Ihre Rechte und Pflichten
Wer eine Versicherung abschliessen will, sollte sich nicht auf den Vertreter verlassen. Sondern auf sich selbst. Alles andere kann teuer enden.
Veröffentlicht am 11. Oktober 2010 - 08:49 Uhr durch
Versicherungen sind für die meisten ein Buch mit sieben Siegeln. Sie befassen sich nicht gern mit Risiken, Deckungslücken und aufdringlichen Vertretern. Doch wer sich gegen existenzbedrohende Risiken absichern will, kommt nicht darum herum. Gut, gibts da Spezialisten, die persönlich beraten. Aber die meisten von ihnen leben von Provisionen: Je teurer die Versicherung, die er Ihnen aufschwatzt, desto mehr verdient der Berater.
Deshalb sollten Sie mehrere Konkurrenzofferten vergleichen und sich über die genauen Vertragsinhalte informieren. Und Sie sollten Ihre Rechte und Pflichten als Versicherungsnehmer kennen. Denn die meisten Versicherten bekommen die Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes und der allgemeinen Versicherungsbestimmungen erst im Streitfall mit. Doch dann ist es zu spät.
Zu schnell unterschrieben: Hugo Altermatt* unterzeichnet bei einem Besuch eines Versicherungsvertreters einen Antrag für eine Privathaftpflicht - und eine Hausratversicherung mit zehnjähriger Laufzeit. Am nächsten Tag fragt er bei einer anderen Versicherung nach – hier wären die Prämien rund 20 Prozent tiefer. Zudem beträgt die Versicherungsdauer nur ein Jahr. Weil die erste Gesellschaft kein freiwilliges Rücktrittsrecht einräumt und die Police bereits nach einer Woche bei ihm eintrifft, ist der Vertrag für die nächsten zehn Jahre fest. Hugo Altermatt kann ihn nur auflösen, wenn er einen Schaden hat, wenn ein Risiko wegfällt oder wenn die Versicherung die Prämie erhöht.
Das muss man wissen: Nicht alle Versicherungen räumen ihren Kunden ein Rücktrittsrecht ein. Nur wenn ein solches in den allgemeinen Versicherungsbestimmungen (AVB) erwähnt ist, können Sie einen Versicherungsantrag sofort zurückziehen. Sonst sind Sie während 14 Tagen an den Antrag gebunden (respektive vier Wochen, wenn für den Abschluss eine ärztliche Untersuchung nötig ist – etwa bei einer Lebensversicherung). Hören Sie innert dieser Frist nichts vom Versicherer, sind Sie wieder frei und können vom Vertrag zurücktreten. Ihren Rücktritt sollten Sie dem Versicherer schriftlich mitteilen, aus Beweisgründen am besten eingeschrieben.
Versicherungen können einem das Leben in einem Schadenfall wesentlich erleichtern. Doch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind nicht immer leicht zu verstehen. Beobachter-Mitglieder erhalten wertvolle Tipps im Umgang mit Privatversicherungen sowie mit provisionshungrigen Vermittlern.
Keine schriftliche Offerte erhalten: Max Hermann* wird von einem unabhängigen Vermittler besucht, der ihm eine Sparversicherung der steuerbegünstigten Säule 3a mit einer Laufzeit von 38 Jahren verkauft. Als Hermann die Police erhält, realisiert er, dass er diesen Vertrag nicht braucht. Er kann ihn sich auch gar nicht leisten. Hermann hat vom Berater weder eine schriftliche Offerte noch die AVB erhalten. Theoretisch könnte er den Vertrag jetzt wieder kündigen. Praktisch dürfte das schwer durchsetzbar sein, weil er kaum nachweisen kann, dass die Versicherung ihre Informationspflichten verletzte. Denn auf dem Antrag hat Hermann mit der Unterschrift unter anderem bestätigt, die Unterlagen erhalten zu haben. Hermann ist also definitiv eine Jahresprämie los, wenn er jetzt kündigt.
