Endlich eine volle Kuh
Jahrelang waren Mutterkühe subventionstechnisch nicht vollwertig. Das hat sich am 1. Januar geändert. Mit ungeahnten Folgen.
Veröffentlicht am 18. März 2014 - 09:50 Uhr
Ob ein Kalb das Euter leert oder die Bäuerin die Maschine ansetzt: Eine Kuh ist und bleibt eine Kuh. Das ist im Stall so – aber nicht in den Stuben des Bundesamts für Landwirtschaft. Dort war eine Mutterkuh bis 2013 nur 80 Prozent einer Milchkuh wert. Darum bekamen die Bauern für einen tierfreundlich gebauten Stall 20 Prozent weniger Subventionen, wenn Mutterkühe statt Milchkühe dort hausten.
Auch die Subventionen für den Aufwand, um die Kühe auf die Weide und zurück in den Stall zu bringen, richteten sich nach der Art, wie das Euter entleert wird: Saugte ein Kalb daran, gabs 20 Prozent weniger Geld. Und wer eine Milchkuhalp in eine Mutterkuhalp umwandelte, musste für gleich hohe Subventionen mehr Tiere auftreiben. Damit ist nun Schluss: Vor dem Gesetz sind nun alle Kühe gleich, egal, ob Kälber oder Melkmaschinen an ihren Zitzen saugen.
Das bringt die Beamten in Bern in grosse Not und die Statistik arg durcheinander. Da das Amt nichts dem Zufall, der Natur und schon gar nicht den Bauern überlässt, hat es für alle 8000 Schweizer Alpen einen sogenannten Normalbesatz definiert, der sich aus der Anzahl tierischer Raufutterverzehrer und den Alptagen berechnet. Weil Mutterkühe nun als vollwertige Raufutterverzehrer gelten, besteht die Gefahr einer Übervölkerung der Alp – oder Überbestossung, wie es der Beamtenmund nennt –, auch wenn gleich viele Tiere hinaufgetrieben werden wie in den Jahren zuvor. Und wird der Normalbesatz einer Alp um zehn Prozent überschritten, kürzt man die Subventionen. Das macht die Bauern sauer.
Das Bundesamt für Landwirtschaft hat das Problem erkannt, aber keine Lösung parat. Vorerst setzt man auf eine Ausnahmebewilligung: Die Alpsubventionen werden nicht gekürzt, wenn der Normalbesatz nur wegen der geänderten Rechnerei überschritten wird. Bern will das Thema angeblich «pragmatisch» angehen. Es soll eine Anhörung der Kantone und eine Änderung der Direktzahlungsverordnung geben. Aber auch neue Bewirtschaftungspläne, die mit einem riesigen bürokratischen Aufwand verbunden sind.