Da sie besser isolieren, lassen sich jährlich sieben Millionen Kilowattstunden Heizenergie Erneuerbare Energien So einfach geht sauber heizen einsparen, hat das Amt für Umwelt und Energie berechnet.

Kaum Arbeit, wertvoll für die Natur

«Einige Städte haben den Klimanotstand ausgerufen,» sagt Stadtökologe Brenneisen. Investitionen in Dachbegrünungen wären eine Massnahme im Kampf gegen die Klimaerwärmung. Über Abgaben könnten Gemeinden die Begrünung fördern. In Basel-Stadt etwa müssen Bauherren, die mehr Geschosse planen als im Zonenplan vorgesehen, bereits jetzt eine Mehrwertabgabe entrichten, weil sie mit dem Luftraum öffentliches Gut nutzen. Die Gelder werden zugunsten des städtischen Freiraums eingesetzt und könnten auch für öffentliche Dachgärten gesprochen werden, sagt Architektin Barbara Buser.

«Dachpapst» Brenneisen plädiert dafür, die Pflicht zum Begrünen härter zu formulieren und besser zu kontrollieren. «Viele Begrünungen sind schlecht gemacht, sie sind wie Wüsten», bemängelt er. Die Substratschicht sollte mindestens 15 Zentimeter dick sein, um Pflanzen und Tieren echten Lebensraum zu bieten. Gut angelegt, seien Dachwiesen selbsterhaltende Ökosysteme, die kaum Arbeit verursachen und für die Natur wertvoll sind. Bienen beispielsweise lieben urbane Magerwiesen, weil anders als in Landwirtschaftsgebieten kaum Pestizide Pestizide Gefahr in der Luft eingesetzt werden. Sie sind ideale Bewohner für ungenutzte Flachdächer. Das haben etwa die Imker von «Wabe 3» erkannt. Sie halten drei Millionen Bienen auf Zürcher Flachdächern und verkaufen deren Honig.

Rooftop Gardening: New York oder Mailand machen es vor

Auf Neubauten wären auch Familiengärten möglich und sinnvoll, sagt Architektin Barbara Buser. «Sie würden die Lebensqualität in verdichteten Städten deutlich verbessern.» Rooftop Gardening heisst der Trend. In der Schweiz sind Investoren noch kaum auf den Geschmack gekommen. In Grossstädten wie New York oder Mailand, wo Boden teuer ist und die Platznot gross, ist man dagegen schon viel weiter.

Die Nutzung von Dächern und Fassaden wäre lukrativ, hat die Beratungsfirma Wüest Partner berechnet. Acht Milliarden Franken liessen sich mit Urban Farming, Gastronomie, Werbeflächen und Stromproduktion zusätzlich erwirtschaften.

Damit Bauherren ihre Dächer nutzen, müsse man ihnen ein Zückerchen geben, so Brenneisen. «Man könnte etwa erlauben, dass sie zwei Prozent mehr Grundstücksfläche überbauen, wenn sie einen Dachgarten anlegen.» Der Schweizer Architekt Le Corbusier sagte bereits vor fast 100 Jahren: «Ist es nicht wahrhaft wider alle Logik, wenn eine ganze Stadtoberfläche ungenutzt und der Zwiesprache mit den Sternen vorbehalten bleibt?»

Eine eigene Welt

Dank dem Kultur-Newsletter «Ron Orp’s Mail» feiern heute zumindest einmal im Jahr die Stadtmenschen unter den Sternen. Am «Rooftop Day» öffnen Private und Firmen in vier Schweizer Städten ihre Dachterrassen für einen Tag, veranstalten Yoga-Kurse, Kakao-Zeremonien und Konzerte, es wird gegrillt und gechillt unter dem Stadthimmel.

«Man fühlt sich frei dort oben, über dem Trubel. Jedes Dach ist ein eigener kleiner Kosmos», schwärmt Mitorganisator Jan Gross. Die Dachkultur sei gewachsen in den letzten Jahren. «Aber es gibt noch viel Luft nach oben.»

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