«Es empfiehlt sich, den Versicherungsantrag und die darin aufgeführten Unterlagen vor Unterzeichnung des Antragsformulars genau zu studieren», sagt Martin Lorenzon, Ombudsmann der Privatversicherung und der Suva.
Fragen dieser Art gehen beim Beobachter-Beratungszentrum vor allem im Zusammenhang mit Strukturvertrieben ein. Nur in Ausnahmefällen ist ein Rücktritt möglich. Etwa dann, wenn man mit Aussagen von Zeugen beweisen kann, dass Dokumente gar nicht erst zugestellt wurden. In diesem Fall könnte ein Kunde allenfalls vor Gericht Recht bekommen.
Bereits vor dem Versicherungsabschluss muss die Versicherung Sie schriftlich und verständlich über die wesentlichen Inhalte des Vertrags informieren. Dazu gehören:
- Welche Risiken sind versichert?
- Wie hoch ist der Versicherungsschutz?
- Wie hoch sind die geschuldeten Prämien? Welche weiteren Pflichten hat der Versicherungsnehmer?
- Wie lange läuft der Vertrag? Und wie kann er beendet werden?
- Bei Lebensversicherungen kommt hinzu, wie sich die Überschüsse berechnen und wie hoch die Rückkaufs- und Umwandlungswerte während der Laufzeit sind.
Ausserdem müssen Sie im Besitz der AVB sein. Verletzt der Versicherer eine dieser Pflichten, können Sie den Vertrag innert vier Wochen kündigen – aber nur bis ein Jahr nach der Pflichtverletzung.
Anderer Fahrer eingetragen: Franz Pfister* beantragt eine Vollkaskoversicherung für den Sportwagen seines 20-jährigen Sohnes. Damit er von einem möglichst hohen Bonus auf der Prämie profitiert, gibt er sich selbst als häufigsten Lenker an. Nach einem Selbstunfall mit Totalschaden findet die Versicherung heraus, dass einzig der Sohn mit dem Auto fuhr. Sie macht eine Anzeigepflichtverletzung geltend, kündigt den Vertrag und zahlt überhaupt nichts.
Das muss man wissen: Als Stolperstein für Versicherungsnehmer erweist sich oft der Fragebogen, der ausgefüllt werden muss. Für die Versicherung ist dieses Papier wichtig, dient es doch der Einschätzung ihrer Risiken. Bei den Autohaftpflicht- und Kaskoversicherungen handeln die Fragen von früheren Unfällen, Schadensmeldungen oder gefahrenen Kilometern. Für Sie als Kunde ist der Fragebogen wichtig, weil die Antworten darüber entscheiden, ob Sie überhaupt versichert werden, und wenn ja, wie hoch die Prämie ist.
HIV-Infektion verschwiegen: Bei Abschluss einer Lebensversicherung verschweigt ein Kunde seinen positiven HIV-Test. Vier Jahre später stirbt er bei einem Verkehrsunfall. Obwohl die Versicherung herausfindet, dass er die Anzeigepflicht verletzt hat, muss sie das versicherte Todesfallkapital an die Begünstigten auszahlen. Die verschwiegene HIV-Infektion hatte keinen Einfluss auf den Tod des Versicherten. Wäre er hingegen an den Folgen von Aids gestorben, hätte der Versicherer bloss den Rückkaufswert zum Todeszeitpunkt auszahlen müssen.
Das muss man wissen: Bei Lebens- oder Erwerbsausfallversicherungen stellt die Versicherung detaillierte Fragen zu bestehenden Krankheiten, einzunehmenden Medikamenten oder zu gesundheitlichem Verhalten, um ihre Risiken einzuschätzen. Nehmen Sie die Fragen zu Ihrem Gesundheitszustand nicht auf die leichte Schulter und entscheiden Sie nicht selbst, was wichtig ist und was nicht. Lassen Sie die Fragen auf keinen Fall vom Berater beantworten, nehmen Sie die Hilfe Dritter in Anspruch, bei Gesundheitsfragen etwa Ihres Arztes.
Ombudsmann Lorenzon rät: «Der Antragsteller kann sich bei Unklarheiten direkt an die Ombudsstelle wenden.» Stellt sich später heraus, dass Sie wichtige Informationen vergessen oder unterschlagen haben, kann die Gesellschaft den Vertrag kündigen. Sie muss nur dann zahlen, wenn der entstandene Schaden keinen Zusammenhang mit der Falschdeklaration hat.
Zusagen nicht schriftlich in der Police: Durch eine Krankheit wird Martha Schweizer* erwerbsunfähig. Sie erinnert sich an das Gespräch mit dem Versicherungsberater. Beim Abschluss ihrer Vorsorgeversicherung vor zwölf Jahren hat er sie mit dem Argument überzeugt, dass die Versicherungsgesellschaft die Prämien im Falle von Erwerbsunfähigkeit bis zum Vertragsablauf weiterzahlt damit sie auch dann ihr Sparziel ganz sicher erreicht. Als Martha Schweizer ihren Anspruch anmeldet, verweigert die Versicherung die Leistungen. Die Prämienbefreiung sei nicht mitversichert. Auf ihrer Police ist tatsächlich nichts erwähnt, die Versicherungsgesellschaft hat dafür auch keine Prämien erhoben. Da Schweizer diesen Fehler nicht innert vier Wochen nach dem Erhalt der Police bemerkt hat, kann sie nichts machen: ein teures Versäumnis.
Das muss man wissen: Nach dem Abschluss eines Versicherungsvertrags erhält der Kunde eine Police. Was auf der Police und in den AVB geregelt ist, gilt verbindlich für die Dauer der Versicherung. Stimmt der Inhalt nicht mit den getroffenen Vereinbarungen überein, muss der Versicherte innerhalb von vier Wochen eine Berichtigung verlangen. Tut er das nicht, ist der von der Gesellschaft bestätigte Vertrag gültig.
*Namen geändert
- Prüfen Sie vor dem Abschluss des Vertrags gründlich, ob Sie sich tatsächlich gegen das entsprechende Risiko versichern wollen. Risiken, die Sie finanziell selbst tragen können, müssen Sie nicht versichern. Beachten Sie, was bereits bestehende Policen alles abdecken, auch die über den Arbeitgeber laufenden Versicherungen wie AHV/IV, Unfallversicherung, Lohnfortzahlung und Taggelder sowie Pensionskasse.
- Verlangen Sie stets mehrere Offerten verschiedener Gesellschaften und vergleichen Sie Leistungen und Prämien miteinander. Studieren Sie auch die allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB), insbesondere, wie Leistungsausschlüsse geregelt sind.
- Es gilt, was im Versicherungsvertrag und in den AVB steht. Leistungen, die dort nicht geregelt sind, werden nicht erbracht. Lassen Sie sich mündliche Versprechen und Zusagen in jedem Fall schriftlich bestätigen.
- Unterschreiben Sie nichts, was Sie nicht verstehen.
- Lassen Sie sich nie unter Druck setzen oder zum Abschluss drängen, weder im Beratungsgespräch und schon gar nicht am Telefon.
- Bei Sachversicherungen zu empfehlen: Schliessen Sie Verträge nur mit einjähriger Laufzeit ab – oder bestehen Sie auf einem schriftlich bestätigten jährlichen Kündigungsrecht.
- Bei Lebens- und Rentenversicherungen gilt: Verlassen Sie sich nur auf die garantierten Leistungen. Überschüsse werden nicht garantiert und können gekürzt werden, die aufgeführten Fondsrenditen sind eine Prognose und alles andere als sicher beziehungsweise abhängig vom effektiven Marktverlauf.
- Kontrollieren Sie die Police bei Erhalt genau. Stimmen die aufgeführten Leistungen mit der Offerte und dem Inhalt des Beratungsgesprächs überein? Wenn nicht, verlangen Sie innert vier Wochen eine Berichtigung.